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Universitätsarchiv

Karl Marbe

Gelehrter des Monats: Karl Marbe

* 31.08.1869 in Paris       † 02.01.1953 in Würzburg

1887     Studium der Germanistik, Philosophie und Psychologie in Freiburg, später in Bonn, Berlin und Paris
1893     Promotion in Bonn
1896     Habilitation in Würzburg
1896     Mitbegründung des Instituts für Psychologie der Universität Würzburg
1905     Professur an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt a. M.
1909     Leiter des Instituts für Psychologie der Universität Würzburg
1927     Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
1935     Emeritierung von den Pflichten der Universität Würzburg

Karl Marbe, der bereits 1893 in Leipzig mit Oswald Külpe zusammengearbeitet hatte, wechselte aufgrund dieser Bekanntschaft im Jahre 1894 nach Würzburg um dort als Privatdozent zu wirken und zwei Jahre später, neben Külpe, das hiesige Institut für Psychologie ins Leben zu rufen. Das junge, aber durchaus erfolgreiche Institut entwickelte schnell unter Marbes maßgeblicher Mitwirkung die Grundlagen der Würzburger Schule der Denkpsychologie, die ihrer Zeit weit voraus war.

Zwischen Eignungsdiagnostik und rechnenden Schimpansen

Das Aufgabenfeld, mit dem sich Marbe in seiner akademischen Laufbahn befasste war sehr facettenreich aufgestellt. So beschäftigte er sich nicht nur mit der Theorie seines Fachbereiches, indem er eigene Konzepte wie die „Theorie der Gleichförmigkeit“ als Erklärungsgrundlage massenpsychologischer Phänomene entwickelte, sondern fand auch großes Interesse an den praktischen Ansätzen der Psychologie. Er konstruierte unter anderem eignungsdiagnostische Verfahren für die Zahnmedizin, die Orthopädie und Chirurgie und damit erste Auswahlverfahren für Akademiker. Er führte sehr frühe Studien zur Werbe- und Konsumpsychologie durch und untersuchte die mutmaßlichen Rechenfähigkeiten einer Schimpansin im Zoologischen Garten in Frankfurt. Zudem war er einer der ersten forensischen Psychologen, der als Gerichtsgutachter eingesetzt wurde.

Würzburger Schule

Ihm wird zudem die Mitinitiierung der bekannten Würzburger Schule zugeschrieben, einer Richtung der Psychologie, die sich mit den Grundlagen der Denkpsychologie befasste, und die durch erste Experimente in diesem Gebiet durch Marbe und zwei seiner Doktoranden ihren Anfang nahm. Insbesondere von Wilhelm Wundt, der die Untersuchung höherer geistiger Prozesse noch nicht für möglich erachtete, zunächst noch als „unwissenschaftlich“ kritisiert, erfuhr die Würzburger Schule vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zuge der kognitiven Wende eine breite Rezeption, dessen Grundlagen sie im Wesentlichen schon vorwegnahm.

Skeptiker des dritten Reichs

Trotz seiner Emeritierung im Jahre 1935 blieb Marbe in Würzburg wohnhaft und betrachtete von dort das politische Geschehen im Zuge des dritten Reichs kritisch. Dabei analysierte er die Psychologie der Massen unter dem Einfluss der Volksverführung, Propaganda und Suggestion durch Diktaturen wie dem Nationalsozialismus und schrieb die Ergebnisse im Geheimen noch vor dem Ende des 2. Weltkriegs in seinem Buch „Zeitgemäße populäre Betrachtungen für die kultivierte Welt“ nieder. Das Manuskript konnte Marbe zu seinen Lebzeiten jedoch nicht mehr veröffentlichen – die Verlage weigerten sich in der Nachkriegszeit politisch sensible Werke zu drucken. Es wurde erst im Jahr 2016 in Würzburg in seinem Nachlass wiederentdeckt und vom Zentrum für Geschichte der Psychologie publiziert.

Literaturempfehlungen:

Marbe, Karl: Zeitgemäße populäre Betrachtungen für die kultivierte Welt. Aus dem Nachlass eines deutschen Gelehrten. Herausgegeben und eingeleitet von Armin Stock, Frankfurt 2016.
Mülberger, Annette: Das Psychologische Institut unter der Leitung von Karl Marbe, in: Janke, Wilhelm (Hrsg.): Hundert Jahre Institut für Psychologie und Würzburger Schule der Denkpsychologie. Hogrefe, Göttingen 1999, S. 127–139.

Der Artikel entstand unter der freundlichen Mithilfe von Dr. Armin Stock.