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Universitätsarchiv

Erste bayerische Zeit

Universitätsreform und geistiger Aufbruch: Die erste bayerische Zeit (1802 – 1805)

Mit dem Ausklang des Jahres 1805 endete für die Universität Würzburg die erste bayerische Phase, die der Universität einen ungeahnten Aufschwung gebracht, ihr aber auch eine schwere Bürde für die Zukunft aufgelastet hatte.

Diese Entwicklung war eingebettet in den größeren Zusammenhang der durch Napoleon hervorgerufenen Umwälzungen in Europa. Nach der Niederlage Österreichs im zweiten Koalitionskrieg gegen Bonaparte hatte Kaiser Franz II. im Frieden von Lunéville (1801) die Annektierung des linksrheinischen Reichsgebiets durch Frankreich anerkennen müssen. Auf Druck des späteren Kaisers Napoleon wurden die davon betroffenen deutschen Mittelstaaten, die als Puffer zwischen Österreich und Frankreich dienen sollten, durch die Auflösung der geistlichen Fürstentümer und Güter sowie durch kleinere reichsunmittelbare Gebiete (Säkularisation und Mediatisierung) entschädigt und an Frankreich gebunden. Die endgültige Auflösung des Alten Reiches hatte begonnen. Das Kurfürstentum Bayern erhielt unter anderem neben dem ehemaligen Fürstbistum Bamberg auch das Hochstift Würzburg, welches Ende des Jahres 1802 durch bayerische Truppen in Besitz genommen wurde.

Für die Julius-Universität endete damit die behütete, wenn auch geistig enge und provinzielle Zeit unter den Fürstbischöfen. Dass diese die Universität bis zum Ende ihrer Herrschaft wohlwollend förderten zeigt die – quasi als Abschiedsgeschenk – im Februar 1802 vorgenommene Eingliederung des Jesuiten- in den Universitätsfonds, wodurch die finanzielle Ausstattung der Universität nicht unerheblich gestärkt wurde. Dennoch blieb es fast ein Jahr lang ungewiss, ob die Universität Würzburg oder die Universität Bamberg weiter bestehen würde, da es neben der 1802 von Ingolstadt nach Landshut (1826 nach München) verlegten Hochschule nur eine weitere bayerische Landesuniversität geben sollte. Bei der Entscheidung zugunsten Würzburgs spielte die günstige Finanzsituation eine bedeutende Rolle, aber auch die vorteilhafte Lage, welche die Universität zur Mittlerin zwischen Nord- und Süddeutschland machen sollte. Die vorher notwendige grundlegende Reformierung der neuen Landesuniversität berechtigte zur Aufnahme des bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph neben Julius Echter von Mespelbrunn in den Namen der Universität.

Als Vorbild für die Reform dienten die führenden norddeutschen Universitäten. Die Universität verlor ihren konfessionellen Charakter, von nun an waren Katholiken und Protestanten gleichberechtigt. Nach Göttinger Muster wurde eine Kuratel unter Leitung des Generalkommissars für die Fürstentümer in Franken, Graf Thürheim, eingeführt, die als Behörde zwischen Ministerium und Universität vor Ort alle Entscheidungen zu treffen und die Reformen Max Josephs und Montgelas umzusetzen hatte. Die universitäre Selbstverwaltung wurde stark beschnitten, die vier Fakultäten durch zwei Klassen mit jeweils vier Sektionen ersetzt, das Rektorat und der Senat weitgehend entmachtet (die Kuratel konnte entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis der Wahl des Prorektors nehmen) sowie die eigene Gerichtsbarkeit der Universität stufenweise auf eine Disziplinaraufsicht reduziert. War diese zunehmende staatliche Bevormundung an der Universität auch äußerst unbeliebt, so erlebte die Universität dennoch, nicht zuletzt wegen der großzügigen Berufungspolitik, einen ungeahnten Aufschwung. Die Universität Würzburg sollte mit jeder anderen Universität konkurrieren können und als eine Mittlerin zwischen den geistig-kulturellen Kräften des deutschen Nordens und Südens Modellcharakter übernehmen. Alte, als rückständig empfundene, Professoren wurden in den Ruhestand versetzt und zahlreiche neue, meist norddeutsch-protestantische, Gelehrte berufen.

Zentrale Bedeutung hatte hierbei die 1803 erfolgte Berufung des 28-jährigen Philosophen Friedrich Joseph Schelling, eines der Hauptvertreter des deutschen Idealismus, der als markantes Aushängeschild den neuen Geist repräsentieren und zahlreiche weitere Gelehrte und Studenten nach Würzburg locken sollte. Bei den zahlreichen Neuberufungen (neben Schelling auch Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Friedrich Philipp Immanuel Niethammer und Gottlieb Hufeland) bei gleichzeitiger Verdoppelung der Professorenbesoldung, und dem auf den Aufschwung der Universität folgenden Baubedarf (Einrichtung neuer Auditorien, Wohnräume für die Professoren in der Alten Universität) wurde keine Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten der mit reichem Vermögen ausgestatteten Universität genommen, was in der Folge zu einer fatalen Verschuldung führen sollte.

Schelling, der nach seiner Berufung sogleich Mitglied des 9-köpfigen Senats geworden war, eckte mit seiner Art bald in Würzburg an, Graf Thürheim klagte schon 1804 über die Arroganz des von ihm so favorisierten Schelling. Seinen Zweck, als Magnet für Studenten zu dienen hat er jedoch vollständig erfüllt. Dies zeigt sich, wenn man den Besuch seiner Vorlesungen betrachtet. Hierbei ist zu beachten ist, dass es Anfang des 19. Jahrhunderts die Massenuniversität, die unser heutiges Universitätsbild prägt, noch nicht gab. Hatte die Universität Würzburg im Jahr 1803 550 Studenten, so waren es 1804/05 bereits 730 Studenten und somit mehr als etwa an der Universität Tübingen.

SCHELLINGS VERANSTALTUNGEN:


Wintersemester 1803/04: Theoretische und praktische Philosophie (90 Studenten)
Wintersemester 1804/05: Philosophie (125 Studenten)
Sommersemester 1805   : Philosophie (76 Studenten)


Rechnet man den die Vorlesungen Schellings besuchenden Anteil der Studenten an der Gesamtstudentenzahl auf heutige Verhältnisse um, so müsste eine Vorlesung an einer Universität wie Würzburg mit 18200 Studenten von knapp 3100 Studenten gehört werden, um die gleiche Anziehungskraft wie die Vorlesungen Schellings zu erreichen.

Dieser neue Glanz der Universität Würzburg begann so hell zu strahlen, dass sich auch der Philosoph und bedeutende Vertreter der Frühromantik, Friedrich Schlegel, am 10. Juli 1805 um eine Professur der Philologie in Würzburg bewarb (Universitätsarchiv ARS 1589). Der Senat aber hatte Zweifel an seiner Befähigung als Lehrer und sprach sich gegen eine Berufung aus.


Transkription des Bewerbungsschreibens hier !

Mit dem Pressburger Frieden 1805 endete im Januar 1806 die erste bayerische Phase in Würzburg, das Land kam im Zuge der napoleonischen Umgestaltung bis 1814 an Erzherzog Ferdinand von Österreich, den vormaligen Großherzog von Toskana bzw. Kurfürst von Salzburg. Im Rahmen der folgenden Rekatholisierung der Hochschule verließen die meisten neu berufenen Gelehrten Würzburg in Richtung München. Die Universität Würzburg versank bis zum Ende der Napoleonischen Kriege in einem provinziellen Dämmerschlaf.

Autor: Marcus Holtz