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Universitätsarchiv

Die Rektoren im turbulenten 19. Jahrhundert

Curatel, Prorektor und akademischer Senat

Teil 4 von 7

Stellten Senat und Rektorat in vorbayerischer Zeit die Spitze der akademischen Selbstverwaltung dar, so wurden sie zu Beginn der bayerischen Herrschaft zu ausführenden Organen degradiert. Die Universität verlor ihre korporativen Freiheiten.

Mit dem Ende der fürstbischöflichen Zeit und dem Übergang Würzburgs an das Kurfürstentum Bayern 1805 erfolgte ein massiver Einschnitt in die korporativen Selbstverwaltungsrechte und Freiheit der Universität. Die Universität stand nun unter „Kuratel“ und eine gleichnamige Behörde war zwischen Ministerium und Universität geschaltet. Die Kuratel als Mittelorgan wurde mit weitreichenden und ungenau formulierten Rechten ausgestattet. Hierdurch degradierte man den Senat zum reinen Beratungsorgan und stufte den vormaligen Rektor, nun demonstrativ Prorektor genannt, vom Repräsentanten einer eigenständigen Korporation zum reinen Mittler zwischen Staat und Universität herab. Selbst die Wahlen zu Senat und Rektorat wurden von zentraler Stelle kontrolliert. So bestimmte der erste Kurator Thürheim in den Anfangsjahren die Mitglieder des Senats und Rektorats direkt selbst, mit Verweis auf die fehlende Festigung der neuen Ordnung. Die Korporation verlor ihre Privilegien und Sonderrechte weitgehend.

Würzburg fällt an das Großherzogtum Toskana – die Universität wird fremdgesteuert

1805 kamen die Gebiete des Untermainkreises an den vormaligen Großherzog von Toskana. Erneut griff die Regierung direkt in die Universitätsstruktur ein, ohne dabei Rücksicht auf korporative Rechte zu nehmen. Die Universität wurde noch stärker an die großherzogliche Regierung gebunden. Die weiterbestehende Kuratel verlor ihre eigenständige Entscheidungskraft und sollte nur streng weisungsgebunden handeln. Der Senat, schon zuvor auf eine die Kuratel beratende Tätigkeit beschränkt, wurde zwar jährlich durch die Korporation erneuert, seine Eingaben blieben jedoch häufig von Seiten der Regierung unbeantwortet. Vor seiner Auflösung in der Organisationsakte von 1809 ging der Senat daher dazu über, einzig eine Auflistung von unbeantworteten Anträgen, Beschwerden und Gutachten vorzulegen. Auch der nach Auflösung des Senats jährlich einberufenen Gesamtversammlung des Kollegiums unter Vorsitz des Prorektors wurde keinerlei selbstständiger Handlungsspielraum eingeräumt. Die Universität sollte hier lediglich ihre Fachkompetenz zur Verfügung stellen, Mitsprache- oder Antragsrecht wurde ihr nicht gewährt. Das Prorektorat führte zwar formell weiterhin den Vorsitz der Universität, stellte jedoch aufgrund mangelnder Kompetenzen lediglich einen leerer Rechtstitel dar. Der Prorektor hatte sich in großherzoglicher Zeit auf die Vornahme der Immatrikulation und den Vorsitz des Professorenkollegiums zu beschränken.

Lange Dienstwege für jeden Antrag aus universitären Reihen

1814 fiel Würzburg endgültig an das Königreich Bayern. Der Geschäftsbereich der Kuratel unter Kurator von Stauffenberg blieb weiterhin stark beschränkt. Die Unterstellung der Kuratel unter die königliche Hofkommission führte dazu, dass Anträge der Universität zunächst durch zwei staatliche Institutionen geleitet werden mussten, bevor sie zur bayerischen Regierung durchdrangen.

Der große Einfluss von Kurator und Hofkommissar bewirkte eine weitere Aushöhlung der korporativen Rechte. Exemplarisch ist dies an den Hochschulwahlen des Jahres 1816 festzumachen, als sich Kommissar und Kurator gegen den zum neunten Mal als Prorektor gewählten Professor Kleinschrod aussprachen und stattdessen die Einsetzung Professor Döllingers für das folgende Jahr erwirkten.

Eine umfassende Neuorganisation des Prorektorats und Wiedereinsetzung des Senats

Das Jahr 1817 brachte umfassende Veränderung für die universitäre Verwaltung. Am 26. März 1817 wurde die Hofkommission aufgelöst und die Kuratel der Regierung des Untermainkreises unterstellt, deren Präsident den zukünftig ersten Kurator stellen sollte. In dieser Situation wagte (Pro)rektor Döllinger am 9. Mai 1817 einen Vorstoß zur umfassenden Neuorganisation von Prorektorat und Senat. Der Senat sollte unter Leitung der Kuratel die Aufsicht über Studien und Attribute übernehmen, ein Vorschlagsrecht bei der Berufung neuer Professoren erhalten sowie neue akademische Gesetze beschließen können. Der königliche Beschluss vom 16. Juni 1817 gewährte diese Wiedereinsetzung des akademischen Senats sowie in weiten Teilen die von Döllinger geforderten Vorschlagsrechte und Verwaltungskompetenzen. Das Prorektorat, dem bisher vornehmlich repräsentative Aufgaben zukamen, sollte nun als Exekutivorgan des Senats dienen. Ab 1833 war der Rektor dem Senat direkt rechenschaftspflichtig.

Überwachung durch den neuen Ministerialkommissar

Durch die Karlsbader Beschlüssen vom 20.9.1819 wurde eine weitere Instanz der Universitätsaufsicht geschaffen: der außerordentliche Ministerialkommissar. Am 13. Februar 1828 wurde die Kuratel schließlich aufgehoben. Die weitgehenden Zuständigkeiten der Ministerialkommission wurden dabei nicht angetastet. Die Kontrolle und Überwachung von Studium, Studenten und Professoren wurde zu einer großen Last für alle Universitätsangehörigen, die sich durchaus als Existenzgefährdend zeigen konnte. Rechte der Selbstverwaltung wurden dabei kompromisslos übergangen. Ihr eigentliches Ziel, die Entpolitisierung der Universität und ihrer Angehöriger sowie die Erziehung zu treuen Staatsdienern, konnte die Kommission gegen die allgemeinen deutschlandweiten Entwicklungen nicht erreichen. Als Folge der politischen Ereignisse des Revolutionsjahres 1848 löste König Maximilian II. im Oktober die Ministerialkommission auf, und übertrug ihre Kompetenzen an die Kreisregierung und das Ministerium des Inneren. Hierdurch erhielt auch die Universität einige ihrer früheren Rechte zurück und konnte wieder einen eigenen Rektor  wählen.