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Jugenddeligierte in New York

12/19/2018

Seit ihrem ersten Bericht über ihr Amt als Jugenddelegierte zur UN-Generalversammlung ist einige Zeit vergangen. Mittlerweile liegen drei spannende Wochen bei den Vereinten Nationen und eine Rede vor dem dritten Ausschuss der Generalversammlung hinter Alumna Antonia Kuhn.

Jungdeligierte Antonia Kuhn und Lukas Schlapp

3. Oktober 2018, 10 Uhr, Hauptgebäude der Vereinten Nationen, New York
Ich sitze im Konferenzraum 2 im Hauptgebäude der Vereinten Nationen. Vor mir: ein Schild, auf dem in blauen Lettern “Germany” angezeigt wird. Um mich herum: ein Stimmengewirr aus Spanisch, Englisch, Französisch und einigen Sprachen mehr, die ich nicht identifizieren kann. Delegierte blättern raschelnd durch ihre Unterlagen, das Geklapper von Laptop-Tastaturen und der Geruch von Kaffee liegen in der Luft. Heute ist mein zweiter Tag als Jugenddelegierte bei den Vereinten Nationen. In wenigen Minuten werde ich hier zusammen mit meinem Kollegen Lukas Schlapp eine Rede halten und dabei etwa 15 Millionen junge Menschen in Deutschland repräsentieren. Wir sprechen vor dem dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung; dieser Ausschuss befasst sich mit sozialen, humanitären und kulturellen Themen und ist damit auch der Ausschuss, in dem sich Jugendpartizipation als Thema verorten lässt.

Für den Tagesordnungspunkt “Soziale Entwicklung”, unter dem unsere Rede stattfindet, steht Deutschland als Nummer 37 auf der Redeliste. Die Sitzung beginnt mit der Rede von Ungarn, gleich danach werden wir sprechen.

In diesen Tagen sieht das Plenum des dritten Ausschusses deutlich jünger aus, als sonst: Neben Lukas und mir sitzen noch etwa 60 weitere Jugenddelegierte aus über 35 Staaten im Saal, und genau wie wir wird auch der Großteil von ihnen heute oder in den nächsten Tagen eine Rede vor dem dritten Ausschuss halten. Dass die Mitgliedstaaten Jugenddelegierte in ihre Delegationen zu verschiedenen UN-Gremien involvieren ist keine Idee einzelner Mitgliedstaaten selbst, sondern wurde ausdrücklich in einer Resolution der Generalversammlung im Jahr 1981 von allen Mitgliedstaaten gefordert. Den Vereinten Nationen ist es wichtig, dass sich die Perspektiven aller Bevölkerungsgruppen in Entscheidungsprozessen wiederfinden. Deshalb unterstützen sie auch uns Jugenddelegierte als Vertreter*innen der Jugendperspektive durch eine eigene Ansprechperson in der Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten. Wie wichtig wir den Vereinten Nationen sind, wird uns auch noch einmal deutlich, als wir den Generalsekretär Antonio Guterres treffen, der betont, dass es junge Menschen brauche, um veraltete Strukturen aufzubrechen und Veränderungen herbeizuführen. Oder, in seinen Worten ausgedrückt: “You are here to shake the system!”

Um viertel nach 10 übergibt uns der Vorsitzende des 3. Ausschusses, der afghanische Ständige Vertreter bei den Vereinten Nationen Mahmoud Saikal, das Wort, und wir beginnen mit unserer Rede.

Wer die Rede ganz hören möchte, findet sie auf YouTube oder unserer Facebookseite (jeweils @jugenddelegierte).

15. Oktober 2018, 15 Uhr, Hauptgebäude der Vereinten Nationen, New York

Wir sitzen in einem der unzähligen Konferenzräume im Hauptgebäude der Vereinten Nationen. Mit uns sitzen die Vertreter*innen von etwa 15 weiteren Staaten um einen großen Tisch. Hier soll heute die Verhandlung des Resolutionsentwurfs zum Thema Freiwilligenarbeit stattfinden. Deutschland vertritt hier die gesamte europäische Gruppe und hat damit eine wichtige Position am Tisch. Das ist auch den Vertreter*innen der anderen Staaten bewusst - der russische Verhandler hat bei jedem Wort, das er spricht, die deutsche Diplomatin fest im Blick.

Als Jugenddelegierte haben wir uns vor dem Beginn der Verhandlungen mit der deutschen Vertreterin über die Position junger Menschen in Deutschland zum Thema ausgetauscht - jetzt sitzen wir gespannt hinter ihr und hoffen, dass unsere Textergänzung es in die Resolution schaffen wird.

Die Verhandlungen, moderiert von Brasilien und Japan, laufen schleppend - man hat den Eindruck, Multilateralismus wäre für einige Staaten mittlerweile deutlich unattraktiver als stures Beharren auf den eigenen Interessen. Heute ist auch schon der dritte Verhandlungstag, am Freitagmittag endet die Frist für das Einreichen von Resolutionsentwürfen, die Zeit drängt also. Je weiter der Zeiger der Uhr nach vorne rückt, desto kompromissbereiter werden alle Parteien - niemand hat Interesse daran, am Freitag keine Resolution vorlegen zu können. Als die Sitzung um 18 Uhr endet, hat es unsere Ergänzung aus Jugendperspektive leider nicht in den Text geschafft, dafür konnte aber endlich der Entwurf weitestgehend fertig gestellt werden.

18. Oktober 2018, 10.15 Uhr, 18. Stock der Deutschen Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen, New York

Heute treffen wir uns mit dem Ständigen Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen, Dr. Christoph Heusgen. Wir sprechen über die Erfahrungen, die wir in den drei Wochen als Jugenddelegierte hier bei den Vereinten Nationen gemacht haben, und darüber, wie junge Menschen in Deutschland die Vereinten Nationen wahrnehmen. Auf unserer Tour durch Deutschland im Sommer, über die ich im letzten Artikel bereits berichtet habe, haben wir festgestellt, dass junge Menschen in Deutschland die UN vor allem dann wahrnehmen, wenn der Sicherheitsrat blockiert ist. Die Arbeit der Vereinten Nationen in vielen anderen Bereichen ist dagegen vielen gar nicht bewusst. Vielleicht hat Multilateralismus neben dem Attraktivitiätsproblem also auch ein Kommunikationsproblem?

 

 

27. Oktober 2018, Flughafen John F. Kennedy, New York

Nach drei spannenden Wochen bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen und ein paar Tagen Urlaub in Washington ist es für mich jetzt an der Zeit, die Heimreise nach Würzburg anzutreten. Während ich am Flughafen auf das Boarding warte, die typische Mischung aus schreienden Kindern und Hektik und um mich herum, lasse ich die letzten Wochen Revue passieren.

Als Jugenddelegierte hatte ich die Möglichkeit, die Arbeit der Vereinten Nationen drei Wochen lang zu begleiten. In unzähligen Gesprächen mit Vertreter*innen verschiedener Staaten und der Vereinten Nationen haben wir immer wieder die Notwendigkeit von Jugendpartizipation auf allen Ebenen betont. Manchmal wurden wir dafür belächelt, manchmal wurde uns gar nicht zugehört, doch in dem größten Teil der Gespräche haben wir das erreicht, was wir wollten: wir als junge Menschen wurden ernst genommen, uns wurde auf Augenhöhe begegnet, und unsere Anliegen wurden diskutiert und - in den meisten Fällen - auch nachvollzogen. Nach drei Wochen als Jugendvertreterin habe ich den Eindruck, dass die Vereinten Nationen mittlerweile ein sehr offenes Ohr für die Themen und Perspektiven junger Menschen haben. Ich habe gelernt, wie wichtig Diplomatie für die Lösung globaler Herausforderungen ist, und wie viel Arbeit bei der UN auch schon hinter kleinen Schritten in die richtige Richtung steckt.

Mein Jahr als Jugenddelegierte ist damit aber noch nicht vorbei. Im Februar werden Lukas und ich ein zweites Mal für die Jugend in Deutschland bei den Vereinten Nationen sprechen, dieses Mal vor der Kommission für Soziale Entwicklung des Wirtschafts- und Sozialrates. Wer wissen möchte, wie es uns dort ergeht, ist herzlich eingeladen, uns auf Facebook oder Instagram unter @jugenddelegierte zu finden und zu folgen. Auf www.jugenddelegierte.de läuft außerdem noch bis 7. Januar die Ausschreibung für die Jugenddelegierten für das Jahr 2019.

Antonia Kuhn

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