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Wenn gute Songs wie leckere Cookies riechen

17.10.2023

Das Phänomen „Synästhesie“ steht im Zentrum einer neuen Online-Ausstellung des Zentrums für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg. Sie basiert auf dem Nachlass des Psychologen Georg Anschütz.

Visueller synästhetischer Eindruck beim Anhören von Schuberts Forellenquintett.
Visueller synästhetischer Eindruck beim Anhören von Schuberts Forellenquintett. (Bild: Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg)

Synästhesien gehören mit zu den faszinierendsten Wahrnehmungseindrücken, die bei etwa vier Prozent der Bevölkerung in unterschiedlichem Ausmaß auftreten können. „Synnies“ – wie sie sich untereinander nennen – können zum Beispiel ein Telefonklingeln nicht nur an der Melodie erkennen, sondern auch an damit verbundenen Farbeindrücken, die sie im Raum sehen.

Andere Synästheten nehmen Zahlen farbig wahr oder erleben Musik in Begleitung von bildgewaltigen Seherfahrungen, die wie auf einer Leinwand sechs Meter vor ihnen stehen. Die Sängerin und Synästhetin Billie Eilish berichtet davon, dass Musik für sie mit Geruchseindrücken einhergeht. Ein gelungener Song rieche für sie nach leckeren Cookies.

Diese unterschiedlichen Wahrnehmungserlebnisse können auch bidirektional sein: Wer beim Musikhören Bilder sieht, nimmt dann möglicherweise beim Betrachten eines Bildes akustische Phänomene wahr.

Ein Pionier der Synästhesie-Forschung

Mit diesem für die psychologische Forschung hochinteressanten Themengebiet hat sich im vergangenen Sommersemester eine Gruppe von Studierenden in einem Seminar am Zentrum für Geschichte der Psychologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) befasst. Dort wird der Nachlass des Psychologen Georg Anschütz (1886-1953) bewahrt, eines Pioniers der Synästhesie-Forschung.

„Es ist einer unserer ganz spannenden Nachlässe“, sagt Professor Armin Stock, der Leiter des Zentrums und Organisator des Seminars. „Anschütz war nicht nur ein Wegbereiter für die Synästhesie-Forschung, der bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts große Kongresse in Hamburg dazu ausrichtete, sondern er war später leider auch ein überzeugter Nationalsozialist“, so Stock. Dies mache eine kritische Betrachtung und ein sorgfältiges Abwägen notwendig.

Diesen und auch andere Nachlässe in der Lehre einzusetzen und so den Studierenden Einblicke in die Erforschung historischer Dokumente zu geben, sieht Stock als wichtige Aufgabe des Zentrums. Da sich in Anschütz‘ Nachlass auch umfangreiche Bildmaterialen visueller Eindrücke von Synästheten befinden, war schnell die Idee geboren, gemeinsam mit den Studierenden eine Online-Ausstellung dazu zu gestalten.

Einblicke in Forschung und Ästhetik der Synästhesie

„Ein Sommersemester ist dafür nicht viel Zeit, und ich war nicht sicher, ob sich das realisieren lassen würde“, erinnert sich Stock. „Aber die Studierenden ließen sich von der Vision mitreißen und haben hoch engagiert und auch mit ein paar Überstunden daran gearbeitet“, so der Psychologe.

Herausgekommen ist eine „kleine, aber feine Ausstellung“, die einen ersten Einblick in Forschung und Ästhetik der Synästhesie bietet und über integrierte QR-Codes auf weiterführende Seiten verweist. Dort können Interessierte unter anderem selbst testen, ob sie synästhetisch veranlagt sind – und sich vielleicht deshalb ein Feuerwerk für sie wie eine Ganzköpermassage anfühlt.

Hier ist die Online-Ausstellung zu sehen.

Kontakt

Prof. Dr. Armin Stock, Zentrum für Geschichte der Psychologie, armin.stock@uni-wuerzburg.de

Homepage des Zentrums für Geschichte der Psychologie

Von ZGP / Gunnar Bartsch

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