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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Quantenhonig aus schwarzen Löchern

22.09.2020

Kombiniert man die Physik Schwarzer Löcher mit der fester Körper, könnte dies ganz neue Materialien ergeben. Dies zeigen Berechnungen zweier Würzburger Physiker. Sie eröffnen damit der Materialforschung neue Möglichkeiten.

Gitterstruktur von „Herbertsmithite“ (ZnCu3(OH)6Cl2). Wenn es gelingt, die grauen Zink-Atome durch Scandium-Atome zu ersetzen, werden in diesem Quantenmaterial die Elektronen wesentlich stärker miteinander verbunden sein als in Graphen. Dies kann zu einer neuen Art von elektronischen Bauelementen führen. (Blau: Kupfer, Rot: Sauerstoff, Weiss: Wasserstoff, Grün: Chlor). 
Gitterstruktur von „Herbertsmithite“ (ZnCu3(OH)6Cl2). Wenn es gelingt, die grauen Zink-Atome durch Scandium-Atome zu ersetzen, werden in diesem Quantenmaterial die Elektronen wesentlich stärker miteinander verbunden sein als in Graphen. Dies kann zu einer neuen Art von elektronischen Bauelementen führen. (Blau: Kupfer, Rot: Sauerstoff, Weiss: Wasserstoff, Grün: Chlor).  (Bild: Domenico Di Sante)

Forscher des Exzellenzclusters „ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien“ haben ein neues Quantenmaterial vorgeschlagen, in dem sich Elektronen als zähe Flüssigkeit – wie eine Art Quantenhonig – fortbewegen. Lässt sich das Material in genügender Reinheit herstellen, wird der Effekt dreimal stärker sein als im „Wundermaterial“ Graphen.

Dank des geringen Widerstands dieser Elektronenflüssigkeit könnten sich neue Perspektiven für Mikroelektronik und Speichermedien eröffnen. Zusätzlich können sich Magnetfelder durch die Wirbelbildung in dieser Flüssigkeit präzise ein- und ausschalten lassen. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.  

Eine Kombination unterschiedlicher Forschungsgebiete

Autoren der Studie sind die Professorin Johanna Erdmenger, Inhaberin des Lehrstuhls für Theoretische Physik III an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), und Professor Ronny Thomale, Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik I. Erdmenger hat langjährige Forschungserfahrung im Bereich der Physik Schwarzer Löcher, Thomales Spezialgebiet ist die Physik fester Körper. Im Exzellenzcluster ct.qmat, einem Forschungsverbund von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der JMU und der TU Dresden, haben die beide Wissenschaftler die theoretischen Grundlagen ihrer unterschiedlichen Forschungsgebiete erstmals kombiniert. Ihre Ergebnisse könnten der Materialforschung völlig neue Möglichkeiten eröffnen.

Bei der Entwicklung zukünftiger Elektronik betrachten Wissenschaftler vor allem die Transporteigenschaften von Elektronen – mit dem Ziel, Strom schneller und effizienter zu leiten. Schon in den neunziger Jahren entdeckten sie, dass sich Elektronen bei bestimmten Temperaturen und Dichten in elektrischen Leitern wie Flüssigkeiten verhalten. Bis dahin ging man davon aus, dass Elektronen sich einzeln durch ein Atomgitter bewegen.

Honig, der durch Atomgitter fließt

Die Forscher des Exzellenzclusters ct.qmat haben nun herausgefunden, dass Elektronen in einem bestimmten Quantenmaterial viel intensiver als bisher bekannt miteinander verbunden sind: „Die Elektronen in unserem Quantenmaterial sind mehr als dreimal stärker miteinander gekoppelt als wir es von Graphen kennen. Die Elektronenflüssigkeit kann man sich also eher wie eine Art Honig vorstellen, dessen Fluss durch das Atomgitter kaum gestört wird“, erklärt Johanna Erdmenger.

Das Quantenmaterial, in dem dieser Effekt auftreten kann, ist das Mineral „Herbertsmithite“ – allerdings in einer modifizierten Form: „Man müsste die Zink- durch Skandium-Atome ersetzen“, so die Physikerin. Wenn das gelingt, entstünde ein „sehr besonderes neues Material“, in dem sich sogar Wirbel in der Elektronenflüssigkeit bilden könnten.

Diese Erkenntnis wurde nur möglich, weil die Forschungsgruppen der Professoren Erdmenger und Thomale die bisher vollkommen getrennten Theorien zur Quantengravitation und zur Festkörperphysik kombiniert haben. Hierfür haben die Physiker die Temperatur von Schwarzen Löchern, die sogenannte „Hawking-Temperatur“, mit der Temperatur von Elektronen im Quantenmaterial gleichgesetzt. Das hat zur ersten konkreten Vorhersage eines Quantenmaterials geführt, bei dem diese Effekte auftreten können: „Scandium-Herbertsmithite“ (Sc-Hb) mit dreiwertigen Skandium-Atomen anstatt zweiwertigem Zink.

Das Exzellenzcluster ct.qmat

Das Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien) wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der TU Dresden getragen. Mehr als 200 Wissenschaftler aus 29 Nationen erforschen topologische Materialien für die Technik von Übermorgen. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert.

Originalpublikation

“Turbulent hydrodynamics in strongly correlated Kagome metals”. Domenico Di Sante, Johanna Erdmenger, Martin Greiter, Ioannis Matthaiakakis, René Meyer, David Rodríguez Fernández, Ronny Thomale, Erik van Loon & Tim Wehling. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-020-17663-x

Kontakt

Katja Lesser, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Exzellenzcluster ct.qmat, T: +49 351 463 33496, katja.lesser@tu-dresden.de

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