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Auf dem Weg zum kleinstmöglichen Laser

18.05.2021

Physiker haben einen exotischen Quantenzustand in einem Kristall erzeugt, der aus einer einzelnen Atomschicht besteht. Die Experimente dazu wurden an der Uni Würzburg durchgeführt.

Ein Käfig für Licht: Ein zweidimensionaler Kristall (Mitte) zwischen zwei Spiegeln wurde auf weniger Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt und mit kurzen Laserlichtpulsen (nicht abgebildet) stimuliert. Ein plötzlicher Anstieg der Lichtemissionen aus der Probe (oben, rot) zeigte an, dass sich ein Bose-Einstein-Kondensat aus Exziton-Polaritonen gebildet hatte.
Ein Käfig für Licht: Ein zweidimensionaler Kristall (Mitte) zwischen zwei Spiegeln wurde auf weniger Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt und mit kurzen Laserlichtpulsen (nicht abgebildet) stimuliert. Ein plötzlicher Anstieg der Lichtemissionen aus der Probe (oben, rot) zeigte an, dass sich ein Bose-Einstein-Kondensat aus Exziton-Polaritonen gebildet hatte. (Bild: Johannes Michl)

Bei extrem niedrigen Temperaturen verhält sich Materie oft anders als gewohnt. So können physikalische Teilchen wenige Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt ihre Eigenständigkeit aufgeben und für kurze Zeit zu einem einzigen Objekt mit identischen Eigenschaften verschmelzen. Solche Gebilde werden Bose-Einstein-Kondensate genannt und stellen einen besonderen Aggregatszustand der Materie dar. Einem internationalen Team um die Physiker der Uni Oldenburg Carlos Anton-Solanas und Professor Christian Schneider ist es nun erstmals gelungen, diesen ungewöhnlichen Quantenzustand in Ladungsträgerkomplexen zu erzeugen, die eng mit Lichtteilchen verbunden sind und sich in extrem dünnen Halbleiterschichten aus einer einzigen Atomlage befinden.

Die Studie ist ein Ergebnis des Projekts „unlimit2D“ unter Leitung von Schneider, das der Europäische Forschungsrat (ERC) mit einem „Starting Grant“ fördert. Die Experimente fanden an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg statt. Wie das Team in der Zeitschrift „Nature Materials“ berichtet, entsteht dabei Licht, das dem eines Lasers gleicht. Das Phänomen könnte sich daher nutzen lassen, um die kleinsten denkbaren Festkörperlaser zu erzeugen.

Kooperation mit der Uni Würzburg

Die Arbeit ist das Resultat einer Kooperation der Forscher mit den Arbeitsgruppen von Professor Sven Höfling und Professor Sebastian Klembt von der JMU, Professor Sefaattin Tongay von der Arizona State University (USA), Professor Alexey Kavokin von der Westlake University (China) sowie Professor Takashi Taniguchi und Professor Kenji Watanabe vom Nationalinstitut für Materialwissenschaften in Tsukuba (Japan).

Im Mittelpunkt der Studie stehen physikalische Objekte, die gleichzeitig aus Materie und Licht bestehen – sogenannte Exziton-Polaritonen. Dabei handelt es sich um eine Kopplung aus angeregten Elektronen in Festkörpern und Lichtteilchen. Sie entstehen, wenn Elektronen durch Laserlicht in einen Zustand höherer Energie versetzt werden. Nach Bruchteilen einer Sekunde geben die Elektronen die Lichtteilchen wieder ab. Wenn diese zwischen zwei Spiegeln gefangen werden, können sie wiederum neue Elektronen anregen – ein Zyklus, der sich fortsetzt, bis das Lichtteilchen aus der Falle entkommt. Die zwischenzeitlich entstandenen Gebilde aus Licht und Materie werden als Exziton-Polaritonen bezeichnet. Sie kombinieren interessante Eigenschaften von Elektronen und Lichtteilchen (Photonen) und verhalten sich ähnlich wie bestimmte physikalische Teilchen. „Bauteile, die diese neuartigen Licht-Materie-Zustände kontrollieren können, versprechen einen Technologiesprung gegenüber heutigen Elektronik-Schaltkreisen”, sagt Hauptautor Anton-Solanas, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe Quantenmaterialien am Institut für Physik der Universität Oldenburg. Solche optoelektronischen Schaltkreise, die mit Licht statt mit elektrischem Strom betrieben werden, könnten Informationen in Zukunft besser und schneller verarbeiten als derzeitige Prozessoren.

Das Team um Anton-Solanas und Schneider befasste sich in der neuen Studie mit Exziton-Polaritonen in extrem dünnen Kristallen aus einer einzigen Lage von Atomen. Diese sogenannten zweidimensionalen Kristalle haben oft ungewöhnliche physikalische Eigenschaften. Das verwendete Halbleitermaterial Molybdän-Diselenid reagiert beispielsweise sehr empfindlich auf Licht. Die Forschenden stellten weniger als einen Nanometer (Milliardstel Meter) dicke Lagen aus Molybdän-Diselenid her und platzierten diesen zweidimensionalen Kristall zwischen zwei eng beieinanderliegenden Schichten aus anderen Materialien, die Lichtteilchen wie ein Spiegel reflektieren. „Diese Struktur ist so etwas wie ein Käfig für Licht“, erläutert Anton-Solanas. Fachleute sprechen von einer „Mikrokavität“.

Er und seine Kollegen kühlten ihren Aufbau auf wenige Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt und regten mit Hilfe von kurzen Laserblitzen die Bildung von Exziton-Polaritonen an. Ab einer bestimmten Intensität beobachteten sie, dass die Lichtemissionen ihrer Probe schlagartig anstiegen. Zusammen mit weiteren Indizien erlaubte dies den Schluss, dass es ihnen gelungen war, ein Bose-Einstein-Kondensat aus Exziton-Polaritonen zu erzeugen. „Theoretisch könnte sich dieses Phänomen nutzen lassen, um kohärente Lichtquellen aufzubauen, die nur auf einer einzigen Scheibe von Atomen basieren“, sagt Anton-Solanas. „Auf diese Weise hätte man den kleinstmöglichen Festkörperlaser erzeugt.“ Die Forscher sind zuversichtlich, dass sich der Effekt mit anderen Materialien auch bei Raumtemperatur erzeugen lässt und damit langfristig auch für praktische Anwendungen verwendbar wäre. Erste Experimente des Teams in dieser Richtung waren bereits erfolgreich.

Publikation

Carlos Anton-Solanas et al: “Bosonic condensation of exciton–polaritons in an atomically thin crystal”, Nature Materials, DOI: 10.1038/s41563-021-01000-8

Von Uni Oldenburg

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