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    "Leben des Quintus Fixlein"

    Projektbeschreibung "Leben des Quintus Fixlein"

    von Sabine Straub

    An der Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition der Universität Bayreuth (Leitung: Prof. Dr. Christian Begemann) wird seit Oktober 2006 die historisch-kritisch und textgenetisch angelegte Ausgabe von Jean Pauls drittem Buch Leben des Quintus Fixlein erstellt. Sie wird von der Oberfrankenstiftung in Bayreuth mit 200.000 € gefördert. Als Teil der neuen Jean-Paul-Werkausgabe, die am Hauptsitz der Jean-Paul-Edition an der Universität Würzburg entsteht, folgt sie nicht mehr dem Editionsprinzip der letzten Hand, dessen Ausrichtung auf den Willen des Autors und das vollendete Werk nur die jeweils letzte, vom Dichter veranlaßte Druckfassung als alleingültige bewertet. Vielmehr dokumentiert sie die Entstehungsgeschichte des Textes, indem sie erstmals alle zu Lebzeiten Jean Pauls erschienenen Auflagen des Quintus Fixlein sowie sämtliche für diesen relevanten Vorarbeiten und Materialien des handschriftlichen Nachlasses philologisch zuverlässig sichtet, vergleicht, präsentiert und kommentiert. Damit wird sie dem dynamischen Werkbegriff Jean Pauls gerecht, der das dichterische Schaffen als unablässiges Fort- und Umschreiben, den Text als unabschließbares, stets vorläufiges Element einer Textwerkstatt versteht.

    Als eines der „kleinen, fliegenden Bücher“ zwischen dem Erfolgswerk Hesperus (1795) und dem „Kardinalroman“ Titan (1800-1803) erschienen, repräsentiert das Leben des Quintus Fixlein (1796, 18012) nicht nur als scheinbar sekundäres Interimswerk das den Texten Jean Pauls grundsätzlich eingeschriebene Charakteristikum der Uneigentlichkeit und des Übergänglichen. Den Fixlein-Roman umrahmend versammelt das Buch in zwei Textgruppen – einem Mustheil für Mädgen und den Jus de tablette für Mannspersonen – eine Anzahl von Schriften, die sich von der sentimental-empfindsamen Dichtung über die philosophische Abhandlung bis hin zur humoristisch-satirischen Erzählung erstrecken. Nicht nur hinsichtlich dieser Gattungsvielfalt fungiert der Quintus Fixlein hierbei als Mikrokosmos, in dem sich das Jean Paulsche Textuniversum widerspiegelt: so weist jeder der Einzeltexte eine eigene Entstehungsgeschichte auf, ist als Baustein des Quintus Fixlein aber auch in die textgenetischen Prozesse des Gesamtgebildes eingebunden. Nicht zuletzt prägt diese Doppeltheit von eigenständigem Text und Teilhabe an einem größeren Textgefüge in besonderem Maße die gesondert erschienene Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein.

    Die Neuedition ist 2013 erschienen und zeigt die Entstehungsverläufe sowohl des gesamten Quintus Fixlein als auch seiner Einzeltexte auf. Dies erfolgt zum einen durch den Vergleich der beiden Auflagen des Fixlein von 1796 und 1801 sowie der beiden Drucke der Geschichte der Vorrede von 1797 und 1826, der im Textband der Edition vorgelegt ist. Da in beiden Fällen die Unterschiede der Fassungen vor allem stilistischer Natur sind und tiefgreifende genetische Veränderungen nicht vorliegen, ist es nicht notwendig, beide Drucke vollständig wiederzugeben und mittels einer synoptischen Präsentation einander gegenüberzustellen. Stattdessen wird nur die von den bisherigen Werkausgaben nicht publizierte Erstauflage (D1) zur Gänze präsentiert, umfassendere Texterweiterungen der zweiten Auflage (D2) werden in den Leitdruck integriert und durch Einrückung optisch sichtbar gemacht, während kleinere, stilistische Überarbeitungen in einem lemmatisierten Variantenapparat dokumentiert werden.

    Dem Textband erläuternd zur Seite gestellt wird ein Kommentarband, der ebenfalls dem genetischen Editionsprinzip folgt, indem er die Entstehung der oft rätselhaften Anspielungen, Sprachspiele und Vergleiche Jean Pauls aus den Nachlaßmaterialien des Autors selbst erklären will. Idealerweise erfolgt so eine Selbstkommentierung des Autors, die auf editorisch größtenteils schon erschlossenen Nachlaßkonvoluten (Exzerpte; Einfälle, Bausteine, Erfindungen; Satiren und Ironien) basiert und die Mechanismen der Textwerkstatt des Dichters offenlegt.

    Eine endgültige Entscheidung über die Präsentationsform der handschriftlichen Materialien zum Leben des Quintus Fixlein steht noch aus. Die auf ca. 550 Manuskriptseiten überlieferten Aufzeichnungen, deren Spektrum sich von Einzelnotizen und Gedankensplittern über ausformulierte Textsequenzen bis hin zu vollständigen Druckvorstufen erstreckt, sind vor allem für die Dokumentation der Entstehungsgeschichte der Einzeltexte des Quintus Fixlein relevant. Durch den Kontext der Materialsammlungen, der viele der Notate zugleich als Bausteine anderer Werke Jean Pauls ausweist oder sie in deren Umfeld verortet, werden jedoch nicht nur die Entwicklungslinien der jeweiligen Texte des Quintus Fixlein, sondern auch deren Vernetzungen mit der Genese anderer Werke (z.B. Bayerische Kreuzerkomödie, Siebenkäs) aufgezeigt.

    Die neue historisch-kritische Werkausgabe ist eine Hybrid-Ausgabe, die der Buchedition eine elektronische Editionskomponente zur Seite stellt und diese im Jean-Paul-Portal präsentiert. Neben den Digitalisaten der zu Jean Pauls Lebzeiten erschienen Drucke des Quintus Fixlein sollen hier auch die Scans der Nachlaßautographen und ihre Transkriptionen versammelt werden. Da sich das digitale Medium zur Veranschaulichung genetischer Zusammenhänge in besonderer Weise eignet, können die komplexen Bezüge der handschriftlichen Materialien zu anderen Nachlaßkonvoluten wie den Exzerpten, zu den Drucktexten des Quintus Fixlein und anderen Werken sichtbar gemacht werden.