English Intern
  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Wie Zellen sich vor gefährlichen Stoffen schützen

20.03.2017

Wissenschaftler der Uni Würzburg haben neue Erkenntnisse zur Abfallbeseitigung in tierischen Zellen veröffentlicht. Diese könnten helfen, die molekularen Mechanismen hinter Autoimmunkrankheiten zu verstehen.

Mikroskopaufnahme eines sich teilenden Embryos des Fadenwurms C. elegans.
Mikroskopaufnahme eines sich teilenden Embryos des Fadenwurms C. elegans. Die Überreste des Mittelkörpers (gelb) werden an die Umgebung abgegeben und von Nachbarzellen wieder aufgenommen und abgebaut. Störungen in diesem Abbauprozess könnten eine Ursache für Autoimmunerkrankungen sein. (Foto: Rudolf-Virchow-Zentrum)

Tierische Zellen entwickelten im Laufe der Evolution Strategien, um unerwünschte Fremdkörper abzubauen. Auf diese Weise beseitigen sie nicht nur eindringende Krankheitserreger, sondern auch abgestorbene Zellen und Zellfragmente. Ist die Abfallbeseitigung in Zellen gestört, kann das zu Überreaktionen des Immunsystems und zur Ausbildung von Autoimmunerkrankungen wie Lupus führen, der unter anderem Rötungen der Haut hervorruft.

Mittelkörper untersucht

Wissenschaftler vom Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin der Universität Würzburg untersuchten nun ganz bestimmte Zellfragmente: die Überreste des Mittelkörpers. Der Mittelkörper ist eine Übergangsstruktur, die am Ende jeder Zellteilung entsteht und das letzte Verbindungsstück zwischen den Tochterzellen darstellt.

Nach der Zellteilung wird der Mittelkörper entweder an eine der Tochterzellen vererbt oder an die Umgebung abgegeben. In jedem Fall muss er jedoch bald abgebaut werden, da der Mittelkörper sonst weitere Auswirkungen auf die Zellen haben kann.

Bisher offene Fragen geklärt

"Es ist bekannt, dass Überreste des Mittelkörpers die Polarität und das Schicksal von Zellen beeinflussen“, erklärt Dr. Ahmad Fazeli, Erstautor der beiden Studien. Krebszellen beispielsweise würden die Mittelkörper anreichern, was zu vermehrtem Wachstum führen könne. "Offen war die Frage, wie Zellen normalerweise die Beseitigung oder den Abbau des Mittelkörpers kontrollieren", so Fazeli weiter.

Bisherige Studien seien bislang von zwei möglichen Szenarien ausgegangen: Entweder verbleibt der Mittelkörper in einer der Tochterzellen und wird durch Autophagie, den Abbau zelleigener Bestandteile, verdaut. Oder er wird zunächst von beiden Tochterzellen an die Umgebung abgegeben und später von einer Zelle über Phagozytose, also über die Aufnahme und den Abbau von Fremdkörpern verarbeitet.

Mit ihren neuen Studien konnten die Wissenschaftler beide möglichen Szenarien in einem Modell in Einklang bringen, wie sie in den Fachzeitschriften Journal of Cell Science und Communicative & Integrative Biology berichten.

Proteine arbeiten zusammen

Das Team um Ann Wehman untersuchte dafür die sich schnell teilenden Zellen von Embryonen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans, dessen Proteine und Abläufe in den Zellen erstaunlich starke Ähnlichkeiten zum menschlichen System aufweisen. In ihren Studien analysierten die Wissenschaftler die Rolle verschiedener Proteine, die an Autophagie oder Phagzytose beteiligt sind und stellten überraschend fest, dass beide Systeme beim Abbau des Mittelkörpers zusammenarbeiten können.

Wie die Wissenschaftler herausfanden, wird der Mittelkörper in embryonalem Gewebe des Fadenwurms von den Tochterzellen an die Umgebung abgegeben und von angrenzenden Zellen aufgenommen. Autophagie-Proteine umschließen dort den aufgenommenen Mittelkörper und unterstützen seinen Abbau. Das bedeutet, dass Proteine, die normalerweise für die Entsorgung zelleigener Bestandteile verantwortlich sind, sich auch am Abbau von Fremdkörpern beteiligen.

LAP baut auch Mittelkörper ab

Mit den aktuellen Studien konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der Mittelkörper schließlich durch LC3-assoziierte Phagozytose (LAP) abgebaut wird. Bislang galt LAP als ein Prozess, der normalerweise für den Abbau eindringender Bakterien oder Überreste abgestorbener Zellen zuständig ist, sozusagen eine zelluläre Müllabfuhr. Neu ist jedoch seine Beteiligung am Abbau des Mittelkörpers.

"Auf den ersten Blick scheint es verwunderlich, dass Zellen einen derart komplexen Mechanismus entwickelt haben, mit dem Mittelkörper umzugehen. Da diese Übergangsstruktur aber selbst Signaleigenschaften besitzt, ist deren Regulierung von großer Bedeutung für die Zelle",  erläutert Dr. Ann Wehman. Das Freisetzen des Mittelkörpers geschieht am Ende der Zellteilung. Ein in einer Tochterzelle verbleibender Mittelkörper könnte hingegen das Signal zu einer erneuten Teilung geben, was zu Veränderungen in der Größe und Form von Zellen führt oder sogar zu deren Fragmentierung.

Da auch ein aufgenommener Mittelkörper das Schicksal der Empfängerzelle beeinflussen kann, ist dessen zügiger Abbau wichtig. In seine Bestandteile zerlegt, ist der Mittelkörper nicht nur "unschädlich", sondern kann von der Zelle auch recycelt werden.

Auf dem Weg zur Krebsforschung

Das neue Modell zum Schicksal und Abbau des Mittelkörpers vereint Erkenntnisse bisheriger Studien in Fadenwürmern, Fliegen und Säugetier-Zellen. Daher vermuten die Forscher um Ann Wehman, dass ihre Erkenntnisse weitestgehend auch auf den Menschen übertragbar sind und helfen könnten, die Mechanismen hinter Erkrankungen wie Krebs oder der Autoimmunkrankheit Lupus besser zu verstehen.

Derzeit untersucht das Team weitere Funktionen von LAP in Wurmembryonen und will so herauszufinden, wie Zellen mit Hilfe von LAP ihre Umgebung reinigen und auf diese Weise den Embryo vor Zellabfall schützen.

Pressemitteilung des Rudolf-Virchow-Zentrums

Fazeli G, Trinkwalder M, Irmisch L, Wehman AM. (2016) C. elegans midbodies are released, phagocytosed and undergo LC3-dependent degradation independent of macroautophagy. J Cell Science. 129(20):3721-3731. http://jcs.biologists.org/content/129/20/3721

Fazeli G and Wehman AM. (2017) Rab GTPases mature the LC3-associated midbody phagosome. Communicative & Integrative Biology, DOI 10.1080/19420889.2017.1297349 http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/19420889.2017.1297349

Kontakt

Dr. Ann Wehman, Tel. 0931 31 81906, ann.wehman@uni-wuerzburg.de 
Dr. Ahmad Fazeli, Tel. 0931 31 86130, gholamreza.fazeli@uni-wuerzburg.de

Von Frank Sommerlandt-Ruf

Zurück