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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Mit der Protonenpumpe zu mehr Wachstum

16.10.2023

Ein internationales Forschungsteam mit Würzburger Beteiligung hat herausgefunden, wie Algen Nährstoffmangel kompensieren. Die Entdeckung könnte dazu beitragen, negativen Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken.

Ein wichtiger Bestandteil des Phytoplanktons: Kieselalgen oder Diatomeen.
Ein wichtiger Bestandteil des Phytoplanktons: Kieselalgen oder Diatomeen. (Bild: Oliver Skibbe)

Einer der zentralen Bausteine des Lebens im Meer kann sich an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen: Dies zeigt eine neue Studie unter Federführung von Wissenschaftlern der University of East Anglia (UEA) in Großbritannien. Die Entdeckung öffnet den Weg für biotechnologische Entwicklungen, die den negativen Auswirkungen veränderter Umweltbedingungen entgegenwirken könnten – wie beispielsweise der Erwärmung der Ozeane oder der sinkenden Produktivität von Nutzpflanzen.

Erstautoren der jetzt in der in der Zeitschrift Nature Microbiology veröffentlichten Studie sind Thomas Mock, Professor für Meeresmikrobiologie an der School of Environmental Sciences der UEA, und sein ehemaliger Doktorand Dr. Jan Strauss. An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) daran beteiligt waren Professor Georg Nagel und Dr. Shiqiang Gao aus der Abteilung für Neurophysiologie des Physiologischen Instituts.

Grundlage des größten Nahrungsnetzes der Erde

Das internationale Team hat sogenanntes eukaryotisches Phytoplankton untersucht, eine auch als Mikroalgen bezeichneten pflanzlichen Organismen, die in weiten Teilen des Ozeans vorkommen. Diese bilden die Grundlage des größten Nahrungsnetzes der Erde, dem unter anderem Krill, Fische, Pinguine und Wale angehören. Darüber hinaus entziehen die Algen der Atmosphäre CO2 und produzieren Sauerstoff.

Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Algen einen Weg gefunden haben, mit Nährstoffmangel umzugehen. Diese Fähigkeit könnte ihrer Einschätzung nach in den kommenden zunehmend von Bedeutung sein, wenn sich die Meere in Folge des Klimawandels weiter erwärmen und damit immer nährstoffärmer werden.

Ohne Licht und Eisen geht es nicht

„Damit Algen Nahrung produzieren und CO2 aus der Atmosphäre entfernen können, brauchen sie Sonnenlicht“, erklärt Thomas Mock. Außerdem benötigt die entsprechende zelluläre Maschinerie dafür viel Eisen. Allerdings verfügen 35 Prozent der Meeresoberfläche nicht über genügend Eisen, um das Algenwachstum zu unterstützen. „In diesen Gebieten sollte die Algenproduktivität deshalb viel stärker reduziert sein als es der Fall ist“, so der Wissenschaftler.

Der gleiche Effekt lässt sich nach Mocks Worten auch bei Pflanzen beobachten, die auf dem Land wachsen, beispielsweise bei Nutzpflanzen, denen es an eisen- und stickstoffreichen Düngemitteln mangelt. Auch diese zeigen in der Regel nur ein reduziertes Wachstum.

Der Klimawandel könnte diesen Effekt noch verstärken: „Die globale Erwärmung führt zu einer zunehmenden Dürre an Land, und das Gleiche passiert im Ozean: Je wärmer das Oberflächenwasser wird, desto geringer sind die Nährstoffe in diesen Oberflächenwasserschichten, da die Durchmischung, die normalerweise Nährstoffe aus dem tieferen Ozean hinzufügt, geringer ist. Algen sollten also verhungern und dadurch weniger Nahrung produzieren und weniger CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen“, so Mock.

Protonenpumpen umgehen den Nährstoffmangel

Allerdings hat das Forscherteam jetzt entdeckt, dass Algen einen Weg gefunden haben, mit Nährstoffmangel umzugehen. Sie haben dafür eine zusätzliche Zellmaschinerie entwickelt, die es ihnen ermöglicht, Sonnenlicht für ihr Wachstum zu nutzen, ohne dass sie Eisen benötigen. Jan Strauss erklärt: „Einige Gruppen von Mikroalgen können die Photosynthese umgehen, indem sie eine lichtbetriebene Protonenpumpe verwenden, um das Wachstum anzukurbeln.“

Anstatt auf photosynthetische Proteine angewiesen zu sein, die Eisen benötigen, verwenden die Algen ein auf Licht reagierendes Membranprotein, das mit einem Protein verwandt ist, das im menschlichen Auge vorkommt: Rhodopsin. Diese Proteine benötigen kein Eisen, um Protonen durch Membranen zu Pumpen, und auf diese Weise die Synthese von ATP, dem Energielieferanten der Zellen, zu ermöglichen – eine Hauptfunktion der Photosynthese in allen photosynthetischen Organismen.

Grundlegende Untersuchungen an der Uni Würzburg

An diesem Punkt kommen Georg Nagel und Shiqiang Gao ins Spiel – zwei Experten auf dem Gebiet der Rhodopsin-Forschung. Gao gelang es, die Algen-Rhodopsine zu klonen. Mithilfe spezieller elektrophysiologischer Methoden konnte er anschließend ihre effektive Protonenpumpenfähigkeit auch bei niedrigen Temperaturen, wie sie beispielsweise im Südpolarmeer vorherrschen, demonstrieren.

„Anfangs war diese Arbeit sehr frustrierend, da die Expression sehr gering war“, erklärt Gao. „Diese geringe Expression ist höchstwahrscheinlich auf die natürlicher Weise in Chloroplasten, den Kraftwerken der Algen, stattfindende Expression zurückzuführen“, spekuliert Georg Nagel. „Glücklicherweise gab Dr. Gao nicht auf und fand einen Weg, die Expression dramatisch zu steigern, was eine gründliche Untersuchung dieses wichtigen Proteins ermöglichte.“

Das zentrale Ergebnis der Studie fasst Thomas Mock so zusammen: „Dank der lichtbetriebenen Protonenpumpe können diese Algen auch in nährstoffarmen Oberflächenmeeren besser gedeihen als erwartet“. Damit seien sie für die Folgen der globalen Erwärmung besser gewappnet.

Von potenziellem Nutzen für die Biotechnologie

Potenziell könnte diese Entdeckung auch dazu genutzt werden, um die Produktivität von Nutzpflanzen zu steigern, die für ihr Wachstum ebenfalls Eisen benötigen, sagt Mock. „Diese Maschinerie kann in der Biotechnologie eingesetzt werden, um die Produktivität von Mikroben zu steigern, die kein Licht nutzen können, wie beispielsweise Hefe“, erklärt der Wissenschaftler.

Mithilfe der Rhodopsin-Proteine könnten die Mikroben in die Lage versetzt werden, Licht für ihr Wachstum zu nutzen. Das sei vor allem in der Biotechnologie wünschenswert, zum Beispiel bei der Produktion von Insulin, Antibiotika, Enzymen, Virostatika oder Biokraftstoffen.

Aber natürlich sind die jetzt gewonnenen Erkenntnisse in erster Linie für das Südpolarmeer relevant, das sowohl das größte aquatische Ökosystem mit begrenztem Eisengehalt als auch eines der produktivsten ist und die größten Populationen von Algenfressern beherbergt. „Kein anderer Lebensraum auf der Erde ist für das Überleben der Menschen und des Lebens im Allgemeinen wichtiger als unsere Ozeane“, so Thomas Mock.

Originalpublikation

„Plastid-localized xanthorhodopsin increases diatom biomass and ecosystem productivity in iron-limited surface ocean“, Nature Microbiology. DOI: 10.1038/s41564-023-01498-5.  https://www.nature.com/articles/s41564-023-01498-5

Kontakt

Prof. Thomas Mock, University of East Anglia, United Kingdom, t.mock@uea.ac.uk
Dr. Shiqiang Gao, Universität Würzburg, gao.shiqiang@uni-wuerzburg.de
Prof. Georg Nagel, Universität Würzburg, nagel@uni-wuerzburg.de

Von Pressestelle JMU

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