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Männer und Frauen: kleine Unterschiede und große Folgen

09.08.2022

Der männliche und der weibliche Körper unterscheiden sich – was die Medizin oft vor Herausforderungen stellt. Das Genderforum der Uni Würzburg sowie die Medizinische Fakultät haben nun Standpunkte, Methoden und Lösungen erörtert.

Das Genderforum und die Medizinische Fakultät der Uni Würzburg haben sich mit dem Thema medizinische Versorgung beschäftigt.
Das Genderforum und die Medizinische Fakultät der Uni Würzburg haben sich mit dem Thema medizinische Versorgung beschäftigt. (Bild: Jörg Fuchs)

„Männer, die Gewicht zulegen, entwickeln meist die Form eines Apfels, Frauen neigen zur Birnenform“ – mit dieser Gegenüberstellung veranschaulicht Astrid Bühren, Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, medizinische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Und so, wie sich Äpfel und Birnen nicht direkt vergleichen lassen, lassen sich auch Männer und Frauen nicht über einen Kamm scheren, wenn es um medizinische Bedürfnisse geht.

Der Einfluss sozialer Rollen

In ihrer Keynote auf der Veranstaltung „Genderforums goes Fakultäten“ skizzierte sie unter dem Titel „Umdenken! Der Mann ist nicht das Maß aller Dinge!“ sachkundig und humorvoll viele Fallstricke, die bis heute in der medizinischen Diagnostik und Therapie dazu führen, dass Männer und Frauen mitunter nicht die am besten auf sie zugeschnittene Diagnose und Behandlung erhalten.

„Das beginnt oft schon bei der Dosierung von Medikamenten, die häufig auf Männerkörper angepasst wird“, erläutert die Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Murnau. „Auch soziale Rollen – also ‚Gender‘, nicht ‚Sex‘ – können zu unterschiedlichen Blickweisen auf Krankheiten führen“. Das gilt vor allem beim Herzinfarkt, den Männer meist als heftiges und akutes Krankheitsereignis wahrnehmen: Der Mann fasst sich an die Brust und bricht zusammen. Frauen hingegen zeigen andere Symptome, wie Rückenschmerzen und Schweißausbrüche, oft bei geringerem Schmerzempfinden. Ein Herzinfarkt wird bei ihnen so mitunter seltener in Betracht gezogen – auch von den Betroffenen selbst.

Gender-Medizin hilft Männern und Frauen

„Noch während meines Studiums“, erinnert sie sich, „ging man davon aus, dass von der chronisch-entzündlichen Rheuma-Erkrankung Morbus Bechterew zwei- bis dreimal häufiger Männer als Frauen betroffen waren. Heute weiß man, dass sie sich bei beiden Geschlechtern gleich oft zeigt.“ In der Zwischenzeit habe man gelernt, dass die diagnostisch wegweisende Versteifung der Wirbelsäule bei Frauen anders verlaufe als bei Männern – und die Symptome der Krankheit bei Frauen lange Zeit übersehen oder falsch zugeordnet wurde.

Diese geschlechtsbezogenen Unterschiede sind nicht nur eine Herausforderung in der medizinischen Diagnose und Therapie. Bereits in der Grundlagenforschung für neue Medikamente können die Weichen falsch gestellt werden, wenn Wirkstoffe etwa nur an männlichen Mäusen getestet werden – und dadurch zum Beispiel hormonelle Einflüsse weniger Beachtung finden.

„Bei der Gender-Medizin geht es nicht nur um Frauengesundheit, Gender-Medizin betrifft Frauen- und Männergesundheit gleichermaßen“, unterstrich Anja Schlömerkemper. „So führt eine geschlechtssensible Forschung zu neuen Erkenntnissen bezogen auf Diagnose und Therapie – was beiden Geschlechtern auf dem Weg zu neuen, personalisierten Therapien zugutekommt“, ist sich die Vizepräsidentin für Chancengleichheit, Karriereplanung und Nachhaltigkeit an der Uni Würzburg sicher.

Gender-Forschung nicht als Frauen-Förder-Programm

Diese Erkenntnisse setzen sich nicht nur in der Medizin durch, sondern auch bei Forscherinnen und Forschern anderer Fachbereiche und Institute: „Auch die Förderinstitutionen wie BMBF, DFG, oder EU verlangen, dass Genderaspekte in der Forschung berücksichtigt werden sollen“, unterstreicht die Sprecherin des Genderforums an der JMU, Marie-Christine Dabauvalle.

„Genderforschung ist somit auch ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Exzellenz-Strategie.“ Dabei handele es sich aber keineswegs um ein „Frauen-Förder-Programm“, sondern um die Einbindung von Geschlechterperspektiven in Forschung und Lehre – was zum Selbstverständnis einer innovativen, modernen und internationalen Universität gehöre.

Gender-Lehrstuhl – ja oder nein?

Eine der Kernfragen, die von der hochkarätigen Podiumsdiskussion im Anschluss behandelt wurde, lautete, ob die Einrichtung eines Gender-Lehrstuhls bei der Erreichung der Ziele helfen könne – als Vorreiter gilt hier die Berliner Charité.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Matthias Frosch (Dekan der Medizinischen Fakultät), Franziska Jundt (Bereichsleiterin Autologe Stammzelltransplantation), Martin Fassnacht (Leiter der Endokrinologie und Diabetologie) sowie Judith Kleiß (Studentin der Humanmedizin) waren sich einig, dass die Politik diese Frage zwar bereits eifrig diskutiere – allerdings fehlten zur Umsetzung dann oft die entsprechenden Mittel. „Im Optimalfall“, so Franziska Jundt, „richtet man so lediglich Lehrstühle ein, die sich bei erfolgreicher Arbeit selber wieder abschaffen“ – denn sobald Genderaspekte ganz selbstverständlich in Forschung und Lehre ankämen, werde ein Genderlehrstuhl überflüssig.

Einen weiteren Aspekt beleuchtet Martin Fassnacht: Zwar gingen von einem Genderlehrstuhl möglicherweise interessante Denkanstöße zur Vermittlung bestimmter Instrumente für Forschung und Lehre aus. Dabei vermisse er allerdings eine Breitenwirkung in die Institute und Fachbereich hinein.

Als sinnvolle Alternative sehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem eine gezieltere Förderung für spezifische, gendersensible Forschungsprogramme in Kliniken und Instituten, wie sie beispielsweise über das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) Würzburg koordiniert und ausgeschrieben werden.

Ausgezeichnete Forschung

Für Ihre Arbeit aus dem Bereich der Epigenetik wurde Laura Eichenlaub mit dem Posterpreis des Genderforums ausgezeichnet. Die Gutachterinnen kürten ihre Arbeit, die darauf zielt, unterschiedlichen Prognosen bei Männern und Frauen nach einem Herzinfarkt zu erforschen, mit dem ersten Platz und einem Büchergutschein.

Das Genderforum

Die Universität Würzburg strebt die Stärkung von Genderaspekten in Forschung und Lehre an. Zahlreiche Forscherinnen und Forscher sowie Studierende unterschiedlicher Disziplinen der Universität Würzburg befassen sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Thema Gender. Um ihnen eine Plattform zum Austausch zu bieten und die Vernetzung innerhalb und außerhalb der Universität zu fördern, wurde im Wintersemester 2016/2017 das Genderforum eingerichtet.

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Von Jörg Fuchs

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