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Harnwegsinfekten auf der Spur

18.05.2022

2,4 Millionen Euro stellt der Bund für eine neue Forschungsgruppe an der Universität Würzburg zur Verfügung. Dr. Carmen Aguilar wird damit nach neuen Therapieansätzen gegen eine sehr häufige bakterielle Infektionskrankheit suchen.

Organoid-basierte Modelle: Blasenorganoide (linkes Bild) werden verwendet, um ein komplexeres, auf Blasenorganoiden basierendes Modell (rechtes Bild) zu entwickeln. Dieses enthält differenzierte oberflächliche Schirmzellen (in grün) und darunter mehrere Zellschichten, was insgesamt das Blasenepithel nachahmt. Uroplakin 3a in grün, Aktin in rot und Zellkerne in blau.
Organoid-basierte Modelle: Blasenorganoide (linkes Bild) werden verwendet, um ein komplexeres, auf Blasenorganoiden basierendes Modell (rechtes Bild) zu entwickeln. Dieses enthält differenzierte oberflächliche Schirmzellen (in grün) und darunter mehrere Zellschichten, was insgesamt das Blasenepithel nachahmt. Uroplakin 3a in grün, Aktin in rot und Zellkerne in blau. (Bild: Carmen Aguilar)

Etwa jede zweite Frau erkrankt einmal in ihrem Leben an einer Harnwegsinfektion. Meist ist das uropathogene Bakterium Escherichia coli (UPEC) die Ursache. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in den vergangenen vier Jahrzehnten hat dazu geführt, dass Bakterienstämme wie UPEC vermehrt gegen die gängigen Antibiotika resistent geworden sind, was insbesondere die Behandlung der häufig wiederkehrenden Harnwegsinfektionen erschwert. Daher werden dringend neue alternative Behandlungsmöglichkeiten benötigt.

Im Mai 2022 hat an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) eine neue Nachwuchsforschungsgruppe unter Leitung von Dr. Carmen Aguilar ihre Arbeit aufgenommen. Ihr Ziel ist es, innovative Ansätze gegen wiederkehrende Harnwegsinfektionen und antibiotikaresistente UPEC-Stämme zu entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat Aguilar für die Etablierung ihrer Gruppe zum Forschungsprojekt FiRe-UPec: Exploiting host pathways to treat antibiotic resistant uropathogenic Escherichia coli infections rund 2,4 Millionen Euro bewilligt.

Innovative Ansätze gegen häufig wiederkehrende Infektionen

Die meisten Strategien zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten zielen auf den Erreger selbst. Weil aber die Reaktion des Wirtes für den Verlauf einer Infektion ebenso wichtig ist, stellen wirtsbasierte Therapeutika einen innovativen Ansatz zur Bekämpfung von Infektionen dar. „Unsere Forschung zielt darauf ab, Wirtszellfaktoren zu identifizieren, welche UPEC-Infektionen kontrollieren, und dieses Wissen zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze zu nutzen“, erklärt Dr. Carmen Aguilar.

Die Gruppe wird am Zentrum für Infektionsforschung (ZINF) und dem Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) der Universität Würzburg angesiedelt sein. „Ich freue mich sehr, dass wir durch die Förderung des BMBFs eine neue Nachwuchsgruppe in der Infektionsforschung für die JMU Würzburg gewinnen konnten. Die Forschung von Frau Dr. Aguilar zu Signalwegen in Wirtszellen verspricht, innovative neue Strategien zur Bekämpfung von Harnwegsinfektionen zu identifizieren, und hat viele Anknüpfungspunkte an die RNA- und Infektionsforschung hier in Würzburg“, sagt Professorin Cynthia Sharma, Sprecherin des ZINF und Leiterin des Lehrstuhls für Molekulare Infektionsbiologie II.

Forschung an komplexen Infektionsmodellen

Um den Ort der UPEC-Infektionen, das menschliche Blasenepithel, möglichst realistisch nachzubilden, wird die Gruppe zunächst Blasenorganoide – Mini-Versionen des menschlichen Organs – erzeugen. Sie wird dabei eng mit Klinikern des Universitätsklinikums Würzburg zusammenarbeiten.

Anschließend dienen diese komplexen Modelle dazu, potenzielle neue Wirkstoffe in einem klein angelegten Wirkstoffscreening zu testen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den microRNAs des Wirts: „MicroRNAs sind kleine RNA-Moleküle, die eine wichtige Rolle bei vielen zellulären Prozessen spielen, indem sie die Genexpression der Wirtszelle regulieren", erklärt Aguilar.

Ihre Forschungsgruppe sucht nach microRNAs, die eine hemmende Wirkung auf die Infektion ausüben, um deren Eignung als neue Medikamente zu testen. Aguilar ist zuversichtlich: „Die Manipulation von microRNAs oder deren nachgeschaltete Signalwege stellt einen vielversprechenden Ansatz für die Behandlung von Harnwegsinfektionen dar.“

Ein genauerer Blick in eine einzelne Zelle

Interessanterweise können sich UPEC in einigen Zellen des Blasenepithels vermehren, in anderen jedoch nicht. Dort verharren sie in einer Art „wachstumslosen Zustand“ und sind deshalb teilweise resistent gegen Antibiotika. In der Folge können sie zu wiederkehrenden Infektionen führen. Das Team um Aguilar will daher die wirtszellulären Faktoren bestimmen, die für diesen Phänotyp verantwortlich sind.

Darüber hinaus wird die Gruppe nach einem bestimmten Zelltyp suchen, der von UPEC bevorzugt angegriffen wird und dessen erfolgreiches Überleben oder Vermehren ermöglicht. „Der Grund, warum wir dies untersuchen, ist, dass solche ‚stillen‘ Bakterien ein Hochrisikofaktor für die Entwicklung wiederkehrender Harnwegsinfektionen sind. Um diese Infektionen zu bekämpfen, ist es wichtig, die verantwortlichen Wirtszellfaktoren zu identifizieren und zu verstehen“, sagt Aguilar.

Um dies zu erreichen, wird die Gruppe eine spezielle Technik namens Einzelzell-RNA-seq einsetzen, mit der sie anhand des RNA-Gehalts jeder einzelnen Zelle feststellen kann, welche Gene aktiv sind. Diese Arbeiten werden auch vom neuen Single-Cell Center Würzburg, das unter der Leitung von Professor Jörg Vogel steht, gefördert.

Optimales wissenschaftliches Umfeld in Würzburg

„Die Entschlüsselung der Signalwege, die für das bakterielle Wachstum in den Blasenzellen verantwortlich sind, wird neue zelluläre Faktoren aufdecken, die mit neuen oder bereits vorhandenen Medikamenten angegangen werden könnten“, sagt Aguilar.

Die neue Nachwuchsgruppe von Dr. Carmen Aguilar profitiert von ihrer umfassenden Expertise auf dem Gebiet der Infektionsbiologie. Ihre Gruppe wird eng mit Expertinnen und Experten der Infektions- und RNA-Biologie an der JMU sowie mit Klinikerinnen und Klinikern des Universitätsklinikums Würzburg zusammenarbeiten.

Profitieren wird sie auch von der starken Expertise auf dem Gebiet der Einzelzellbiologie in Würzburg am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Dessen Direktor, Professor Jörg Vogel sagt dazu: „Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Dr. Aguilar, da sie mit uns ein wichtiges Ziel gemein hat: die Bekämpfung von Infektionskrankheiten des Menschen über RNA-basierte Ansätze.“ Damit ist das Team bestens gerüstet, um die Entwicklung innovativer Therapieansätze zur Bekämpfung wiederkehrender Harnwegsinfektionen durch antibiotikaresistente UPEC-Stämme anzustreben.

Zur Person

Dr. Carmen Aguilar studierte Biologie und Biotechnologie an der Universität von Cordoba (Spanien). Im Jahr 2014 schloss sie ihre Promotion auf dem Gebiet der Biowissenschaften und der Agrar- und Ernährungswissenschaften ab. Von 2015 bis 2021 war sie als Postdoc an der JMU Würzburg tätig. Mit der Förderung durch das BMBF wird sie nun ihre unabhängige Nachwuchsgruppe am IMIB/ZINF in Würzburg starten.

Kontakt

Dr. Carmen Aguilar, Institut für Molekulare Infektionsbiologie / Zentrum für Infektionsforschung, T: +49 931 31-88028, E-Mail: carmen.aguilar@uni-wuerzburg.de

Homepage des ZINF

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Von Pressestelle Uni Würzburg

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