Intern
  • Studierende vor einem Gebäude der Universität Würzburg.
  • none

Ein Magnetstrudel im Zentrum der Milchstraße

27.03.2024

Am Rand des zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraße treten starke Magnetfelder auf. Das zeigen neue Untersuchungen eines internationalen Forschungsteams. Daran beteiligt waren Astronomen der Universität Würzburg.

Polarisierter Blick auf Sagittarius A*, das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Die Linien markieren die Ausrichtung der Polarisation, die mit dem Magnetfeld um den Schatten des Schwarzen Lochs zusammenhängt.
Polarisierter Blick auf Sagittarius A*, das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Die Linien markieren die Ausrichtung der Polarisation, die mit dem Magnetfeld um den Schatten des Schwarzen Lochs zusammenhängt. (Bild: EHT Collaboration)

Etwa 27.000 Jahre braucht das Licht für seine Reise vom Zentrum der Milchstraße bis zur Erde. Von dem Schwarzen Loch, das sich dort befindet, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Jahr 2022 erstmals ein Bild veröffentlicht. Verantwortlich dafür war die „Event Horizon Telescope (EHT) Kollaboration“, ein Zusammenschluss von mehr als 300 Forscherinnen und Forschern aus Afrika, Asien, Europa, Nord- und Südamerika.

Sagittarius A* lautet der wissenschaftliche Name dieses Objekts im Zentrum der Milchstraße – abgeleitet vom lateinischen Begriff für Schütze, dem Sternbild, das an dieser Stelle vom Band der Milchstraße durchquert wird. Jetzt hat die EHT-Gruppe neue Bilder von Sagittarius A* veröffentlicht. Sie zeigen starke und organisierte Magnetfelder, die sich spiralförmig vom Rand des supermassereichen Schwarzen Lochs ausbreiten.

Große Ähnlichkeiten zwischen zwei Schwarzen Löchern

Was diese Entdeckung aus Sicht der Wissenschaft so bedeutsam macht: Die Struktur des Magnetfelds von Sagittarius A* sieht der eines anderen Schwarzen Lochs verblüffend ähnlich, das sich im Zentrum der Galaxie M87 befindet. Das deutet darauf hin, dass starke Magnetfelder allen Schwarzen Löchern gemeinsam sind. Darüber hinaus legt diese Ähnlichkeit den Schluss nahe, dass auch Sagittarius A* einen Jet ausstößt – so wie das bei M87* der Fall ist –, der bislang nur noch nicht entdeckt wurde. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden jetzt in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Ausgangspunkt der Studie war die Beobachtung, dass das supermassereiche Schwarze Loch in der Milchstraße zwar mehr als tausendmal kleiner und masseärmer ist als das von M87, diesem aber bemerkenswert ähnlich sieht. Dies veranlasste die Wissenschaftler zu der Frage, ob die beiden Objekte über ihr Aussehen hinaus gemeinsame Merkmale aufweisen. Dabei konzentrierten sie sich auf die Magnetfelder in der Umgebung der Schwarzen Löcher. Schließlich hatten frühere Studien gezeigt, dass es Magnetfelder im Umfeld von M87* dem Schwarzen Loch ermöglichen, starke Materialstrahlen – sogenannte Jets – in die Umgebung zu schleudern.

Aufnahmen in polarisiertem Licht

Antworten auf seine Fragen versprach sich das Team von einem genauen Blick auf Sagittarius A* – diesmal allerdings im Bereich von polarisiertem Licht – also Licht, dessen Wellen exakt in einer Ebene schwingen und nicht, wie sonst üblich, in allen möglichen Ebenen. Und tatsächlich: Das auf diese Weise aufgenommene Bild zeigt starke, verdrehte und organisierte Magnetfelder, die auffallend ähnlich zur Polarisationstruktur des viel größeren und wasserreicheren Schwarzen Lochs M87* sind. Diese starken und geordneten Magnetfelder sind entscheidend für die Wechselwirkung zwischen den Schwarzen Löchern und der sie umgebenden Materie.

Was sich so einfach anhört, bedeutete in der Realität eine große Herausforderung, da Sagittarius A* sich mit rasantem Tempo dynamisch verändert und so die Bildebene nicht ruhig bleibt. Die Aufnahme von Bildern des Schwarzen Lochs erfordert somit modernste Instrumente, die über das hinausgehen, was für die Beobachtung der stabileren Quelle M87* verwendet wurde. Daher wurde das ursprüngliche Bild durch Zusammenfügen mehrerer Schnappschüsse erstellt, um der Bewegung von Sagittarius A* Rechnung zu tragen.

Verbesserte Technik sorgt für bessere Aufnahmen

Von dem Ergebnis zeigen sich die beteiligten Forschungsteams begeistert. Diese Bilder und die dazugehörigen Daten bieten ihren Worten nach neue Möglichkeiten, Schwarze Löcher unterschiedlicher Größe und Masse untereinander zu vergleichen und einander gegenüberzustellen. Mit einer weiter verbesserten Technik werden sie in Zukunft wahrscheinlich noch mehr Geheimnisse der Schwarzen Löcher und ihrer Ähnlichkeiten oder Unterschiede enthüllen.

Das EHT hat seit 2017 mehrere Beobachtungen durchgeführt und wird Sagittarius A* voraussichtlich im April 2024 erneut beobachten. Jedes Jahr werden die Bilder besser, da das EHT neue Teleskope, größere Bandbreiten und neue Beobachtungsfrequenzen einsetzt. Die für das nächste Jahrzehnt geplanten Aufrüstungen werden hochauflösende Filme des Schwarzen Lochs ermöglichen, die möglicherweise einen verborgenen Jet enthüllen und es den Astronomen erlauben, ähnliche Polarisationsmerkmale in anderen Objekten zu beobachten. In der Zwischenzeit wird die Erweiterung des EHT in den Weltraum schärfere Bilder von Schwarzen Löchern liefern als je zuvor.

Stimmen aus der Uni Würzburg

Dr. Christian Fromm ist Nachwuchsgruppenleiter am Lehrstuhl für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Er hat mehrere Arbeiten in der Theoriegruppe am EHT geleitet, die numerische Simulationen entwickelt haben, um die Physik des Objekts zu verstehen. Fromm hält die auffallende Ähnlichkeit zwischen der Magnetfeldstruktur von M87* und der von Sagittarius A* für bemerkenswert – insbesondere, weil sie die Möglichkeit aufwirft, dass trotz der Unterschiede in Masse, Größe und Umgebung die physikalischen Mechanismen, die die Fütterung und den Jetauswurf eines Schwarzen Lochs steuern, allen supermassereichen Schwarzen Löchern gemeinsam sind. „Wir können dieses Ergebnis nun nutzen, um theoretische Modelle und Simulationen zu verbessern, was zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen auf die Materie in der Nähe des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs führt“, so der Astrophysiker.

Der Lehrstuhl für Astronomie der JMU koordiniert seit 2021 ein deutschlandweites Netzwerk von Forschenden, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die physikalischen Prozesse hinter dem Jet-Phänomen und Schwarzen Löchern zu untersuchen. Sprecher dieser DFG-Forschungsgruppe „Relativistische Jets in Aktiven Galaxien“ ist Professor Matthias Kadler. Er sagt: „Die deutsche Forschungslandschaft hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich der Forschung an Schwarzen Löchern und ihren Jets extrem positiv entwickelt. Wir sind exzellent aufgestellt, um kommende neue Großforschungsinstrumente, zum Beispiel in der hochfrequenten Radioastronomie, im weltweiten Verbund führend zu nutzen und zu betreiben. Die starke Rolle deutscher Gruppen im EHT ist ein gutes Beispiel hierfür.“

Weitere Informationen

Die internationale EHT-Kollaboration arbeitet daran, die detailliertesten Bilder von Schwarzen Löchern aufzunehmen, die jemals gemacht wurden, indem sie ein virtuelles Teleskop von der Größe der Erde entwickelt. Unterstützt durch beträchtliche internationale Investitionen verbindet das EHT bestehende Teleskope mit neuartigen Systemen und schafft so ein grundlegend neues Instrument mit dem höchsten bisher erreichten Winkelauflösungsvermögen.

Die einzelnen Teleskope, die im April 2017 an den Beobachtungen des EHT beteiligt waren, waren:

  • das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA)
  • das Atacama Pathfinder EXperiment (APEX)
  • das 30-Meter-Teleskop des Institut de Radioastronomie Millimetrique (IRAM)
  • das James Clerk Maxwell Telescope (JCMT)
  • das Large Millimeter Telescope Alfonso Serrano (LMT)
  • das Submillimeter Array (SMA)
  • das Arizona Submillimeter Telescope (SMT)
  • das South Pole Telescope (SPT).

Seitdem hat das EHT das Grönland-Teleskop (GLT), das IRAM Northern Extended Millimeter Array (NOEMA) und das 12-Meter-Teleskop der UArizona auf dem Kitt Peak in sein Netzwerk aufgenommen.  Die Daten wurden in den Rechnern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und des MIT/Haystack Observatory in Massachusetts (USA) verarbeitet.

Links

Event Horizon Telescope (EHT)

EHT Observing Campaign 2017

Kontakt

Dr. Christian M. Fromm, Institut fuer theoretische Physik und Astrophysik JMU Wuerzburg, E-Mail: christian.fromm@uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Matthias Kadler, Institut fuer theoretische Physik und Astrophysik JMU Wuerzburg, E-Mail: matthias.kadler@uni-wuerzburg.de

Internationale Kontakte

Dr. Mariafelicia De Laurentis, Stellvertretende EHT-Projektwissenschaftlerin, Universität von Neapel Federico II, Italien, E-Mail: mariafelicia.delaurentis@unina.it

 Prof. Dr. Geoffrey Bower, EHT-Projektwissenschaftler, Institute of Astronomy and Astrophysics, Academic Sinica, E-Mail: gbower@asiaa.sinica.edu.tw

Prof. Dr. Huib Jan van Langevelde, EHT-Projektdirektor, JIVE und University of Leiden, Niederlande, E-Mail: langevelde@jive.eu

Weitere Bilder

Von EHT / Gunnar Bartsch

Zurück