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Dionaea: Wie die Verdauung in Gang kommt

20.04.2017

Die Venusfliegenfalle verdaut ihre Opfer mit einem Sekret aus speziellen Drüsen. Erstmals hat jetzt ein Forschungsteam die Tätigkeit dieser Drüsen gemessen und im Detail analysiert.

Fotos von einer Venusfliegenfalle, ihre Drüsen unter dem Mikroskop und schematische Darstellung der Vorgänge, die zur Sekretion führen. (Bild: Sönke Scherzer/Dirk Becker)
Venusfliegenfalle: Die Innenseite der Fallen ist mit roten Drüsen bestückt (a), die nach dem Beutefang wie ein pflanzlicher „Magen“ funktionieren. Dabei entlassen die Drüsen ein Verdauungssekret. Diese Sekretion konnte erstmals auf Vesikel-Ebene an Pflanzen gezeigt werden (b). Die modellhafte Darstellung (c) zeigt, dass aktivierte Drüsen Kalzium (Ca2+) aufnehmen, was die Jasmonat-Signalkette in Gang setzt und zur Sekretion von Salzsäure (HCl) und Verdauungsenzymen führt. (Bild: Sönke Scherzer/Dirk Becker) (Bild: presse@uni-wuerzburg.de)

Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) gehört zu den Pflanzen, die sich von Tieren ernähren. Mit ihren Klappfallen fängt sie Insekten, mit einem Verdauungssekret aus Drüsenzellen löst sie ihre Beute auf und verleibt sich die freigesetzten Nährstoffe ein.

Die Absonderung eines Verdauungssaftes aus Drüsen ist schon seit Darwins Zeiten als Tatsache gesetzt. Doch gemessen und analysiert wurde dieser Vorgang erst jetzt: Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Biophysikers Rainer Hedrich von der Universität Würzburg stellt die Ergebnisse im Journal PNAS vor.

Versucht ein Beutetier, aus der geschlossenen Falle der Pflanze zu entkommen, berührt es zwangsläufig die Sinneshaare, die sich in der Falle befinden. Jeder mechanische Kontakt mit den Haaren löst ein elektrisches Signal aus, das sich wellenförmig über die Falle ausbreitet. Ab dem dritten Signal bildet die Pflanze das Hormon Jasmonat, nach dem fünften Signal werden ihre Verdauungsdrüsen aktiviert, die die Innenseite der Fallen wie ein dichter Rasen auskleiden.

Zersetzend: Drüsen geben salzsäurehaltige Vesikel ab

Was passiert dann in den Drüsenzellen? Sie bilden immer mehr membranumhüllte, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen (sekretorische Vesikel) und geben deren Inhalt nach außen ab. Das passiert nach einer mechanischen Reizung der Sinneshaare, aber auch dann, wenn man die Drüsen mit dem Hormon Jasmonat in Kontakt bringt. Der gesamte Prozess ist abhängig von Kalzium und wird von einer Reihe bestimmter Proteine in die richtige Bahn gelenkt.

In den Drüsenzellen werden außerdem Gene aktiviert: „Wir gehen davon aus, dass sie für die Beladung der Vesikel mit Protonen und Chlorid sorgen, also mit Salzsäure“, erklärt Hedrich: „Mit ionensensitiven Elektroden haben wir gemessen, dass wiederholte Berührungen der Sinneshaare den Einstrom von Kalzium-Ionen in die Drüse auslösen. Durch den Anstieg des Kalzium-Spiegels im Zellplasma fusionieren die Vesikel mit der Plasmamembran, ähnlich wie man das von der Neurotransmitter-Sekretion von Nervenzellen kennt. Dem Kalziumeinstrom folgt mit zeitlicher Verzögerung der Ausstrom von Protonen und Chlorid.“

Aufschlussreich: Analysen mit Kohlefaser-Elektroden

Was enthalten die Drüsenvesikel noch? Das wurde mit Kohlefaser-Elektroden analysiert, und zwar in Kooperation mit dem Nobelpreisträger Erwin Neher (Göttingen), der mit solchen Elektroden große Erfahrung hat. Mit ihm passte der Würzburger Forscher Sönke Scherzer das Messverfahren auf die pflanzlichen Verhältnisse in der Fliegenfalle an.

Das Team brachte eine Kohlefaser-Elektrode über der Drüsenoberfläche in Stellung und wartete gespannt, was passiert. „Zuerst waren wir enttäuscht, weil wir nicht gleich Signale fanden, wie man sie von sekretorischen Zellen bei Mensch und Tier kennt“, so Scherzer.

Sollten die Vesikel in den ersten Stunden nach dem Beutefang zwar Salzsäure enthalten, aber noch keine Verdauungsenzyme? Und noch keine Moleküle, die das Funktionieren der Enzyme in der sauren Umgebung sicherstellen? Muss all das erst hergestellt werden?

Genauso ist es: Die Bildung der Enzyme, die das Fleisch der Beute auflösen, kam erst nach mehreren Stunden in Gang, fand die Molekularbiologin Ines Fuchs heraus. Die ersten charakteristischen Signale traten nach sechs Stunden auf und waren 24 Stunden später in vollem Gange. In dieser Phase ist die Falle dann komplett sauer und reich an Verdauungsenzymen.

Stabilisierend: Glutathion hält Enzyme fit

Professor Heinz Rennenberg (Freiburg) fand im Sekret zudem Glutathion (GSH). Dieses Molekül hält die Enzyme in der sauren Umgebung der Venusfalle funktionell.

Die beschriebenen Prozesse laufen identisch und in derselben zeitlichen Abfolge ab, wenn man die Sinneshaare der Falle reizt oder wenn man einfach nur das Hormon Jasmonat auf die Falle einwirken lässt. „Eine Berührung aktiviert sehr rasch die Jasmonat-Signalkette, aber die von dem Hormon vermittelte Herstellung der Vesikel und ihre Beladung mit der richtigen Fracht braucht dann ihre Zeit“, so Hedrich.

Grundlegend: Ohne Kalzium geht es nicht

Wie die Venusfalle ihren „grünen Magen“ mit der richtigen Mischung flutet und das Beutetier in seine Nährstoffbestandteile zerlegt, lässt sich mit der Technik der Magnetresonanz-Spektroskopie (MRT) zeigen. Dafür war Eberhard Munz vom MRT-Zentrum des Würzburger Physikalischen Instituts zuständig.

Seine Experimente zeigten auch: Blockiert man den Einstrom von Kalzium in die Drüsen, bleibt die Falle trocken. „Ohne die Kalzium-Aktivierung der Drüsenzellen geht es eben nicht“, sagt Hedrich. „Wir werden uns daher die Biologie der Kalzium-Kanäle bei der Venusfliegenfalle jetzt näher anschauen. Dabei wollen wir auch den Mechanismus untersuchen, über den die von den Sinneshaaren ausgesandten Signale in der Drüse gezählt und in jasmonatabhängige Biologie übersetzt werden.“

„Insect haptoelectrical stimulation of Venus flytrap triggers exocytosis in gland cells”, Sönke Scherzer, Lana Shabala, Benjamin Hedrich, Jörg Fromm, Hubert Bauer, Eberhard Munz, Peter Jakob, Khaled A. S. Al-Rascheid, Ines Kreuzer, Dirk Becker, Monika Eiblmeier, Heinz Rennenberg, Sergey Shabala, Malcolm Bennett, Erwin Neher, and Rainer Hedrich. PNAS, 18. April 2017, DOI 10.1073/pnas.1701860114

Kontakt

Prof. Dr. Rainer Hedrich, Lehrstuhl für Botanik I (Pflanzenphysiologie und Biophysik), Universität Würzburg, T (0931) 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de

Website von Prof. Rainer Hedrich

Von Robert Emmerich

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