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Was Kommunen in Schwung bringt

31.01.2023

Wie können Kommunen dazu beitragen, dass ihre Einwohner sich mehr bewegen? Diese Frage hat ein Forschungsteam aus Würzburg und Heidelberg untersucht. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Der „heiße Draht“ – eine Übung auf der bewegten Dorfrunde in Wülfershausen.
Der „heiße Draht“ – eine Übung auf der bewegten Dorfrunde in Wülfershausen. (Bild: Bruno Domokos)

Bewegungsmangel ist einer der größten Risikofaktoren für die meisten chronisch-degenerativen Krankheiten, wie beispielsweise Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Krebs. Und obwohl diese Tatsache seit Langem gut dokumentiert und bekannt ist, bewegen sich die Menschen in Deutschland zu wenig. Vor allem in ihrem Alltag findet nicht ausreichend Bewegung statt.

Ob und, wenn ja, wie Kommunen dazu beitragen können, dass sich Menschen mehr bewegen, hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren ein Forschungsprojekt in Bayern und Baden-Württemberg untersucht. Daran beteiligt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Verantwortlich waren die Würzburger Sportwissenschaftlerin Dr. Birgit Sperlich und der Heidelberger Gesundheitswissenschaftler Professor Jens Bucksch.

Die Umgebung beeinflusst die Bewegung

Warum sich das Team in seinem Projekt auf die Rolle der Kommunen konzentriert hat, liege auf der Hand: „Alltagsbewegungen sind im besonderen Maße von der Gestaltung der Umwelt abhängig“, erklärt Projektleiter Jens Bucksch. Seinen Worten nach zeigen zahlreiche Studien, dass es einen eindeutigen Zusammenhang gibt zwischen dem Bewegungsverhalten und der bewegungsfreundlichen Gestaltung von kommunalen Räumen – beispielsweise, wenn ein gut ausgebautes Fahrradnetz dazu animiert, vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen, oder wenn ansprechend gestaltete Grünanlagen Lust auf Bewegung machen. Leider sei das Thema „Bewegungsförderung“ im Allgemeinen und unter dieser verhältnisorientierten Perspektive in kommunalen Strukturen jedoch nicht verankert, so Bucksch.

Ziel des Forschungsprojekts EUBeKo – Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse verhältnisorientierter Bewegungsförderung in der Kommune – war es daher, in ländlichen und städtischen Gemeinden beziehungsweise Quartieren die Möglichkeiten zum Aufbau bewegungsfördernder Verhältnisse zu verbessern. Dabei konzentrierte sich das Team auf zwei Modellkommunen: zum einen den Ort Wülfershausen an der Saale als Beispiel für eine ländliche Gemeinde in Bayern sowie Mannheim-Schönau als typischen Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf hinsichtlich seiner sozialen Lage in Baden-Württemberg.

Drei Forschungsfragen im Fokus

„Wir sind dabei im Wesentlichen drei Forschungsfragen nachgegangen“, erläutert Dr. Birgit Sperlich. So haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst untersucht, welches Rollenverständnis Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der kommunalen Bewegungsförderung, wie beispielsweise Mitarbeitende in Gesundheitsämtern, auf den unterschiedlichen Ebenen haben. An welchen Stellen des Planungsprozesses der verhältnisorientierten Bewegungsförderung können sie aktiv eingreifen, was ist ihre Rolle, was sind ihre zentralen Kompetenzen und was benötigen sie zur Umsetzung eines theoriegeleiteten, systematischen Interventionsplanungs- und Implementierungsprozesses?

Punkt 2 des Forschungsprojekts hat sich mit den Faktoren beschäftigt, die das Entscheidungsverhalten von Verantwortlichen aus Kommunalpolitik und -verwaltung beeinflussen. Dabei ging es auch um die Frage, wie diese Faktoren kommunale Entscheidungsprozesse beeinflussen können, um eine verhältnisorientierte Bewegungsförderung in Kommunen umzusetzen.

Eine Dorfrunde animiert zur Bewegung

Konkret wurde es im dritten Punkt des Forschungsprojekts: der Planung und Umsetzung verhältnisorientierter Bewegungsförderung in den beiden Modellkommunen unter Begleitung der Hochschulteams. Ziel war es dabei, bauliche und strukturelle Veränderungen einzuleiten, die das Bewegungsverhalten der Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort fördern.

Hierzu haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Modellkommunen intersektorale Planungsgruppen unter Begleitung des jeweiligen universitären Teams gegründet. Diese Planungsgruppen durchliefen gemeinsam einen systematischen Planungsprozess zur praktischen Umsetzung verhältnisorientierter Bewegungsförderung.

Die „Bewegte Dorfrunde“ in Wülfershausen an der Saale ist ein Ergebnis dieses Punkts. Geplant von einer weiteren Maßnahmen-Arbeitsgruppe aus Bürgerinnen und Bürgern, entstand ein Gemeinderundweg von knapp drei Kilometer Länge, an dem insgesamt 14 Stationen zur sportlichen Betätigung einladen. Dort finden sich beispielsweise ein Balancierbalken, ein Pedaltrainer und eine Bewegungstreppe für kurze Bewegungseinheiten. Zahlreiche Sitzgelegenheiten entlang der Runde sorgen für ausreichend Rastgelegenheiten – und für einen kurzen Schwatz mit anderen Rundenläuferinnen und -läufern. Auch in Mannheim-Schönau soll es demnächst solche eine Runde geben, die allen Bewohnerinnen und Bewohnern zu mehr Bewegung, Gesundheit und Lebensqualität verhelfen soll.

Weiterbildung ist nötig

„Verhältnisorientierte Bewegungsförderung in der Kommune kann nur gelingen, wenn die kommunalen Entscheidungsstrukturen verstanden werden und wir Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit den notwendigen Kompetenzen der intersektoralen Zusammenarbeit und im Bereich des Agenda Settings weiter qualifizieren“, fasst Dr. Birgit Sperlich das zentrale Ergebnis des Projekts zusammen.

Das Forschungsprojekt EUBeKo

Das Forschungsprojekt EUBeKo lief vom 1. Juni 2019 bis zum 31. Dezember 2022; Ende November 2022 haben die Beteiligten ihre Ergebnisse Akteurinnen und Akteuren aus dem Bundesministerium für Gesundheit, aus der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, aus Landesvereinigungen und Landesämtern für Gesundheit und aus kommunalen Gesundheitsämtern vorgestellt. Finanziell gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Gesundheit. 

EUBeKo ist auf kommunale Strukturen in ganz Deutschland zugeschnitten. Somit ist es möglich, die Projektidee auch auf andere Kommunen zu übertragen. Die jeweils zuständigen Landesämter sollen in Zukunft dazu passende Fortbildungsangebote für Gemeinden zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus stellen die Beteiligten die Ergebnisse und die von ihnen entwickelten Maßnahmen sowohl auf der Projektwebseite (www.gesunde-bewegte-kommune.de) als auch auf Tagungen und in Form von Publikationen der Öffentlichkeit vor.

Kontakt

Dr. Birgit Sperlich, Universität Würzburg, Institut für Sportwissenschaft, T: +49 931 31-80527, birgit.sperlich@uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Jens Bucksch, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Professur für Prävention und Gesundheitsförderung, T: +49 6221 477-334, bucksch@ph-heidelberg.de

Weitere Bilder

Von Gunnar Bartsch

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