Intern
  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Von Ringo Starr und heißen Tropennächten

22.11.2022

„Ausverkauft“ hieß es beim 8. Science Slam von Uni und FH im Hörsaalzentrum am Hubland. Präsentiert wurden sieben mal sieben Minuten unterhaltsame Wissenschaft zu Herausforderungen der Gegenwart.

Daniel Kulesz (vorn), Informatiker an der FHWS, belegte beim diesjährigen Science Slam den 1. Platz.
Daniel Kulesz (vorn), Informatiker an der FHWS, belegte beim diesjährigen Science Slam den 1. Platz. (Bild: FHWS / Anna Radlbeck)

„Wissenschaft für die Gesellschaft“: So lautet der Leitspruch der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Dementsprechend haben beim 8. Science Slam am 11. November 2022 im ausverkauften größten Uni-Hörsaal eine Wissenschaftlerin und drei Wissenschaftler der JMU ihre jeweiligen Fachgebiete präsentiert und sich in einen Wettkampf mit Konkurrenten aus der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) begeben.

106 Dezibel Applaus gaben am Ende den Ausschlag: Der diesjährige Gewinner des Science Slams heißt Professor Daniel Kulesz. Der Informatiker an der FHWS hatte zuvor sein Forschungsthema „End-User Software Engineering“ präsentiert.

Kulesz beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Thema „End-User Software Engineering“. Was sich möglicherweise arg trocken anhört, hat einen sehr konkreten Nutzen: Nach Kulesz‘ Worten ist die Zahl von Programmierinnen und Programmierern rückläufig, gleichzeitig steigen die Zahlen von Anwenderinnen und Anwendern stark an.

Weil Software-Entwicklung langsam und kostspielig sei, sollten Userinnen und User daher nach Ansicht des Informatikprofessors die Möglichkeit erhalten, selbst Software zu entwickeln oder zu programmieren. Wie dies aussehen könnte beziehungsweise was dabei schiefgehen kann, zeigte Kulesz am Beispiel von Excel-Pannen, die nicht nur durch Fehler der Nutzer, sondern auch durch Systemfehler, sogenannte Bugs, zu falschen und witzigen Ergebnissen geführt hatten. 

Erlös für zwei Deutschland-Stipendien

Sieben Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin aus Uni und FH hatten sich zum diesjährigen Slam angemeldet, sieben von ihnen nahmen letztendlich daran teil. Ziel der Veranstaltung war es, in einem Kurzvortrag von maximal sieben Minuten Länge das eigene Forschungsgebiet möglichst unterhaltsam und für den Laien verständlich vorzustellen. Darüber hinaus finanziert der Uni-Alumni-Verein mit dem Erlös aus den Eintrittsgeldern zwei Deutschland-Stipendien für Studierende der Uni, wie die Alumni-Referentin Michaela Thiel erklärte. Moderiert wurde der Science Slam wie schon in den Jahren zuvor von Johannes Keppner, Radio Gong-Hörern auch als „Keppi“ bekannt.

Zur Einstimmung trat der Vorjahressieger Dr. Sebastian Markert auf. Der Zellbiologe war aus Buenos Aires (Argentinien) zugeschaltet, wo er gerade an der John-Hopkins-Universität forscht. „Was passiert, wenn man die Augen zu macht?“, lautete das Thema seines Vortrags, der außerhalb des Wettbewerbs lief.

Kontext und kritische Disney-Forschung

Anschließend startete Philipp Stollenmayer von der Fakultät Gestaltung der FHWS offiziell den 8. Science Slam mit „Kontext ist König“. Stollenmayer hatte sein Handy an einem zentralen Platz in Würzburg auf den Boden gelegt und die Reaktionen der Passanten gefilmt. Das Ergebnis verblüfft: Lag das Handy wie unbeabsichtigt verloren dort, nahmen es viele Passanten mit. Als Stollenmayer jedoch einen weißen Rahmen darum auf den Boden malte, änderten sich die Reaktionen. Statt das Handy einzustecken, diskutierten kleine Gruppen über dessen möglicher Bedeutung und ließen es unberührt liegen. Klares Fazit: Der Kontext bestimmt den Umgang.

Der zweite Slammer, Professor Nepomuk Riva aus der Ethnomusikologie der JMU, stellte die Frage „Das Leben – ein ewiger Kreis? Kritische Disney-Forschungen in der Ethnomusikologie“ und ließ zum Einstieg Elton Johns „The Circle of Life“ erklingen. Schließlich testete der Disney-Konzern mit dieser Musik eine „farbenblinde“ Besetzungen seiner Stücke, wie Riva erläuterte. Disneys „Der König der Löwen“ sei das weltweit erfolgreichste Musical aller Zeiten. Das Afrikabild, das dort präsentiert werde, sei buddhistisch angehaucht, und die schwarzen gecasteten Schauspieler seien als Tiere auf der Bühne zu sehen.

Kriege, Krisen und der Klimawandel

Mit einem ähnlichen Aspekt wie sein Vor-Slammer setzte sich Alumnus, Romanist und Postdoc Dr. Julien Bobineau, Uni Jena, auseinander: „Kriege, Krisen, Katastrophen? Wie koloniale Afrika-Bilder unseren Alltag prägen und was Horst Seehofer damit zu tun hat“, lautete der Titel seines Kurzvortrags. Auf die Idee sei er beim Betrachten einer Dokumentation von Guido Knopp gekommen. Bobineau interessiert sich dafür, was das eigentlich ist: „germanisch“ beziehungsweise „jüdisch“. Er untersucht rassistische Stereotypen in Werbung und Medien und beschäftigte sich mit „Racial Profiling“ bei der Polizei.

Um „Klimawandel hautnah“ ging es in Professor Heiko Paeths Beitrag zum Science Slam. Der Geograf an der JMU zeigte auf, dass häufige Tropennächte in der Stadt mit nächtlichen Temperaturen um 25 Grad für Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen lebensgefährlich sind, da der Körper nicht mehr zur Ruhe komme. Sein Fazit: Der Klimawandel der vergangenen Jahre sei Menschen zuzuordnen, Klima-Forschung sei nicht dogmatisch, sondern faktenbasiert.

Ringo Starr und Spin-Richtungen

Die Habilitandin und JMU-Physikerin Paula Weber gab einen Einblick in Muster ihres Lebens und ihrer Forschung sowie in die „Faulheit der Natur“ mit ihrem Slam-Beitrag „Von Punkten und Streifen“. Webers Forschungsgegenstand sind Spin-Richtungen von Elektronen im Atom. Zur Veranschaulichung deren Bewegung hatte sie eine Luftschlange mitgebracht. Was sich spaßig anhört, hat einen ernsten Hintergrund: Mithilfe der Spintronik will Weber dazu beitragen, Energie zu sparen.

Als siebter Slammer stellte sich Professor Johannes Heger aus der Religionspädagogik an der Uni Würzburg dem Votum des Publikums. Sein Thema lautete: „Religionspädagogik – eine wissenschaftliche Disziplin wie Ringo Starr?!“ Heger fragte dabei sein Publikum, ob eine Gesellschaft überhaupt religiöse Bildung beziehungsweise Theologie brauche. Anscheinend ja. Schließlich zeige sich in Zeiten, in denen eine „Rationalität des Glaubens“ vorherrsche, dass Menschen sich vermehrt Ersatzreligionen oder esoterischen Bewegungen anschließen. Dies führt Hegers Worten nach zu Fundamentalismus und Fanatismus. Und was hat das jetzt mit den Beatles und deren Schlagzeuger Ringo Starr zu tun? „Ringo Starr ist zwar nicht so sehr im Rampenlicht gestanden bei den Beatles wie John Lennon oder Paul McCartney, aber er ist trotzdem wichtig gewesen als der Mann mit dem tragenden Beat“, so Heger. Analog dazu sei auch die Religionspädagogik ein „tragendes Element in und für die Gesellschaft“.

Mehr als 100 Dezibel Applaus für den Gewinner

Sieben Vorträge, sieben verschiedene Themen: Da fiel die Wahl eines Siegers nicht leicht. Dennoch hatte das Publikum einen Favoriten. Für Daniel Kulesz maß das Applaus-O-Meter 106 Dezibel. 103,3 Dezibel waren es für Julien Bobineau und immerhin 100,2 für Philipp Stollenmayer.

Die Organisatorinnen und Organisatoren - der Alumniverein der JMU, die FHWS sowie die Stadt Würzburg – zeigten sich erfreut über das ausverkaufte Auditorium und den erzielten Erlös.

Zu den Porträts der Slammer 2022

Übrigens: Nach dem Slam ist vor dem Slam. Das Datum des nächsten Wissens-Wettkampf steht schon fest – es ist der 10. November 2023.

Weitere Bilder

Von Hochschule Würzburg-Schweinfurt / Katja Bolza-Schünemann

Zurück