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Verbotene Zustände auf hauchdünnem Gold

17.04.2018

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind Zielmoleküle für die Arzneiforschung. Forschenden der Universität Würzburg und des Universitätsklinikums Jena ist es gelungen, die Aktivierung dieser Rezeptoren genau zu untersuchen.

Die Goldbeschichtung von wenigen Nanometern kann ein sonst herkömmliches Deckglas in einen Verstärker verwandeln, der den Energieübertrag zwischen dem Donor- (cyan) und dem Akzeptormolekül (gelb) erhöht. Die Beschichtung ist biokompatibel und für die Kultivierung von adhärenten Zellen geeignet. (Bild: RVZ)

Will man die Konformationsänderung oder Interaktion von Membranrezeptoren in lebenden Zellen beobachten, sind lichtmikroskopische Verfahren oft die Methode der Wahl. Ein Phänomen, was das Auslesen dieser Änderungen und Interaktionen erlaubt, ist der sogenannte Förster-Resonanzenergietransfer (FRET). Dieser erscheint immer dann, wenn sich zwei Fluorophore mit geeigneten spektralen Eigenschaften räumlich sehr nah kommen, und in korrekter Orientierung zueinander stehen.

Dem Team um Professorin Katrin Heinze vom Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und Professor Carsten Hoffmann vom Universitätsklinikum Jena ist es nun gelungen, die Aktivierung sogenannter G-Protein-gekoppelter Rezeptoren (GPCR) eingehend zu untersuchen. Der Schlüssel dazu war die Verstärkung des FRET durch den Einsatz speziell beschichteter Deckgläser.

Diese neue Methode könnte sowohl Einzelzellmessungen zu mehr Präzision verhelfen, als auch Hochdurchsatz-Screenings optimieren, welche für die Medikamentenentwicklung eine große Rolle spielen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift ACS Photonics veröffentlicht.

Spiegeleffekt erlaubt „verbotene“ Zustände

Die Forscherteams haben nun die Hürden für die Nutzung der FRET Methode gesenkt. Sie haben nanobeschichtete Deckgläser verwendet, die mit speziellen Goldbeschichtungen versehen sind. Diese biokompatiblen Deckgläser bewirken eine Verstärkung des Energieübertrags, besonders für suboptimal orientierte FRET-Paare. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass das FRET-Paar durch die Goldbeschichtung sich selbst im Spiegel „sieht“. Somit stehen komplementäre Orientierungen für den Energieübertrag zur Verfügung, die den „Netto“-FRET erhöhen. Der Spiegeleffekt erlaubt also die Abfrage sonst „verbotener“ Zustände für FRET.

Physikalisch bezeichnet man diesen Effekt als Depolarisation, hervorgerufen durch das komplexe Reflexionsverhalten des FRET-Paares nahe der Goldoberfläche. „Diese Technologie ist zwar erst ganz am Anfang, aber sie hat großes Potential, die Untersuchungen von GPCR-Aktivierungen und -Interaktionen in Zukunft noch exakter zu gestalten“, sagt Carsten Hoffmann, Direktor des Instituts für Molekulare Zellbiologie in Jena.

Jedes Photon zählt

FRET dient als molekulares Lineal zwischen zwei Molekülen oder molekularen Kompartimenten. Die Methode ist leistungsstark, hat aber oft durch die begrenzte Anzahl der emittierten Photonen ihre Grenzen. Das macht das Design und die Etablierung eines entsprechenden FRET-Paares schwierig und fehleranfällig. In biologischen Untersuchungen ist es besonders schwierig, die Nähe und Orientierung der Fluorophore zu optimieren, ohne die physiologischen Eigenschaften des molekularen Komplexes zu stören.

„Diskussionen mit anderen Experten im Forschungsfeld stimmten uns zunächst nur vorsichtig optimistisch. Unsere Simulationen für den FRET-Sensor des M1-Acetylcholin-Rezeptors zeigten allerdings, dass eine FRET-Verstärkung sehr wahrscheinlich ist. Die Experimente bestätigten schließlich in der Tat genau unsere Vorhersagen. So entstand unser „forbiddenFRET (forFRET)“, sagt Katrin Heinze, Professorin für Molekulare Mikroskopie.

Lange Zeit war es unter Physikern umstritten, ob es eine ausreichend starke FRET-Erhöhung geben kann; dabei wurde die Orientierung der Moleküle nie ausreichend beachtet. Neueste theoretische und experimentelle Arbeiten an physikalischen Systemen gaben aber Anlass, die Möglichkeit der FRET-Verstärkung nochmal aufzugreifen.

Das Rudolf-Virchow-Zentrum

Das RVZ gehört als zentrale Einrichtung zur Universität Würzburg. Die Forschungsgruppen arbeiten auf dem Gebiet der Schlüsselproteine, die für die Funktion von Zellen und damit für Gesundheit und Krankheit besonders wichtig sind.

Schreiber, Benjamin; Kauk, Michael; Heil, Hannah; Emmerling, Monika; Tessmer, Ingrid; Kamp, Martin; Höfling, Sven; Holzgrabe, Ulrike; Hoffmann, Carsten; Heinze, Katrin: Enhanced fluorescence resonance energy transfer in G protein-coupled receptor probes by nano-coated microscopy coverslips; ACS Photonics, March 2018, DOI: 10.1021/acsphotonics.8b00072

Pressemitteilung des RVZ

Kontakt

Prof. Dr. Katrin Heinze, Molekulare Mikroskopie, Rudolf-Virchow-Zentrum, T.: +49 931 31 84214, katrin.heinze@virchow.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Carsten Hoffmann, Institut für Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Jena, T.: +49 3641 9395601, carsten.hoffmann@med.uni-jena.de

Dr. Daniela Diefenbacher, Pressestelle, Rudolf-Virchow-Zentrum, T.: +49 931 3188631, daniela.diefenbacher@uni-wuerzburg.de

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