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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Schwätzer, Störer, Tabakschnupfer

04.05.2021

In Kirchen verhalten sich Menschen nicht immer angemessen, schlechtes Benehmen gibt es schon seit Jahrhunderten. Der Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs hat Beispiele gesammelt und ein unterhaltsames Buch darüber geschrieben.

Der Ausschnitt aus dem Gemälde „Innenraum der alten Kirche in Delft“ von Emanuel de Witte aus der Zeit um etwa 1650 zeigt: Gutes Benehmen in der Kirche war auch früher keine Selbstverständlichkeit.
Der Ausschnitt aus dem Gemälde „Innenraum der alten Kirche in Delft“ von Emanuel de Witte aus der Zeit um etwa 1650 zeigt: Gutes Benehmen in der Kirche war auch früher keine Selbstverständlichkeit. (Bild: The Met, CC0 1.0 Universal)

In den Kirchen fallen derzeit die Hinweise auf Hygiene-Regeln in der Corona-Pandemie auf. Aber es gibt auch andere Plakate und Schilder, die auf ein bestimmtes Verhalten weisen: „Betteln verboten“ oder „Während der Gottesdienste keine Besichtigung“. Und auch diverse Piktogramme, die das Mitbringen von Eis untersagen, um das Ausschalten des Handys bitten oder die angemessene Kleidung anmahnen.  In Theatern und Opernhäusern gibt es so etwas nicht – warum also in Kirchen? Weiß man sich hier nicht mehr angemessen zu verhalten?

Der Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs ist dieser Frage nachgegangen und darüber jetzt ein Buch veröffentlicht. Fuchs hat sich in seiner Zeit als außerplanmäßiger Professor an der Universität Würzburg häufig mit Themen befasst, die die Beziehung zwischen dem Gottesdienst und dem Alltag der Menschen berühren.

Heute sieht schlechtes Benehmen anders aus als früher

Ob „Fronleichnam“, wenn die Liturgie aus dem geschützten Raum der Kirche auf die Straße geht, ob „Heiligabend“ mit den meistbesuchten Gottesdiensten des Jahres: Schon bei diesen Themen fiel ihm auch der Aspekt des gelegentlich unangemessenen Verhaltens der Menschen auf. „Es ist kein heutiges Phänomen. Durch die Jahrhunderte hindurch wird regelmäßig schlechtes Benehmen in der Kirche beklagt“, sagt der Liturgiewissenschaftler.

Zu spätes Kommen und vorzeitiges Gehen, lautes Schwätzen und Stören, Schlafen während der Predigt, Rauchen, Tabak schnupfen, Essen und Trinken, das Mitbringen von Tieren: „Manches, was früher üblich war, ist heute nicht mehr zu erleben, wie beispielsweise Kirchgänger, die Tabak kauen und ausspucken. Umgekehrt wäre früher manches, was heute zu erleben ist, nicht möglich gewesen – wie etwa manche Erscheinungen allzu freizügiger Kleidung“, so Fuchs.

„Steckelesmeister“ sorgen für Ruhe

Dabei ist es keineswegs nur das „Volk“, bei dem sich solch Fehlverhalten konstatieren lässt, wie Fuchs‘ Untersuchungen zeigen. Auch bei den Liturgen ist bisweilen schlechtes Benehmen zu finden. Dass die Kirche dieses Verhalten nicht einfach ignoriert hat: Auch dafür hat Fuchs Hinweise gefunden. „Störendes Verhalten wurde und wird nicht nur angesprochen und angemahnt, bisweilen wurde früher auch von eigenen Diensten durchgegriffen, etwa vom ‚Hundepeitscher‘, der die Tiere vertreiben sollte, oder dem ‚Steckelesmeister‘, der bei den Kindern nachdrücklich für Ordnung sorgte.“ 

Tatsächlich hat sich die Situation mittlerweile eindeutig verbessert. „Viele Faktoren, die früher ein schlechtes Benehmen förderten, wie etwa eine nicht oder nur schwer verständliche Sprache, die Ausrichtung des Gottesdienstes weg von der Gemeinde, Dunkelheit oder ungeeignete Räume, spielen keine Rolle mehr“, sagt Fuchs. Ein weiterer wichtiger Grund sei die Tatsache, dass die Menschen heute aus eigenem Drang und Bedürfnis zur Kirche gehen und es eine Sozialkontrolle, der sich früher Menschen stärker ausgesetzt sahen, kaum mehr gibt, so Fuchs.

Das Gespür für das Heilige geht verloren

Andererseits sind seiner Ansicht nach Gotteshäuser heute für viele Menschen weniger eine Stätte des Glaubens als vielmehr der Kultur. „Kirchenräume werden nicht mehr erfahren als Orte der göttlichen Gegenwart, die ein entsprechendes Handeln und Verhalten der Menschen einfordert“, heißt es auch in einer Schrift der deutschen Bischöfe über kirchliche Räume. Auch die Liturgie trage mit dazu bei; sie präge kaum noch den Alltag der Menschen. Da nutzen dann auch saloppe Sprache und neuartige Formen wenig – das führt oft nur zur Banalität: „Wo das Außergewöhnliche gewöhnlich wird, geht auch das Gespür für das Heilige verloren“, ist der Liturgiewissenschaftler überzeugt.

Guido Fuchs: Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche (= Reihe Liturgie und Alltag). 184 S., kart., Euro 19,95. Verlag Friedrich Pustet, ISBN 978-3-7917-3246-6

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