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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Rechtsvergleich auf Französisch

17.04.2018

Die Juristische Fakultät der Universität Würzburg hat seit 50 Jahren eine Partneruniversität in der Normandie. Christina Reiter und Patrick Zimmer haben positive Erfahrungen mit dem Austausch- und Seminarprogramm gemacht.

Patrick Zimmer in Caen
Patrick Zimmer (3. v. l.) erinnert sich an positive Erfahrungen in Caen in Frankreich. (Foto: Jochen Feldle)

„Es ist so, wie wenn ich immer den gleichen Weg laufe, weil er mir so gezeigt wurde. Und jetzt gehe ich einen anderen, und alles was ich gelernt habe, ist jetzt anders, aber noch genauso gut.“ So erzählt Christina Reiter, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Juristischen Fakultät, von ihren Erfahrungen aus Caen. Was Reiter damit meint? Das deutsche Rechtssystem sei ihr bekannt, doch in Frankreich sei vieles anders. Als Beispiel dafür nennt sie das Scheidungsrecht. „In Frankreich gilt noch immer die Schuldfrage“, erklärt sie. Ein Ehepartner muss also nachweisen, dass der andere Schuld daran hat, dass die Ehe gescheitert ist. In Deutschland dagegen gelte das Zerrüttungsprinzip. Die Ehe muss gescheitert sein. „Das war mir neu, ich dachte, dass es das heute nicht mehr gibt“, erklärt die Juristin. Dinge, die sie als selbstverständlich angesehen hatte, seien in Frankreich so ganz anders und eröffnen einen neuen Blick auf das eigene Recht.

Reiter war 2014 im Rahmen des Erasmus-Austauschs für ein Jahr an der französischen Universität Caen. Im März, im Rahmen des deutsch-französischen Seminars zum 50-jährigen Bestehen der Partnerschaft zwischen der JMU und der Université de Caen Normandie, ist sie erneut dorthin gereist.

Lebendiger Austausch

Patrick Zimmer spricht von ähnlichen Erfahrungen. Zimmer ist ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Juristischen Fakultät der JMU. Er kannte Caen schon aus Urlauben in der Normandie. Seit seinem durch ein Partnerschaftsstipendium der beiden Universitäten geförderten einjährigen Aufenthalt 2011/2012 ist Zimmer regelmäßig mit den deutsch-französischen Seminaren nach Caen zurückgekehrt. In diesem Jahr, vom 18. bis 24. März 2018, wirkte Zimmer sogar an der Organisation des Seminars mit. „Mir gefällt es, diesen lebendigen Austausch weiterhin aufrecht zu erhalten“, erzählt er. Zimmer promoviert im Arbeitsrecht und hat bei dem Seminar eine Arbeitsgruppe zu diesem Fachgebiet geleitet.

Das Besondere an diesem Seminar sei, dass der Schwerpunkt auf der Diskussion von gesellschaftlichen Fragen in Deutschland und Frankreich und deren Rechtssystemen liege. „Wir haben in meiner Arbeitsgruppe zum Beispiel darüber gesprochen, ob der Arbeitgeber am Arbeitsplatz das Tragen eines Kopftuches verbieten darf. Da wurde deutlich, dass die Franzosen durch ihren strengen Laizismus viel eher nachvollziehen können, dass der Arbeitgeber die Neutralität wahren möchte und der Arbeitsplatz frei sein soll von religiösen Symbolen.“ Diese Diskussionen seien wertvolle Erfahrungen. „Vielleicht gibt es kein besseres und kein schlechteres System, sondern nur ein solches und ein solches“, sagt Zimmer. Die Diskussionen finden auf Französisch statt. „Das ging gut, und wenn es doch mal Probleme gab, hat Englisch geholfen“, sagt Zimmer.

Bei Rückfragen sind Professoren irritiert

In ihrem Austauschjahr studierten Christina Reiter und Patrick Zimmer an der Université de Caen Normandie. „Das Studium dort ist viel verschulter als bei uns“, sagt Reiter. Das komme unter anderem daher, dass Frankreich sein Jurastudium im Bologna-Prozess umgestellt habe. „Da kommt keiner zu spät oder spielt am Handy“, ergänzt Reiter. „Die Professoren lesen ihre Skripte vor. Wenn jemand zwischenrein eine Frage stellt, schauen die Professoren schon etwas irritiert. Das machen die Studierenden dort einfach nicht, und der Großteil der Professoren möchte das auch nicht“, erzählt Zimmer. Und Christina Reiter ergänzt: „Ein Professor hat uns aber im Gespräch erzählt, er sei froh, wenn Erasmus-Studierende da sind, denn mit ihnen könne er diskutieren.“ Ein weiterer Unterschied im Jurastudium: „Die Franzosen spezialisieren sich sehr frühzeitig. Bei uns studieren zunächst alle Jura, die Spezialisierung erfolgt erst nach dem Studium“, erklärt Reiter.

Ihre Fächer an der Universität Caen durften sie sich nach eigenem Belieben aussuchen. Die Vorlesungen und Prüfungen waren auf Französisch. „Das war nicht einfach, aber machbar“, erzählt Reiter. „Wir können natürlich das dort Gelernte nicht eins zu eins in Deutschland anwenden, deshalb kann man das Studium eigentlich nur als einen Rechtsvergleich ansehen“, erklärt Zimmer. Aber das eröffne neue Perspektiven. „Wenn man von außen auf das eigene Rechtssystem schaut, überdenkt man schon das eine oder andere“, ergänzt Christina Reiter.

„Natürlich hatte ich einen Kulturschock, als ich ankam“, sagt Reiter: Da war die sprachliche Barriere, eine unbekannte Stadt, ein unbekanntes Land. Doch die Franzosen machten es den Deutschen leicht. „Mir wurde eine Gastfamilie zugewiesen, bei der ich einmal in der Woche zum Essen eingeladen wurde“, sagt Reiter. Außerdem sei sie mit einer Gruppe Franzosen Skifahren gewesen. Im Studentenwohnheim haben sie regelmäßig gemeinsam gekocht. „Dieses Gemeinschaftsgefühl fand ich sehr schön“, sagt Patrick Zimmer.

Blicken die beiden zurück, dann denken sie an positive Erlebnisse und Erfahrungen, die sie geprägt haben. „Für mich ist das Eindrücklichste, dass wir beim diesjährigen Seminar bei französischen Teilnehmenden untergebracht waren“, sagt Reiter. „Durch die vielen Erlebnisse haben sich viele Freundschaften gebildet.“

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