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Psychischen Erkrankungen vorbeugen

17.12.2019

Viele Kinder und Jugendliche leiden an psychischen Erkrankungen. Für eine bessere Prävention wurde in Würzburg das Deutsche Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit gegründet.

Modell des auf dem Würzburger Campus Nord geplanten Deutschen Zentrums für Präventionsforschung psychische Gesundheit.
Modell des auf dem Würzburger Campus Nord geplanten Deutschen Zentrums für Präventionsforschung psychische Gesundheit. (Bild: Staatliches Bauamt Würzburg)

Kinder und Jugendliche in Deutschland sind in einem erschreckend hohen Ausmaß von psychischen Erkrankungen betroffen. Das ist durch verschiedene Studien belegt. Eine repräsentative Erhebung des Robert-Koch-Instituts (Berlin) zum Beispiel gibt an, dass jedes fünfte Kind Symptome von psychischen Erkrankungen zeigt. Auch Untersuchungen über 20 Jahre hinweg belegen, dass mindestens 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter psychischen Störungen wie Angsterkrankungen, Depression und Suchterkrankungen leiden.

Oft stellen sich außerdem Folgekrankheiten ein, so dass viele Betroffene ihr Leben lang mit Einschränkungen zu kämpfen haben. Das bedeutet erhebliche Belastungen für die individuelle Lebensqualität und Persönlichkeitsentwicklung, die schulische und berufliche Leistungsfähigkeit, aber auch für familiäre und andere soziale Beziehungen.

Der in den vergangenen Jahren beobachtete deutliche Zuwachs an Krankschreibungen bei Erwachsenen wegen psychischer Erkrankungen belegt diese Problematik. Solche negativen Entwicklungen, die sich bis ins Erwachsenenalter hinein fortsetzen, gilt es frühzeitig zu erkennen und präventiv zu verhindern.

Höherer Stellenwert für Prävention ist gefordert

Aus gutem Grund fordern darum das Bundesforschungsministerium und andere Institutionen, der Prävention psychischer Krankheiten einen höheren Stellenwert einzuräumen. Um auf diesem Feld für Fortschritte zu sorgen, hat die Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg das Deutsche Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit (DZPP) gegründet.

Getragen wird das Zentrum von den JMU-Fakultäten für Medizin und Humanwissenschaften. Die Leitung wurde Professor Marcel Romanos, dem Direktor der kinder- und jugendpsychiatrischen Universitätsklinik, zusammen mit Professor Paul Pauli, dem Leiter des Lehrstuhls für Biologische Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, übertragen. Bayerns Landtagspräsidentin a.D. Barbara Stamm hat die Schirmherrschaft übernommen.

Das Zentrum verfolgt das Ziel, Präventionsprogramme zur Verringerung psychischer Erkrankungen zu entwickeln, ihre Effektivität zu evaluieren und sie in der Fläche verfügbar zu machen. Zudem berät das DZPP Betroffene, Familienangehörige, Schulen und andere Institutionen. Damit bildet das DZPP ein Scharnier zwischen Grundlagenforschung und Versorgungsstrukturen.

Eine Million Euro für Neubau auf dem Campus Nord von Sternstunden e.V.

Das neue Zentrum wird auf dem Campus Nord in einen Neubau der Universität Würzburg einziehen. Dafür stellt der Würzburger Förderverein Menschenskinder e.V. eine Million Euro zur Verfügung. Der Verein hat das Geld bei der Initiative Sternstunden e.V. eingeworben, einer Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks.

Baubeginn für das Sternstunden-Präventionszentrum ist voraussichtlich Ende 2020, die Bauzeit ist auf ein Jahr veranschlagt. Die Universität wird das Gebäude auf einem neu zu erschließenden Baufeld im Matthias-Lexer-Weg errichten, östlich des Zentrums für Sprachen. In dem dreigeschossigen Neubau erhält das DZPP eine Nutzfläche von rund 230 Quadratmetern. Der restliche Platz ist für weitere Nutzer aus der Universität vorgesehen.

Würzburg als bundesweit einzigartiger Standort

Bei der Prävention psychischer Krankheiten spielen Angsterkrankungen eine zentrale Rolle. Sie sind die häufigste psychische Störung und regelhaft Vorläufer von depressiven und anderen psychischen Erkrankungen. Zudem ist das Erleben von Angst ein typisches Merkmal vieler weiterer psychischer Störungen und tritt auch häufig infolge somatischer Erkrankungen auf. Die Prävention von Angsterkrankungen dürfte also breit gefächerte positive Auswirkungen haben.

Weil es in Würzburg insbesondere in Bezug auf Angsterkrankungen eine in Deutschland einzigartige interdisziplinäre Forschungsinfrastruktur gibt, wurde der Name „Deutsches Zentrum“ mit Bedacht gewählt.

Hier arbeiten im Interdisziplinären Zentrum für Angsterkrankungen (IZA) nicht nur Würzburger Kliniken und Institute aus Medizin, Psychologie, Sonderpädagogik und Pädagogik Hand in Hand. Ins IZA integriert sind auch alle stationären psychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken in Unterfranken sowie weitere aus Bayern und Baden-Württemberg. Außerdem sind hochrangige Forschende aus Berlin, Freiburg, Tübingen, Frankfurt und anderen Städten eingebunden.

In Würzburg werden schon jetzt viele Fragen zur Prävention erforscht, hier bestehen umfangreiche Erfahrungen mit der Durchführung von Präventionsprojekten. Würzburger Einrichtungen sind außerdem seit vielen Jahren immer wieder an großen Forschungsverbünden im nationalen Netzwerkverbund „Psychische Störungen“ beteiligt.

Erste Präventionsprogramme laufen an

Die Mitglieder des DZPP werden in den kommenden Monaten die Vernetzung mit Kindergärten, Schulen, Fachärzten, Ämtern, Beratungsstellen und anderen Akteuren weiter vorantreiben. Sie werden auch Forschungsfragen definieren und gemeinsam neue Projekte anstoßen.

Erste Präventionsprogramme laufen bereits an – etwa das Programm DUDE, das von der Kaufmännischen Krankenkasse KKH gefördert wird. DUDE steht für „Du und deine Emotionen“. Mit Hilfe dieses Programm sollen Kinder lernen, ihre Emotionen zu regulieren. Die Fachleute gehen davon aus, dass dies ein wirksamer Schutz vor selbstverletzenden Verhaltensweisen und emotionalen Störungen ist. Solche körperlichen Autoaggressionen treten in Deutschland bei bis zu 20 Prozent der Schulkinder auf.

Das Programm DUDE wird im Lauf des Jahres 2020 an 1.500 nordbayerischen Schülerinnen und Schülern im Alter von 12 bis 14 Jahren evaluiert werden. Die Teilnehmer werden dann im Verlauf erneut kontaktiert und zu ihrer Gesundheitssituation befragt, um den langfristigen Nutzen des Programms zu untersuchen.

In welchem Lebensalter Präventionsprogramme sinnvoll sind, ist gut bekannt. Um beispielsweise Sozialverhaltensstörungen zu verhindern, ist eine Intervention bereits im Kindergartenalter denkbar. Um sozialen Phobien effektiv zu begegnen, sollte man bei Acht- bis Zwölfjährigen ansetzen, und eine Prävention von psychotischen Störungen macht ab etwa dem 14. Lebensjahr Sinn. Auch der Übergang ins Erwachsenenalter ist eine „Hochrisikophase“, in der geeignete Interventionen einen Nutzen bieten. Wichtig und sinnvoll sind auch präventive Interventionen nach besonderen Lebensereignissen, etwa nach schweren Erkrankungen oder Unfällen, die psychische Erkrankungen auslösen können und den Verlauf der Genesung negativ beeinflussen.

Gründungsmitglieder des DZPP

  • Prof. Dr. Jürgen Deckert (Psychiatrie, Zentrum für Psychische Gesundheit)
  • Prof. Dr. Andreas Dörpinghaus (Systematische Bildungswissenschaft)
  • Prof. Dr. Ildiko Gagyor (Allgemeinmedizin)
  • Prof. Dr. Helge Hebestreit (Pädiatrie, Präventionsmedizin, Zentrum Seltene Erkrankungen)
  • Prof. Dr. Peter Heuschmann (Klinische Epidemiologie und Biometrie)
  • Prof. Dr. Thomas Keil (Prävention und Gesundheitsförderung)
  • Prof. Dr. Sarah Kittel-Schneider (Entwicklungspsychiatrie)
  • Prof. Dr. Paul Pauli (Biologische Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie)
  • Prof. Dr. Christoph Ratz (Sonderpädagogik)
  • Prof. Dr. Marcel Romanos (Kinder- und Jugendpsychiatrie)
  • Prof. Dr. Anne Simmenroth (Allgemeinmedizin)
  • Prof. Dr. Achim Wöckel (Frauenheilkunde und Geburtshilfe)

Assoziiertes Gründungsmitglied:

  • Prof. Dr. Silke Neuderth (Angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule für angewandte Wissenschaften, FHWS Würzburg-Schweinfurt).

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Von Robert Emmerich

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