Ein neuer Weg Zusammenarbeit zu verstehen
29.07.2025Gruppendynamiken besser verstehen, indem zwei Forschungsdisziplinen zusammengebracht werden: Wie das gehen kann, zeigt ein internationales Team unter Beteiligung eines Wissenschaftlers der Uni Würzburg.

„Teamwork makes the dream work.” Das ist meistens leichter gesagt als getan. Damit eine Gruppe von Individuen zusammenarbeiten kann, braucht sie gemeinsame Ziele. Die Fähigkeit gemeinsam das Wohl des Kollektivs zu verbessern, nennen Expertinnen und Experten „kollektive kooperative Intelligenz“.
Genau damit hat sich ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Chaitanya Gokhale, Professor für Theoretische Evolutionsbiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), auseinandergesetzt. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen.
Die Brücke zwischen zwei Forschungsfeldern bauen
Das Team hat ein theoretisches Modell entwickelt, das eine Brücke zwischen zwei Forschungsfeldern bauen soll, die sich mit kollektiver kooperativer Intelligenz auf unterschiedliche Weise auseinandersetzen: die Wissenschaft komplexer Systeme (CSS – complex systems science) und das Multiagenten Reinforcement Learning (MARL).
„Unter der Leitung unserer Kooperationspartner aus Bonn vereint unser Ansatz die Stärken beider Felder: Durch CSS lässt sich erklären, wie einfache Regeln zu komplexem Gruppenverhalten führen können“, so der Evolutionsbiologe. MARL zeige, wie Individuen in dynamischen Umgebungen – zum Beispiel im sich ständig verändernden Börsenmarkt – lernen und sich anpassen. “Methoden wie Collective Reinforcement Learning Dynamics – kurz CRLD – können sowohl die Entstehung von Kooperation als auch die kognitiven Prozesse einzelner Akteure darstellen und in Beziehung setzen.“
Ein neuer Weg Zusammenarbeit zu verstehen
Beide Felder beschäftigen sich mit zwischenmenschlichen Kooperationen, gehen sie jedoch anders an: „CSS zielt darauf ab, zunächst die Top-down-Mechanismen zu verstehen, wie beispielsweise die Bildung von Institutionen, die Zusammenarbeit durchsetzen können. MARL wählt den genau entgegengesetzten Ansatz; zuerst die Mechanismen untersuchen, die die Zusammenarbeit fördern, und im Nachgang verstehen, wie sie zustande kamen und wie sie funktionieren“, erklärt Gokhale.
Als konkretes Beispiel sei hier der Klimawandel genannt. Die Bekämpfung der zunehmenden Umweltverschmutzung auf globaler Ebene erfordert eine Zusammenarbeit im großen Maßstab. Während CSS durch die Berücksichtigung der emergenten Prozesse des komplexen globalen Systems hervorragende Möglichkeiten bietet, kann MARL die Interaktionen der beteiligten Akteure simulieren - allerdings mit hohem Rechenaufwand. Die Verbindung von CSS und MARL über CRLD würde dann das Beste aus beiden Welten bieten und gleichzeitig nachhaltig sein.
Gruppendynamiken besser zu verstehen, kann laut Gokhale auf mehreren Gebieten hilfreich sein: Zum Beispiel könne das Modell dazu genutzt werden, künstliche Intelligenzen zu entwickeln, die optimal auf die Zusammenarbeit mit dem Menschen trainiert sind. In der Politik ließen sich Institutionen und politische Maßnahmen, die die Kooperation in Bereichen wie Umweltmanagement oder öffentlicher Gesundheit fördern, besser gestalten.
Publikation
Collective cooperative intelligence. Wolfram Barfuss, Jessica Flack, Chaitanya S. Gokhale, Lewis Hammond, Christian Hilbe, Edward Hughes, Joel Z. Leibo, Tom Lenaerts, Naomi Leonard, Simon Levin, Udari Madhushani Sehwag, Alex McAvoy, Janusz M. Meylahn, and Fernando P. Santos. Proceedings of the National Academy of Sciences, 16. Juni 2025, https://doi.org/10.1073/pnas.2319948121
Kontakt
Prof. Dr. Chaitanya Gokhale, Professur für Theoretische Evolutionsbiologie, Center for Computational Biology and Theoretical Biology (CCTB), T: +49 931 31-84126, chaitanya.gokhale@uni-wuerzburg.de