Intern
  • 6 Studierende geniessen das Studentenleben in Würzburg im Sommer.
  • Drei Studierende tragen T-Shirts mit einem Aufdruck der Universität Würzburg.

In der Wüste hilft Wachs beim Überleben

30.04.2019

Die Blätter von Dattelpalmen können sich auf Temperaturen um 50 Grad Celsius erhitzen. Das überleben sie dank einer speziellen Wachsmischung, die für das Dasein in der Wüste essenziell ist.

Die Würzburger Biologen Markus Riederer (links) und Amauri Bueno fanden heraus, warum die Blätter der Dattelpalme selbst bei Temperaturen von über 50 Grad nicht vertrocknen.
Die Würzburger Biologen Markus Riederer (links) und Amauri Bueno fanden heraus, warum die Blätter der Dattelpalme selbst bei Temperaturen von über 50 Grad nicht vertrocknen. (Bild: Universität Würzburg)

Im Jahr 1956 entdeckte der Würzburger Botaniker Otto Ludwig Lange in der mauretanischen Wüste in Westafrika etwas Interessantes: Er fand Pflanzen, deren Blätter bis zu 56 Grad heiß werden können. Dass Blätter eine solche Hitze aushalten, ist erstaunlich. Der Professor vermochte damals nicht zu sagen, welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass die Blätter bei diesen Temperaturen nicht austrocknen. Mehr als 50 Jahre später ist es den Botanikern Markus Riederer und Amauri Bueno von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gelungen, das Geheimnis zu lüften.

Um zu verstehen, was die beiden herausgefunden haben, muss man Näheres über den Aufbau eines Pflanzenblatts wissen. Denn dabei handelt es sich um etwas äußerst Kompliziertes. So haben Pflanzenblätter eine für das menschliche Auge meist unsichtbare Haut. „Bei der Tomate sieht man sie“, erläutert Professor Riederer, Inhaber des Lehrstuhls für Botanik II der JMU. Biowissenschaftler sprechen von der „Kutikula“. Die kann man sich wie eine sehr dünne Plastikfolie vorstellen. Ohne diese „Folie“ würde das Blatt der Pflanze binnen kürzester Zeit vertrocknen: „Die Wasserdurchlässigkeit einer Kutikula ist noch geringer als die einer Plastikfolie.“

Stetige Abwägung: Poren öffnen oder schließen?

Nun handelt es sich bei der Pflanzenhaut allerdings nicht um eine durchgängige Schicht, die sich über das Blatt ziehen würde. In ihr befinden sich zahlreiche Poren, Stomata genannt, die auf- und zugehen können. Durch diese Spaltöffnungen ernährt sich die Pflanze. Riederer: „Sie nimmt dadurch das Kohlendioxid auf, das sie für die Photosynthese braucht.“

Problematisch ist nun, dass immer dann, wenn sich die Poren öffnen, um Kohlendioxid aufzunehmen, auch Wasser verdunstet. Gerade Wüstenpflanzen befinden sich deshalb permanent in einem Abwägungsprozess: Nehmen sie Kohlendioxid auf, um weiter zu wachsen, oder verzichten sie darauf, um das kostbare Wasser zurückzuhalten? Jede Wüstenpflanze entscheidet laut Riederer ein wenig anders.

Koloquinten sind Wasserverschwender

Die Würzburger Versuchspflanze Koloquinte (Citrullus colocynthis), eine wilde Verwandte der Wassermelone, öffnet bei Hitze ihre Poren, um durch die entstehende Verdunstungskälte die Blätter zu kühlen. Sie „schwitzt“ gewissermaßen. „Damit ist sie ein Wasserverschwender“, erläutert der Professor für Ökophysiologie.

Das kann sich die Pflanze deshalb leisten, weil sie eine sehr lange Pfahlwurzel hat. Damit kann sie tief im Wüstenboden befindliche Wasserquellen erschließen. Wie schon Otto Ludwig Lange bei seinen Experimenten in der Wüste herausfand, schafft es die Koloquinte, dass ihr Blatt bis zu 15 Grad kühler ist als die Wüstenluft.

Dattelpalmen sind Wassersparer

Ganz anders verhält sich die Dattelpalme. Die zweite Würzburger Versuchspflanze lebt, ebenso wie die Koloquinte, in Oasen und Wadis – das sind Flusstäler, die über längere Zeiträume ausgetrocknet sind. „Sie ist im Gegensatz zur Koloquinte ein Wassersparer“, sagt Riederer.

Weil die Palme nicht „schwitzt“, erreichen ihre Blätter mitunter enorm hohe Temperaturen: „Sie können elf Grad Celsius über der Lufttemperatur liegen.“ Wie kann es sein, dass die Blätter bei diesen hohen Temperaturen nicht austrocknen? Das hat der JMU-Biologe Amauri Bueno in seiner Doktorarbeit erforscht.

Hochtemperaturwachs fürs Überleben

Seine im „Journal of Experimental Botany“ publizierten Ergebnisse kreisen um das Wachs, das in der Haut von Pflanzen eingebettet ist und für deren Dichtigkeit sorgt. Dieses Wachs unterscheidet sich zwischen der Koloquinte und der Dattelpalme ganz deutlich, stellte Bueno nach aufwändigen Laboruntersuchungen fest.

Die Dattelpalme besitzt ein Wachs, das hohe Temperaturen aushält, und hat deshalb selbst bei extremen Temperaturen eine wesentlich wasserundurchlässigere Haut als die Koloquinte. Nur wegen dieses speziellen Wachses kann die Palme in der Wüste überleben. Wäre das Wachs chemisch ein wenig anders zusammengesetzt, würden die Blätter vor allem bei hohen Temperaturen sehr schnell vertrocknen.

Das herauszufinden, war laut Riederer höchst anspruchsvoll, weil es sich bei dem in die Haut eingelagerten Wachs chemisch gesehen um etwas sehr Kompliziertes handelt. Noch sind auch nicht alle Geheimnisse gelüftet. So verstehen die Biowissenschaftler immer noch nicht, warum die eine Pflanzenhaut mehr, die andere weniger Wasser durchlässt.

Interessant für die Pflanzenzüchtung

Die aktuellen Erkenntnisse aus der JMU können für die Pflanzenzüchtung von Bedeutung sein. Will man Nutzpflanzen dort anbauen, wo es seit jeher sehr heiß und trocken ist oder wo es durch den Klimawandel heißer werden könnte, muss man bei der Suche nach geeigneten Pflanzensorten auf die Pflanzenhaut achten. Wenn Pflanzen mit bestimmten Kutikulawachsen zur Zucht ausgewählt werden, haben sie an heißen Standorten eine bessere Überlebenschance.

Publikation

“Effects of temperature on the cuticular transpiration barrier of two desert plants with water-spender and water-saver strategies”. Amauri Bueno, Ahmed Alfarhan, Katja Arand, Markus Burghardt, Ann-Christin Deininger, Rainer Hedrich, Jana Leide, Pascal Seufert, Simona Staiger und Markus Riederer. Journal of Experimental Botany, Vol. 70, No. 5, pp. 1613–1625, 2019. doi:10.1093/jxb/erz018

Kontakt

Prof. Dr. Markus Riederer, Lehrstuhl für Botanik II (Ökophysiologie und Vegetationsökologie), Universität Würzburg, T +49 931 31-86200, riederer@uni-wuerzburg.de

Weitere Bilder

Zurück