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Herz-OPs: Wie sich Risiken senken lassen

17.01.2023

Kann die Gabe des Spurenelements Selen die Sterblichkeit nach herzchirurgischen Eingriffen verringern? Diese Frage hat ein deutsch-kanadisches Netzwerk unter der Leitung von Christian Stoppe vom Uniklinikum Würzburg untersucht.

Die Zahl der herzchirurgischen Eingriffe steigt weltweit stetig an, und bei jedem fünften Eingriff kommt es zu Komplikationen. Christian Stoppe vom Uniklinikum Würzburg hat geprüft, ob Selen die Risiken reduzieren kann.
Die Zahl der herzchirurgischen Eingriffe steigt weltweit stetig an, und bei jedem fünften Eingriff kommt es zu Komplikationen. Christian Stoppe vom Uniklinikum Würzburg hat geprüft, ob Selen die Risiken reduzieren kann. (Bild: Daniel Peter / UKW)

Wie lassen sich Komplikationen wie zum Beispiel Multiorganversagen nach komplexen Herzoperationen reduzieren? Eine Hoffnung lag bislang im Spurenelement Selen, da es als essentieller Kofaktor vieler anti-entzündlich wirksamer Enzyme die körpereigenen Abwehrmechanismen stärken kann.

Mehrere kleinere Studien hatten in den vergangenen Jahren auf signifikante klinische Vorteile einer Selen-Supplementierung bei Patientinnen und -Patienten mit komplexen herzchirurgischen Eingriffen hingewiesen. Doch die multizentrische, randomisierte, doppelt verblindete und placebo-kontrollierte sustainCSX-Studie hat nun gezeigt, dass die intravenöse Gabe hochdosierten Selens vor, während und nach der Operation nicht zu einer signifikanten Verringerung der Mortalität und Morbidität führt. Die Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift der American Medical Association JAMA Surgery veröffentlicht.

Bei jedem fünften Eingriff kommt es zu Komplikationen

Initiator und Erstautor der Studie ist Professor Christian Stoppe von der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Uniklinikum Würzburg. Er erläutert die Hintergründe des Forschungsprojekts: „Die Zahl an Herzoperationen steigt jedes Jahr weltweit weiter an, trotz Zunahme von minimal-invasiven Verfahren in der Kardiologie. Das hat nicht nur demografische Gründe, sondern liegt auch an den verbesserten Operationsmethoden, schonenderen Narkosen und einer verbesserten sich anschließenden intensivmedizinischen Behandlung.“

Aufgrund des allgemein steigenden Durchschnittsalters der Patientinnen und Patienten und der zunehmenden Begleiterkrankungen, werden die herzchirurgischen Eingriffe jedoch oft komplexer und länger, wodurch die Gefahr für lebensbedrohliche Komplikationen steigt, so der Medizinier. „So entwickeln sich oft postoperative Organdysfunktionen, die umfassende intensivmedizinische Maßnahmen erfordern.“

Antioxidativen Stress mit hochdosiertem Selen reduzieren

In einer vorhergehenden Studie hatten Christian Stoppe und seine internationalen Kolleginnen und Kollegen bereits herausgefunden, dass Herzoperationen unter Verwendung einer sogenannten Herz-Lungen-Maschine, wenn also bei einer Operation am offenen Herzen das Blut über ein Kanülen- und Schlauchsystem den Körper verlässt, mit Sauerstoff angereichert und wieder zurückgepumpt wird, zu einem Rückgang von antioxidativen Spurenelementen führen.

Es entsteht oxidativer Stress, der eine Entzündungsreaktion auslöst, die sich wiederum negativ auf die Funktion der Blutgefäße und Organsysteme auswirkt. „In der Beobachtungsstudie konnten wir niedrige Selenspiegel mit postoperativen Multiorganversagen in Verbindung bringen“, berichtet Christian Stoppe. „In einer nachfolgenden Anwendungsbeobachtung zeigten sich klinische Vorteile einer Selen-Supplementierung bei herzchirurgischen Patienten.“ Das Spurenelement trägt zu entzündungshemmenden und immunstimmulierenden Prozessen im Körper bei.

Um die Selen-Therapie in die Leitlinien aufnehmen zu lassen, fehlte jedoch ein höheres Maß an Evidenz. Daher hat Christian Stoppe gemeinsam mit Professor Daren K. Heyland von der Clinical Evaluation Research Unit am kanadischen Kingston General Hospital die qualitativ hochwertige sustainCSX-Studie ins Leben gerufen. An 23 Standorten in Deutschland und Kanada wurden insgesamt 1.394 Herz-Patientinnen und -Patienten untersucht, die ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko aufzeigten oder bei denen mehrere chirurgische Eingriffe geplant waren. Nach dem Zufallsprinzip erhielt die Hälfte von ihnen 2.000 Mikrogramm Natriumselenit vor der Herz-Operation, gefolgt von 2.000 danach und weitere 1.000 Mikrogramm Natriumselenit täglich auf der Intensivstation für maximal zehn Tage. Die Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo.

Selen-Supplementierung hat keinen Einfluss auf die Sterblichkeit

Ergebnis: Die hochdosierte Selen-Supplementierung konnte die Entwicklung von Organfunktionsstörungen nicht signifikant reduzieren. 4,2 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer verstarben innerhalb von 30 Tagen nach der Operation in der Selengruppe, fünf Prozent in der Placebogruppe.

„Eine Selen-Supplementierung kann aber möglicherweise die Notwendigkeit zur Wiederaufnahme auf eine Intensivstation verringern“, gibt Christian Stoppe zu Bedenken. „Ebenso bleibt aufgrund des technischen Fortschritts und der stetigen Verbesserungen im Bereich der Herzchirurgie offen, ob sich zukünftige Interventionen nur auf Patienten mit erhöhtem Risikoprofil fokussieren sollen. In der klinischen Praxis wird es immer wichtiger, Strategie zu entwickeln, um Patienten mit erhöhter Komplikationsgefahr frühzeitig zu identifizieren und nur ihnen etwaige Nährstoffe zu verabreichen.“

Mit Fischöl das Immunsystem stärken

Der Fokus des aktuellen Forschungsvorhabens liegt nun auf einer frühzeitigeren Stärkung des Immunsystems. Ziel ist es, so wie früh wie möglich mit einer optimierten Therapie zu beginnen. „Da viele Patienten erst einen Tag vor der Operation stationär aufgenommen werden, müssen wir dieses Fenster maximal nutzen“, erklärt Christian Stoppe.

In der neuen modifyCSX Studie will das internationale Team die intravenöse Gabe von Fischöl zwölf bis 24 Stunden vor der Operation testen. Ziel dabei ist es, neben der Stärkung des Immunsystems die Entstehung von postoperativen Herzrhythmusstörungen zu reduzieren, welches die postoperative Erholung entsprechender Patientinnen und Patienten signifikant verbessert.

Partner und Förderer

In Deutschland waren neben dem Universitätsklinikum Würzburg die Universitätskliniken Aachen, Berlin, Bonn, Frankfurt, Freiburg, Giessen, Köln, Mainz, München, Münster, Oldenburg und Schleswig-Holstein beteiligt. Finanziell unterstützt wurde die Studie vom Canadian Institute of Health Research und der Lotte & John Hecht Memorial Foundation.

Originalpublikation

Effect of High-Dose Selenium on Postoperative Organ Dysfunction and Mortality in Cardiac Surgery Patients. The SUSTAIN CSX Randomized Clinical Trial. JAMA Surgery Published online January 11, 2023. doi:10.1001/jamasurg.2022.6855

Selenium blood concentrations in patients undergoing elective cardiac surgery and receiving perioperative sodium selenite. Nutrition. 2013 Jan;29(1):158-65. doi: 10.1016/j.nut.2012.05.013. Epub 2012 Sep 23. PMID: 23010420

The intraoperative decrease of selenium is associated with the postoperative development of multiorgan dysfunction in cardiac surgical patients. Crit Care Med. 2011 Aug;39(8):1879-85. doi: 10.1097/CCM.0b013e3182190d48. PMID: 21460705

Von Pressestelle UKW

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