Intern
  • 6 Studierende geniessen das Studentenleben in Würzburg im Sommer.
  • Drei Studierende tragen T-Shirts mit einem Aufdruck der Universität Würzburg.

Geraubte Kultur

21.06.2022

Wie kolonial ist das kulturelle Erbe in Europa und wie lässt es sich dekolonisieren? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine internationale Tagung an der Uni Würzburg. Im Blick stehen europäische Museums- und Sammlungskulturen.

Die Debatte um die Restitution von afrikanischen Kulturgütern aus kolonialen Kontexten hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Während der Kolonialzeit gelangten mehrere Millionen Kulturobjekte wie Schmuck, Kleidung, Masken oder religiöse Figuren nach Europa. Ein Großteil dieser Objekte wurde dabei vermutlich oder nachweislich gestohlen, was heute zu der Frage nach einer möglichen Rückgabe führt.

Nachdem Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Jahr 2017 den sogenannten Restitutionsbericht in Auftrag gab und eine Rückgabe geraubte Kulturobjekte aus Afrika versprach, wurde vor allem im Feuilleton über die Bedingungen von Restitution und Reparation diskutiert. Seitdem stehen Museen und Universitäten mit ihren Sammlungen und ihrem Selbstverständnis mehr denn je im Fokus einer globalen Debatte um koloniale Vergangenheit und eine inklusive Erinnerungskultur.

Europäischer Vergleich als Schwerpunkt

Diese Auseinandersetzungen mit dem kulturellen Erbe in Europa stehen im Fokus der Tagung Colonized Objects and Bodies in Europe, die am 24. und 25. Juni 2022 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg stattfindet. Über 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tauschen sich hierzu in einem hybriden Format aus.

Organisiert wird die Tagung in Kooperation mit der Universität Padua und der Coimbra Group, einem Netzwerk aus 39 europäischen Spitzenuniversitäten, dem auch die JMU angehört. „Mit dieser Tagung wollen wir die Restitutionsdebatte aus einer europäischen Perspektive heraus betrachten“, sagt Julien Bobineau, einer der Organisatoren und Sprecher des Forums Afrikazentrum der JMU.

Kolonialismus als ‚Gemeinschaftsprojekt‘

Die brutale Kolonialvergangenheit in Afrika und ihre Auswirkungen in Europa habe man viel zu lange als nationale Angelegenheit betrachtet. Die Tagung will dies laut Bobineau ändern: „Wenn der Kolonialismus überhaupt in Wissenschaft und Gesellschaft betrachtet wurde, dann meist aus einer isolierten französischen, deutschen oder britischen Sicht. Dabei ist heute bekannt, dass die europäischen Akteure in Afrika eng miteinander kooperiert haben, um den Kontinent kolonial zu unterwerfen. Dabei wurden vor allem im 19. und 20. Jahrhundert Millionen von Objekte nach Europa geschafft, angeblich in den Diensten der Wissenschaft.“

Die Geschichte der sogenannten Benin-Bronzen – Kulturobjekte aus dem nigerianischen Königreich Benin, die während eines britischen Überfalls 1897 gestohlen und über Handelsnetze in die ganze Welt verkauft wurden – würden diese These belegen, erläutert der Literatur- und Kulturwissenschaftler. In der Konsequenz müsse man für die potenzielle Rückgabe von Kulturobjekten auch europäische Lösungen diskutieren.

Hybride Tagung

Die Tagung findet in hybrider Form und in englischer Sprache statt. Die Teilnahme in Präsenz oder via Zoom ist kostenfrei. Das vollständige Programm findet sich auf der Tagungswebseite. Für die Teilnahme ist eine Anmeldung über das Formular auf der Tagungswebseite anzumelden.

Tagungswebsite

Kontakt

Dr. Julien Bobineau, Lehrstuhl für Französische und Italienische Literaturwissenschaft, Universität Würzburg, T. +49 931 – 31 83826, julien.bobineau@uni-wuerzburg.de

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