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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Furioser Auftritt als Anton Ruland

29.10.2019

Zum 400. Geburtstag der Würzburger Universitätsbibliothek fand eine Solo-Performance des Schauspielers Markus Grimm statt. Er verkörperte darin den Königlichen Oberbibliothekar Anton Ruland.

Markus Grimm als Anton Ruland im Foyer der Neubaukirche.
Markus Grimm als Anton Ruland im Foyer der Neubaukirche. (Bild: Irmgard Götz-Kenner / Universitätsbibliothek Würzburg)

Der Würzburger Schauspieler, Theologe und Redner Markus Grimm ist bekannt für seine Bühnenstücke, in denen er Menschen aus der Vergangenheit in die Gegenwart holt und damit Geschichte lebendig werden lässt. In seiner neuesten Solo-Performance „Ruland Rulez!“, die am 20. Oktober 2019 im Foyer der Neubaukirche vor 130 begeisterten Zuschauern uraufgeführt wurde, verkörpert Markus Grimm den königlich-bayerischen Oberbibliothekar Anton Ruland, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts in wechselvollen Zeiten die Würzburger Universitätsbibliothek leitete. Das historische Solo, das Grimm anlässlich des 400-jährigen Jubiläums der Würzburger Universitätsbibliothek verfasst hat, vermittelt auf höchstem schauspielerischen Niveau ein Stück Bibliotheks- und Landesgeschichte, denn Anton Ruland war nicht nur Bibliothekar, sondern auch Priester und Abgeordneter im bayerischen Landtag.

Die Tür zum Foyer der Neubaukirche öffnet sich und Markus Grimm alias Anton Ruland betritt in Soutane seine ehemalige Wirkungsstätte; denn das Foyer war zur Zeit Rulands der Bibliothekssaal der Würzburger Universitätsbibliothek. Von seiner einstigen Pracht ist nach der Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945 heute leider nicht mehr viel zu sehen. Nur ein paar erhalten gebliebene Fotografien lassen erahnen, wie schön und elegant der Saal einst gewesen sein muss.

Plädoyer für eine ganzheitliche Bildung des Menschen

Genau an diesem historisch bedeutenden Ort spielt die Solo-Performance. Markus Grimm inszeniert darin den eigensinnigen, willensstarken und feurigen Rhetoriker Ruland so überzeugend, dass man als Zuschauer tatsächlich glaubt, dem realen Ruland gegenüberzusitzen. Historischen Quellen zufolge war Anton Ruland alles andere als ein stiller Bücherwurm; er war ein begnadeter Prediger, ein Vielschreiber mit spitzer Feder und zugleich ein bibliophiler Fachmann, anerkannter Historiker und konservativer fränkischer Patriot. Und exakt so erleben die Zuschauer Markus Grimm in seinem gut eine Stunde dauernden Auftritt, in der er mit seinen Zeitgenossen, aber auch mit uns heute, hart ins Gericht geht. Er entrüstet sich über die Zustände, die er in „seiner“ Universitätsbibliothek im 19. Jahrhundert antraf: Unordnung, Schlendrian, Ignoranz und Respektlosigkeit. Etliche Bücher, darunter kostbare Handschriften und Inkunabeln, gingen verloren.

Diesen Missstand beendete Ruland mit eiserner Hand, so etwa mit der Einführung einer äußerst rigiden Ausleihpraxis, mit der er sich jedoch vor allem bei den Professoren sehr unbeliebt machte. Ruland wurde entlassen, kam jedoch 13 Jahre später auf Bitten und Drängen gerade der Professoren als „Königlicher Oberbibliothekar“ wieder zurück, zu seinen Bedingungen. In seiner wuchtigen Rede wendet sich „Ruland“ auch teils anklagend, teils fragend an das Publikum: „Weiß jemand von euch überhaupt, was Bildung bedeutet?“, fragt er in die Runde. „Bildung, das ist nicht die quantitative Anhäufung von Wissen!“ Dann zückt er ein Smartphone, das er, wie er sagt „kurz vorher einem Studenten entrissen“ habe, und er zertrümmert es im nächsten Moment kurzerhand auf den Steinboden vor seinem Rednerpult und den zusammenzuckenden Gästen. Nützlich mag das Gerät sein und manchem viel Geld verschaffen, doch sei das wirklich fortschrittlich, wenn das Smartphone alle Sinne belege, der Mensch nichts mehr von außen wahrnehme, glotzend auf Bildschirme, mit verstöpselten Ohren und manipuliertem Sinn? Welch kurzsichtiger, materialistischer Fortschrittsglaube! - Sätze und Gesten, die sitzen und so manchen Zuschauer sichtlich nachdenklich stimmen.

„Ein Mensch wird nicht allein dadurch groß, was er verkündet, sondern auch dadurch, was er anficht.“

Anton Ruland wurde zum ersten hauptberuflichen Universitätsbibliothekar in Deutschland und verwandelte die Würzburger Universitätsbibliothek aus einem Selbstbedienungsladen für Professoren in eine ernstzunehmende Institution von höchst eigenem Rang. Dieser Weg, so wird den Zuschauern in der Performance eindringlich vor Augen geführt, war kein Spaziergang, sondern Ruland musste zahlreiche Widerstände überwinden; doch diesen Kampf, das vehemente Eintreten für die Sache, empfand Ruland, so die Interpretation Grimms, als Herausforderung, die ihn immer weiter angetrieben hat: „Ein Mensch wird nicht allein dadurch groß, was er verkündet, sondern auch dadurch, was er anficht.“ Und manchmal scheint ihm der Widerspruch geradezu Spaß gemacht zu haben. Innerhalb der Universität Würzburg war er der unnachgiebige Bibliothekar, der seinen Prinzipien treu geblieben ist, und im bayerischen Landtag stimmte er als einziger Abgeordneter 1871 gegen den Anschluss Bayerns an Preußen, denn – so Ruland zu seiner Weigerung: „Ich hatte ja auch allen Grund dazu: Die Preußen haben 1866 meine Bibliothek beschossen. Kann ich solchen Leuten die Hand reichen? - Nein, natürlich nicht!“.

Nach gut einer Stunde beendet Ruland seine Rede mit den Worten „Stellt mir nicht das Denkmal! Vergesst mir lieber das Denken nicht!“ Beim abschließenden Sektumtrunk hatten die Besucher Gelegenheit, den Schauspieler hinter Anton Ruland, Markus Grimm, zu interviewen und zusammen mit den Gästen auf 400 Jahre Universitätsbibliothek und den rundum gelungenen Abend anzustoßen.

Weitere Veranstaltungen der Universitätsbibliothek im Jubiläumsjahr

Bis zum Jahresende gibt es noch ein paar Highlights, beispielsweise den Aktionstag „Frisch gepresst“ zum Thema „Buchdruck“ am 16. November, die Lesung mit Günter Huth am 3. Dezember sowie weitere thematische Führungen. Details stehen im Veranstaltungsprogramm unter https://go.uniwue.de/ub400programm

Von Katharina Boll-Becht

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