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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Expertin für Expertokratie

24.05.2022

Laura Münkler ist neue Professorin an der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg. Ihr Forschungsschwerpunkt hat sie in der Coronapandemie zu einer gefragten Interview- und Diskussionsteilnehmerin gemacht.

Laura Münkler hat seit diesem Semester den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Uni Würzburg inne.
Laura Münkler hat seit diesem Semester den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Uni Würzburg inne. (Bild: photoreque GmbH)

Dass sie deswegen einmal im Schloss Bellevue mit dem Bundespräsidenten auf einem Podium sitzen und diskutieren würde: Damit hatte Laura Münkler nicht gerechnet, als sie vor einigen Jahren mit der Arbeit an ihrer Habilitation anfing. Aber wer überhaupt hätte damals schon erwartet, dass ihr Forschungsthema plötzlich solch eine enorme Bedeutung für den Alltag vieler Menschen gewinnen würde?

„Expertokratie. Zwischen Herrschaft kraft Wissens und politischem Dezisionismus“: So lautet der Titel ihrer Habilitationsschrift. Und weil im Kampf gegen Corona das Wissen von Expertinnen und Experten vielfach zur Richtschnur gravierender politischer Entscheidungen wurde, war die Juristin mit einem Mal gefragte Interviewpartnerin und Diskussionsteilnehmerin – so auch beim 12. Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie mit Frank-Walter Steinmeier, das unter dem Motto stand: „Was kann der Staat? Lektionen aus der Pandemie“.

Würzburg passt zu ihrem Profil

Laura Münkler ist seit dem Sommersemester 2022 Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und damit Nachfolgerin von Horst Dreier. Zuvor hatte sie den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungs- und Gesundheitsrecht an der Universität Greifswald innegehabt – und hätte auch nach Frankfurt wechseln können, wo ihr ebenfalls eine Professur angeboten worden war.

„Die konkrete Ausrichtung des Würzburger Lehrstuhls mit seiner Kombination aus Öffentlichem Recht und Rechtsphilosophie hat am besten zu meinem Profil gepasst“, erklärt sie ihre Entscheidung für die JMU. Die Tatsache, dass Unterfranken dem Familienleben – Münkler ist verheiratet und Mutter zweier Kinder – keine übermäßigen Pendelstrecken zumutet, sei ein angenehmer Nebeneffekt gewesen.

Zwischen Expertokratie und Populismus

Pegida hier, Coronaleugner dort und tagtäglich die neuesten Einschätzungen von Expertinnen und Experten zu notwendigen Maßnahmen, die ein Ausbreiten des Coronavirus verhindern sollen: Der modernen Demokratie wurden – und werden vermutlich noch auf längere Zeit – gleichermaßen expertokratische wie auch populistische Tendenzen attestiert, hat Münkler in ihrer Habilitation festgestellt – lange bevor die Coronapandemie ihren weltweiten Siegeszug angetreten hat. Ähnliches gilt ihrer Einschätzung nach für das Recht.

Klar sei dabei, dass weder in einem zu ausgeprägten Vertrauen in Expertinnen und Experten noch in einer Abwendung oder Ausblendung von deren Wissen ein gangbarer Weg für moderne Demokratien liegt. Vor diesem Hintergrund ist sie der Frage nachgegangen, wie Entscheidungen vollständig informiert, zugleich aber demokratisch legitimiert getroffen werden können.

Wissen ist Voraussetzung für Rechtseingriffe

Zur Rolle von Expertinnen und Experten in den vergangenen zwei Jahren habe sie ein „ambivalentes Verhältnis“, sagt Münkler. Auf der einen Seite sei eine fundierte Wissensgrundlage Voraussetzung für Rechtseingriffe, wie beispielsweise Kontaktbeschränkungen oder eine Impfpflicht. Auf der anderen Seite könne Wissen keine Bindungswirkung erzeugen und müsse immer im aktuellen Zusammenhang bewertet werden.

Beratungsgremien können diese Rolle übernehmen – im Prinzip. Aber wie müssen sie zusammengesetzt sein? Wie sieht die Anbindung an die Politik aus? Wessen Stimme bekommt wie viel Gewicht, wenn Epidemiologen, Psychologinnen, Virologen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen ihre Meinungen äußern? Und überhaupt: „Muss dieses Wissen zwingend umgesetzt werden?“.

Durch den Diskurs zur Entscheidung

Es sind Fragen, wie diese, mit denen sich Laura Münkler beschäftigt – immer aus der Sicht der Rechtswissenschaft. Sie erforscht, auf welche Weise es gelingen kann, wissensbasiert und demokratisch zu entscheiden und dabei weder populistischen noch expertokratischen Neigungen zu erliegen. Sie untersucht, wie eine funktional sinnvolle Beteiligung von Experten an hoheitlicher Entscheidungsfindung stattfinden kann und welche institutionellen Vorkehrungen hierfür zu treffen sind.

Dabei ist eines für sie klar: „In Demokratien müssen wir selbst die Entscheidungen treffen; Expertinnen und Experten können uns das nicht abnehmen.“ Auch wenn sie zugesteht, dass solch ein Prinzip problematisch sein könnte – beispielsweise mit Blick auf den Klimawandel, dessen Folgen erst für spätere Generationen deutlich spürbar sein werden, der aber jetzt Handeln erforderlich macht. Trotzdem glaubt sie: „Demokratie bringt uns am besten durch den Diskurs zu tragfähigen Entscheidungen.“

Jura bietet viele Möglichkeiten

Wegen der „Vielseitigkeit von Inhalten und Möglichkeiten“ habe sie sich für das Jurastudium eingeschrieben, sagt Laura Münkler. Das Fach sei die passende Wahl für jemanden, der sich „für alles interessiert“. Für die Karriere in der Wissenschaft habe sie sich erst spät entschieden – nach dem Referendariat, als ihr klar war, dass sie weder als Richterin noch als Rechtsanwältin würde arbeiten wollen. Was sie daran besonders schätzt, ist die Freiheit sich eigene Themen zu suchen und selbst zu entscheiden, wie lange sie sich damit beschäftigt.

Dementsprechend plant sie jetzt für ihre Lehre an der JMU, „das wissenschaftliche Denken bei den Studierenden zu schulen“. Dazu hat sie vor, neue Veranstaltungen und neue digitale Lehrangebote zu entwickeln: Podcasts als Ergänzung zu klassischen Vorlesungen und Seminaren und digitale Tests zur Überprüfung des aktuellen Lernstandes sind zwei Beispiele dafür.

War sie eigentlich nervös, als sie im November 2021 mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, und der Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Aminata Touré, diskutieren durfte? „Ich glaube nicht“, sagt sie. Schließlich hätte sie die Anfrage nicht angenommen, wenn sie nicht so lange zu diesem Thema geforscht hätte.

Zur Person

Laura Münkler wurde 1985 in Friedberg (Hessen) geboren. Sie studierte von 2004 bis 2009 Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2009 bis 2012 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität und als Gastdozentin an der Universität Paris Nanterre tätig. Zwischen 2012 und 2021 lehrte und forschte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften, wo sie 2014 promoviert wurde und sich 2020 habilitierte.

Nach einer einsemestrigen Vertretung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, erhielt sie 2020 Rufe an die Bucerius Law School und die Universität Greifswald. 2021 folgten Rufe an die Goethe-Universität Frankfurt und die Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Kontakt

Prof. Dr. Laura Münkler, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie
T: +49 931 31-81805, laura.muenkler@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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