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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Evidenz und Hintergrund für das Klima

23.05.2023

Joschka Wanner ist seit diesem Semester Juniorprofessor in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg. Im Zentrum seiner Forschung steht die Frage: „Wie beeinflussen Politik und Handel die Umwelt?“

Joschka Wanner findet, dass die Attribute „grün“ und „Wirtschaftswissenschaftler“ auf ihn gut passen.
Joschka Wanner findet, dass die Attribute „grün“ und „Wirtschaftswissenschaftler“ auf ihn gut passen. (Bild: Tobias Hopfgarten)

Firmen, die in der EU Waren produzieren, müssen für den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase Emissionszertifikate erwerben. Das schlägt sich in der Regel auf den Preis dieser Waren nieder. Findige Köpfe könnten deshalb auf den Gedanken kommen, die Produktion in ein Land jenseits der EU-Grenzen zu verlegen und so dem Preisaufschlag zu entgehen. Um das zu verhindern, hat die Europäische Kommission vor knapp zwei Jahre das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism CBAM) entwickelt. Es soll durch CO2-Aufschläge für ausländische Produzenten zu vergleichbaren Kosten für Importgüter und in der EU produzierten Waren führen.

Ob dieses Instrument hält, was es verspricht: Das untersucht Joschka Wanner. Der Wirtschaftswissenschaftler ist neu an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU); seit Anfang April 2023 hat er die Juniorprofessur für Quantitative International and Environmental Economics inne. Kern seiner Forschung ist die Frage: „Wie beeinflussen Politik und Handel die Umwelt?“

Was ein Ausstieg aus dem Klimaabkommen bedeutet

Erst vor Kurzem hat Wanner beispielsweise untersucht, welche Folgen ein Ausstieg einzelner Länder aus dem Pariser Klimaschutzabkommen hätte. Das Ergebnis: „Am schlimmsten wären die Auswirkungen eines Ausstiegs der USA“, so der Juniorprofessor. Denn zum einen seien die USA der weltweit zweitgrößte Emittent von CO2, zum anderen hätten sie sich auf eine hohe Minderung ihrer Emissionen verpflichtet.

Halten alle 195 Länder ihre im Rahmen des Klimaabkommens gemachten Zusagen für eine Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes ein, würden die globalen Kohlenstoffemissionen um rund 25,4 Prozent sinken. Bei einem Ausstieg der USA würden gerade einmal 17,3 Prozent erreicht, wie Wanners Berechnungen zeigen. Die angestrebte globale Reduktion fiele also um fast ein Drittel geringer aus.

Forschung mit dem Gravitationsmodell

„Wir bauen qualitative Außenhandelsmodelle, ergänzen diese um Umweltaspekte und schauen, wer gewinnt, wer verliert und wohin Emissionen wandern, wenn sich bestimmte Rahmenbedingungen ändern“, beschreibt Wanner seine Arbeitsweise. Dafür greift er auf ein in der Wirtschaftswissenschaft etabliertes Modell zurück: das sogenannte Gravitationsmodell.

„Vereinfacht gesagt zeigt dieses Modell, dass Handelsmuster sich ungefähr proportional zur Größe der beteiligten Länder und invers zu deren Distanz verhalten“, erklärt Wanner. Oder, anders formuliert: Je größer zwei Länder, desto stärker die Warenströme zwischen ihnen. Und: Je weiter sie voneinander entfernt sind, desto geringer der Austausch. Tatsächlich trifft dieses Modell nicht nur auf wirtschaftliche Aspekte zu wie den Außenhandel oder Investitionen. Der gleiche Effekt zeige sich auch, wenn es beispielsweise um Migrationsströme gehe oder gar um die Frage, welche Webseiten Menschen mit ihrem Browser aufrufen.

An der Schnittstelle von Außenhandel und Umweltökonomik

Bislang konzentriert sich Wanner in seiner Forschung vor allem auf den CO2-Ausstoß. In Zukunft will er auch andere Umweltaspekte in den Fokus rücken – beispielsweise das Abholzen von Wäldern oder die Verschmutzung von Ozeanen.

Ist er deshalb ein „grüner Wirtschaftswissenschaftler“? Seine Antwort auf diese Frage fällt nach kurzem Überlegen eindeutig aus: Grün: Ja. Und Wirtschaftswissenschaftler: Ja. Auch in der Kombination. „Ich bin von meiner Ausbildung her Experte für Außenhandel. Mein inhaltlicher Schwerpunkt liegt an der Schnittstelle von Außenhandel und Umweltökonomik“, sagt er. Ziel seiner Arbeit sei es allerdings nicht, Politik zu machen, sondern dazu beizutragen, dass Politikerinnen und Politiker besser informiert sind und somit bessere Entscheidungen treffen können. Ihm reiche es, „Evidenz und Hintergrund“ zu liefern und auf diese Weise positiv Einfluss zu nehmen.

Große Freiheit an der JMU

Wanner ist von der Universität Potsdam an die JMU gewechselt. Würzburg sei ein attraktiver Standort, und die Uni habe ihm dank einer Tenure-Track-Stelle eine langfristige Perspektive geboten. Darüber hinaus lasse sie ihm „große Freiheit“, seine Stelle auszufüllen.

Klassische Empirie, Statistik und Simulationen bilden auch den Schwerpunkt seines Lehrangebots – immer mit einem besonderen Fokus auf „Trade & Environment“. Aktuell bietet er einen Workshop für Masterstudierende zum Thema „Internationale Ökonomik“ an mit dem speziellen Blick auf Empirical International Trade.

Unterrichtssprache in diesem Workshop ist Englisch. Das möchte Wanner auch in seinen weiteren Lehrveranstaltungen beibehalten – auch im Bachelor. „Mein Eindruck ist, dass dies immer häufiger von Studierenden gewünscht wird, nachdem unsere Fachliteratur überwiegend englischsprachig ist“, sagt er. Außerdem würden sich dann internationale Studierende leichter tun.

Schon früh von Forschung fasziniert

Dass er eine Karriere in der Wissenschaft einschlagen würde: Den Wunsch habe er schon während seines Bachelorstudiums entwickelt, erzählt Wanner. Schon damals habe er in Forschungsprojekten mitgearbeitet, und seine, wie er sagt, „bis heute beste Veröffentlichung“ basiert im Kern auf seiner Bachelorarbeit. Zusätzlich habe er immer gerne unterrichtet.

Was ihn an der Arbeit als Wissenschaftler fasziniert? „In der Forschung habe ich die Möglichkeit völlig frei und extrem gründlich über Themen nachzudenken, die mich interessieren. Solch eine Freiheit bekomme ich nirgends sonst.“ Und wenn es ihm auf diese Weise gelingt, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen, könnten „grün“ und „Wirtschaftswissenschaftler“ doch noch gut miteinander kombinierbar sein.

Zur Person

Joschka Wanner (* 1989) hat von 2008 bis 2015 an der Universität Bayreuth „Internationale Wirtschaft & Entwicklung“ (Bachelor) und „Economics“ (Master) studiert. Begleitend dazu hat er an Open University (United Kingdom) den Bachelorstudiengang “Mathematics and Statistics” absolviert. Ende 2019 wurde er mit einer Arbeit über “Gravity in International Trade: Econometric Challenges and Environmental Extensions” promoviert.

Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Laufbahn waren die Berlin School of Economics und – als Juniorprofessor im Bereich “Quantitative Economics” – die Universität Potsdam. Am Institut für Weltwirtschaft Kiel ist er externer Mitarbeiter. Seit April 2023 ist Wanner Juniorprofessor für Quantitative International and Environmental Economics an der Universität Würzburg.

Kontakt

Prof. Dr. Joschka Wanner, Juniorprofessur für Quantitative International and Environmental Economics, T: +49 931 31-87172, joschka.wanner@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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