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  • Würzburg sagt Nein zu Gewalt gegen Frauen

Eine Straße für Barbara Thein

21.02.2023

Erst Karl-Ritter-von-Frisch-Weg, jetzt Barbara-Thein-Weg. Mitte Februar enthüllten Unipräsident Paul Pauli und Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt gemeinsam das neue Straßenschild.

Namenswechsel am Hubland mit Unipräsident Paul Pauli, Vizepräsidentin Anja Schlömerkemper und der Universitätsfrauenbeauftragten Brigitte Burrichter.
Namenswechsel am Hubland mit Unipräsident Paul Pauli, Vizepräsidentin Anja Schlömerkemper und der Universitätsfrauenbeauftragten Brigitte Burrichter. (Bild: Claudia Lother / Stadt Würzburg)

Wer das Sportzentrum der Uni Würzburg am Campus Hubland Süd besucht, kennt ihn: den Karl-Ritter-von-Frisch-Weg. So zumindest hieß das Sträßlein an der östlichen Seite des Sportzentrums noch bis vor kurzem. Jetzt heißt der Weg, der zum Schönstattzentrum führt und sich im Eigentum des Freistaates Bayern befindet – die Universität ist Grundbesitzverwalterin – Barbara-Thein-Weg.

Der Umbenennung vorausgegangen waren umfangreiche Diskussionen in der sogenannten Straßennamenkommission der Stadt Würzburg und im Stadtrat. Die Kommission hatte eine Umbenennung oder zumindest Kontextualisierung des Karl-Ritter-von-Frisch-Weges empfohlen. Der Stadtrat hatte sich im März 2022 nach ausführlicher Diskussion in den politischen Gremien und in der Öffentlichkeit für eine Umbenennung des Weges ausgesprochen.

Auch die Universität Würzburg teilte die Auffassung, und der Präsident der Universität Würzburg, Paul Pauli, erklärte das Einverständnis mit der Umbenennung. Auf Vorschlag der Universität wurde Barbara Thein als neue Namensgeberin ausgewählt. Sowohl der Oberbürgermeister als auch der Universitätspräsident freuen sich über die neue Namensgebung.

„Vor dem Hintergrund von Frischs Geschichte“, so Oberbürgermeister Christian Schuchardt, „war eine fortdauernde Ehrung von Frischs durch einen Straßennamen nicht mehr angemessen.“ Pauli dankte dafür, dass der Vorschlag Theins Berücksichtigung gefunden habe, denn „Barbara Thein kann wohl als erste angestellte Wissenschaftlerin der Universität Würzburg gelten und ist mit ihrer Tätigkeit seit 1796 die erste belegte Frau, die an unserer Universität beschäftigt war.“

Barbara Thein: Erste Wissenschaftlerin an der JMU

Barbara Thein, auch Babette oder Demoiselle Thein genannt, ist die erste Frau, die nachweisbar an der Universität Würzburg wissenschaftlich gearbeitet hat. Sie begann ihre Tätigkeit an der Universität am Ende des 18. Jahrhunderts, in einer Zeit, in der Frauen von Universitäten sowie Wissenschaft und Bildung generell bis auf sehr wenige Ausnahmen streng ausgeschlossen waren.

Barbara Thein war nicht offiziell immatrikuliert, arbeitete und lernte jedoch unter Joseph Bonavita Blank  in dessen Naturalienkabinett und leistete dort bemerkenswerte Arbeit. Sie begann 1796 mit etwa 20 Jahren als Gehilfin in Blanks Kabinett. Nachdem dessen Sehvermögen nachließ, übernahm Barbara Thein das Erstellen der von Blank erfundenen „mosaischen Kunst“ aus Naturalien. Entlohnt wurde sie jährlich mit 200 Gulden, die ihr nicht von der Universität, sondern von Blank aus seinem eigenen Gehalt gezahlt wurden. Dieser musste sich zudem mehrfach für die Einstellung Theins bei der Universität rechtfertigen. 1804 übergab Bonavita Blank seine Sammlung der Universität Würzburg, knüpfte daran aber die Forderung nach einem jährlichen, von der Universität auszuzahlenden Gehalt für seine Gehilfin. Dies setzte er am Ende der Verhandlungen zwar durch, die Forderung wurde von der Universität allerdings viele Jahre verschleppt. 

Gesuch an den Kurfürsten um ein Gehalt

Im Jahr 1805 bezog die Sammlung einen Saal in der Alten Universität. Thein hatte dort die Aufgabe, sich um die Instandhaltung und Reparatur der Naturalien zu kümmern, Tiere zu präparieren und diese zu erhalten und sie begann damit, in ihrer übrigen Zeit selbst eigene mosaische Kunstwerke für das Kabinett anzufertigen. Besonders angemerkt wird in den Quellen ihre besondere Fähigkeit bei der Konservation von Präparaten mit Weingeist.  Ein Jahr nach dem Umzug des Kabinetts stand immer noch keine feste Regelung für die Bezahlung Theins fest. So beschloss sie, sich selbst mit einem Gesuch an den Kurfürsten zu wenden und um ein jährliches Gehalt zu bitten. Sie schickte ein mosaisches Bild mit dem Schreiben und zeigte damit Selbstsicherheit in ihrem Können und Wert. Professor Bonavita Blank verfasst für seine talentierte Gehilfin 1806 zudem ein Zeugnis, in dem er ihren Charakter und ihre Fähigkeiten preist und für ihre Bezahlung plädiert.  „Zufällig entwickelte sich ihr vorzügliches Genie zu der von mir erfundenen Kunstarbeit, welche sie nun schon in das zwölfte Jahr bei mir erlernt und sich dergestalt darinn vervollkommnet hat, daß sie die einzige ist, welche nach meinem Tode diese mosaische Kunst fortzusetzen, auch andere hierinn zu unterrichten im Stande seyn wird. Ferner ließ ich sie auf meine Kosten zur Zeit, wo das Cabinet noch mein Eigentum war, unterrichten in der Kunst, Thiere aller Art: als Säugethiere, Vögel, Ampibien, Fische, Raupen u.s.w. auszustopfen.“

Die Universitätsverwaltung lenkt ein

Thein hätte selbstständig mehr Geld verdienen können, Blank beschreibt, dass „Dieser Person […] von hohen Reisenden […] schon 5 bis 6hundert Gulden als jährliches Gehalt angetragen, wenn sie in ihren Dienst zu tretten Lust hätte“ , sie bevorzugte es jedoch in der Blankschen Sammlung zu bleiben. Mit Schreiben vom 28. Oktober 1806 erhielt sie die Nachricht, ihr solle auch nach dem Tode Blanks ein offizielles Gehalt gegeben werden, doch leider erfolgte keine Umsetzung dieser Anordnung von Seiten der Universität.  15 Jahre nach der Übernahme der Sammlung durch die Universität stand noch immer kein festes, von der Universität gezahltes, Gehalt für Barbara Thein fest.  Ein 1818 erschienener Artikel in der Würzburger Zeitung, welcher Thein für ihre Arbeit lobt, unterstreicht ihre Relevanz und ihr Können erneut: „Sie gelangte durch eigenes Nachdenken, durch angestellte Versuche und Prüfungen zu der Erfindung der bewährtesten Präservativmittel, wodurch die ausgestopften Thiere unbeschädigt erhalten, und vor jedem Verderben geschützt werden“ ; darüber hinaus war sie nicht nur künstlerisch tätig, sondern konnte auch vertiefte Kenntnisse in der Naturgeschichte, insbesondere im Bereich der Mineralogie vorweisen.  Dieser lobende Artikel führte möglicherweise zu einem Einlenken in der Universitätsverwaltung und man sicherte Thein endlich eine Besoldungszulage und das Recht auf freie Wohnung in der Universität sowie der Zuteilung von Buchenholz zum Heizen zu.

Abwerbeversuch aus St. Petersburg

Inzwischen war ihr Ruf bereits weit über Würzburg hinaus gedrungen. 1820 wurde sie in das großherzogliche Jenaische Museum und die mineralogische Gesellschaft aufgenommen und 1821 erhielt Barbara Thein die Würdigung als Ehrenmitglied der Wetterauischen naturforschenden Gesellschaft, in welcher auch Humboldt und Siebold angehörten. Eine öffentliche Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen, die für Frauen in dieser Zeit völlig außergewöhnlich war. Der Präsident der St. Petersburger mineralogischen Gesellschaft versuchte sie für ein Gehalt von 6000 Rubel für das St. Petersburger Naturalienkabinett zu engagieren, was sie ablehnte. 

1822 fertigte Carl Fesel ein Doppelportrait von Barbara Thein und ihrer jüngeren Schwester Katharina Thein an. Auf der Rückseite des Bildes sind Barbara Theins Erfolge festgehalten, zudem wird ihre Arbeit als mosaische Künstlerin erwähnt.   Katharina, die ihrer Schwester im Kabinett zur Hand ging, wird dagegen weder hier noch in kaum einer anderen Quelle bezüglich ihrer Arbeit genannt.

Klage gegen den akademischen Senat

Bonavita Blank starb 1827, mit 86 Jahren und hinterließ seine Sammlung und Kunstwerke der Alma Julia. Für Barbara Thein ging der Kampf um ihr Gehalt nach Blanks Tod aber weiter und sie bat um eine Erhöhung der Vergütung auf 800 Gulden. Mit den Nachfolgern Blanks in der Leitung des Kabinetts kam es zu Schwierigkeiten. 1828 verweigerte sie die Bearbeitung einiger Häute, da sie durch die Behandlung ähnlicher Stücke zuvor schwer erkrankt war.  Dies wurde ihr als Arbeitsverweigerung ausgelegt und mit Streichung des Gehaltes gedroht. Nach einer Klage Theins gegen den akademischen Senat erhielt sie jedoch 200 Gulden jährlich, um sich und ihre Schwester zu versorgen. Einer der beiden Professoren, welcher nach Blanks Tod das Kabinett leitete, beschrieb Thein 1831 als nutzlos und Platz versperrend und wollte einen neuen Gehilfen einstellen. In dieser Sache stand der akademische Senat jedoch hinter Barbara Thein.  Ihre Bemühungen bezüglich ihrer Bezahlungen gab Sie bis zuletzt nicht auf. Sie forderte 500 Gulden bis zu ihrem Lebensende. 1832 erfolgte die endgültige Auflösung der Sammlung, aus der sie 31 Stücke erhielt. Zehn Jahre später starb Barbara Thein.

Karl Ritter von Frisch (1886-1982)

Die Benennung des Karl-Ritter-von-Frisch-Wegs in der Nähe der damaligen Bienenstation wurde 1983 vorgenommen, um Karl Ritter von Frisch als bekannten Zoologen und Verhaltensforscher zu ehren, der 1973 mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet worden war, insbesondere für seine Forschungen über die Sinnes-wahrnehmung und Kommunikation von Bienen. Die Straßennamenkommission kam jedoch zur Empfehlung, ihm die Straßennamenwürde abzuerkennen oder zumindest zu kontextualisieren, da von Frisch in seinem populärwissenschaftlichen Werk „Du und das Leben“ eindeutig mit rassistischen Gedanken hervortrat, die „Mischung von Menschenrassen“ als Gefahr einordnete und die nationalsozialistischen „Rassegesetze“ lobte.

Er stand dem Nationalsozialismus persönlich zwar offenbar zurückhaltend gegenüber, setzte sich sogar 1939/40 erfolgreich für die Freilassung polnischer Wissenschaftler aus dem KZ Dachau ein. Doch er traf in „Du und das Leben“ eindeutige Einordnungen, die als Unterstützung für die nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen gegenüber Menschen mit Behinderungen begriffen werden konnten – und nutzte eine der NS-Propaganda sehr ähnliche Sprache. „Es ist davon auszugehen, dass er damit und durch die Verwendung des entsprechenden Vokabulars die rassistischen Maßnahmen des NS-Regimes und dessen Praxis der Zwangssterilisationen und des Krankenmords objektiv begünstigt hat“, so die Wertung der Straßennamenkommission.

Von: Universitätsarchiv / mit Material der Pressestelle der Stadt Würzburg

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