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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Die richtige Dosis Kulturschock

27.09.2016

Patricia Schätzler studiert an der Uni Würzburg Medienkommunikation im Master. Nach dem zweiten Semester ist sie für ein Auslandssemester nach Lateinamerika gegangen, zu Lamas und Verkehrschaos. Hier ihr Bericht:

So viel Klischee muss sein: der obligatorischen Schnappschüsse von Lamas in Machu Pichu.
So viel Klischee muss sein: der obligatorischen Schnappschüsse von Lamas in Machu Pichu.

 Dass ich in ein spanischsprachiges Land gehen würde, stand für mich nach einigen Kursen im Sprachenzentrum fest. Mit Erasmus nach Spanien bietet sich dann normalerweise als Erstes an, doch mich haben Würzburgs Partneruniversitäten in Lateinamerika mehr gereizt. Kolumbien und Ecuador kannte ich bereits von früheren Reisen, weshalb ich mich für Peru entschied. Nachdem alle Formalien erledigt waren, machte ich mich mit gemischten Gefühlen auf den Weg nach Lima; sowohl Abenteuerlust und Vorfreude als auch Beklemmung im Gepäck.

Kulturschock Straßenverkehr

Zehn Millionen Menschen wohnen in der Hauptstadt Perus und alle scheinen sich zur gleichen Zeit auf der Straße zu drängen. Die Autos quetschen sich auf eine Vielzahl an Spuren, mehr als die Markierung der Straße vorgibt. Kleinbusse überholen rechts, während der „Cobrador“, der Kassierer, beschwichtigend die Hand aus der offenen Tür des Fahrzeugs hält. Stoppt der Bus ruckartig, um Fahrgäste zu- und aussteigen zu lassen, ruft der Cobrador die Namen mehrerer Haltestellen, die für mich so nichtssagende Namen wie „Brücke“ oder „Kreisel“ tragen.

Die Gringa im Touristenviertel

Meine Unterkunft habe ich von Deutschland aus gesucht. Schließlich wollte ich mich nicht, wie viele andere, gleich nach der Ankunft in den Kampf um eine Wohnung stürzen. Leider war mein Zimmer schimmelig und die Wohnung von vier Katzen belagert. Der Fressnapf stand auf dem Kühlschrank, das Katzenklo vor meinem Zimmer – und dafür hätte ich auch noch 300 US-Dollar zahlen sollen.

Deshalb habe ich mir ziemlich schnell ein Zimmer im Stadtteil Miraflores gesucht. Dort konnte ich meinen Traum verwirklichen, nah am Meer zu leben und regelmäßig zu surfen. Dieses Viertel ist zwar das touristischste von ganz Lima, aber wenigstens fällt man hier als „Gringa“, also Weiße, nicht auf und kann sich, aufgrund der hohen Polizeipräsenz, mit einem sicheren Gefühl in den Straßen bewegen.

Internationales Studentenleben

Die Fahrt zur Universität dauerte für mich zwischen 45 Minuten und knapp zwei Stunden – je nach Verkehrslage. Meine Kurse fanden teils auf Spanisch, teils auf Englisch statt; das peruanische Unisystem erinnerte mich ein wenig an meine Schulzeit: viele Tests über das Semester verteilt und viele Hausaufgaben.

Andere internationale Studierende kennen zu lernen, geht an der Uni von Lima schnell. Die Mehrzahl von ihnen kam aus Deutschland oder Frankreich. Daher dauerte es auch nicht lange, bis man Trauben von “extranjeros“, also Ausländern, in ihren Muttersprachen auf dem Hof der Universität sprechen hörte. Weil für mich war klar, dass ich möglichst viel Spanisch reden und in die Kultur des Landes eintauchen wollte, suchte ich mir neben Freunden verschiedenster Nationalitäten auch Angebote aus dem Sport-und Kulturprogramm der Universität.

Reiselust

Mit seiner atemberaubenden Natur und seinen kulturellen Gepflogenheiten bietet Peru eine Vielzahl an Reisezielen – auch jenseits der obligatorischen Schnappschüsse von Lamas in Machu Pichu. Da ich einen ziemlich kompakten Stundenplan hatte, konnte ich eine Reihe von Kurzurlauben in mein Semester integrieren. Das Reisen in Peru ist wesentlich günstiger als in Europa, und so habe ich mich bei den Transportmitteln durch das gesamte Angebot hindurchprobiert. Auf diese Weise konnte ich Land und Leute auf eine besondere Art und Weise kennenlernen.

Eine ausgefallene Art in den Dschungel zu reisen, erlebte ich beispielsweise auf einer dreitägigen Fahrt mit einem Handelsboot von Yurimaguas bis nach Iquitos auf dem Amazonas. Dabei übernachteten wir in Hängematten und erlebten, wie die Einheimischen, deren Dörfer nur über das Wasser zu erreichen sind, Lebensmittel und andere Notwendigkeiten geliefert bekamen. Ähnlich intensiv waren die Eindrücke auf einer Fahrt mit dem Zug über die Anden von Huancavellica nach Huancayo – in eine der ärmsten Regionen Perus. Für die Einwohner des kleinen Ortes, die wahrscheinlich noch nie zuvor eine Weiße gesehen hatten, war ich wohl eine genauso große „Sehenswürdigkeit“ wie ihr Dorf für mich.

Erlebnischarakter besitzen auch die Reisebusse in Peru. Hier reicht die Bandbreite von wackeligen Sitzen, in denen man sich kaum zurücklehnen kann, bis hin zu um 180 Grad drehbare und durch einen Vorhang abtrennbare Sessel mit eigenem Entertainmentsystem.

Omas Sorge und meine Gelassenheit

Omas Sorge war immer, dass mir in einem „so gefährlichen Land“ etwas ganz Schlimmes passieren würde. Auch wenn Peru nicht das sicherste Land der Welt ist, habe ich mich nicht eingeschränkt gefühlt. Vielleicht hatte ich auch nur Glück, aber das Schlimmste während meines Aufenthalts war, dass meinem Freund, der aus Deutschland zu Besuch gekommen war, seine Jacke und Kamera praktisch unter dem Allerwertesten weggeklaut wurden.

Von meinem halben Jahr in Peru habe ich etwas sehr Wertvolles mitgenommen: Gelassenheit – auch wenn ich mir in dieser Zeit die Unpünktlichkeit der Latinos nicht wirklich angewöhnen konnte. Wenn jetzt der Bus eine Viertelstunde Verspätung hat, rege ich mich nicht auf, sondern genieße lieber die Sonnenstrahlen. Gerade in unserem hektischen Alltag bringt diese Einstellung deutlich mehr Lebensqualität. Daher lautet mein Fazit meines Auslandsaufenthaltes: „Paciencia ayuada a disfrutar la vida“ oder zu Deutsch: Geduld hilft, das Leben zu genießen!

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