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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Soziale Medien und Strafrecht

12.03.2024

Wo endet in den Sozialen Medien die Meinungsfreiheit, wo beginnen Beleidigungen und Hetze? Und wie können Behörden und Gesetzgeber reagieren? Danach fragt ein neues juristisches Forschungsprojekt.

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Ob das geltende Recht strafwürdige Verhaltensweisen in den Sozialen Medien ausreichend erfasst, wird in einem neuen juristischen Forschungsprojekt an der Uni Würzburg untersucht. (Bild: Colourbox.de / Lieferant #290236)

Facebook, YouTube, Instagram und X bestimmen die Kommunikation in unserer Gesellschaft genauso markant wie Messenger-Dienste. Sie machen den Alltag vieler Menschen um einiges einfacher, haben aber auch sehr dunkle Seiten: Hass, Hetze und Falschnachrichten verbreiten sich via X, Telegram & Co. massenhaft und mit enormer Reichweite. Wenn die abgesetzten Botschaften strafrechtlich relevant sind, sprechen Juristinnen und Juristen von Äußerungsdelikten.

Fließende Grenzen zwischen Meinung und Hetze

Gerade wenn politische Konflikte in den Cyberraum übertragen werden, sind die Grenzen zwischen zulässiger Meinungsäußerung und strafbarer Hetze oft fließend. Digitaler Hass, Hate Speech, Fake News und andere strafbare Inhalte müssen effektiv verfolgt werden. Allerdings darf dies in einer freien, offenen und demokratischen Informationsgesellschaft nicht dazu führen, dass die Chancen, die globale soziale Netzwerke bieten, durch Überregulierung verspielt werden.

Aus rechtstatsächlicher Sicht ist dabei interessant, wie weit entsprechende Delikte verbreitet sind und strafrechtlich relevante Äußerungen sich im virtuellen Raum verfolgen lassen. Darum befassen sich die JMU-Juraprofessoren Tobias Reinbacher und Frank Schuster in einem neuen Forschungsprojekt mit strafrechtlichen und strafprozessualen Fragen bei Äußerungsdelikten in Sozialen Medien.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt mit einer Fördersumme von rund 440.000 Euro. Das Geld wird in die Förderung von Doktorandinnen und Doktoranden fließen und für studentische Hilfskräfte verwendet. Daneben werden auch mehrere Tagungen zum Thema stattfinden.

Beleidigung und Volksverhetzung

„Wir möchten unter anderem untersuchen, ob das geltende Recht strafwürdige Verhaltensweisen in den Sozialen Medien ausreichend erfasst“, so die JMU-Professoren. Im Bereich der Äußerungsdelikte spielen dabei vor allem Beleidigungsdelikte, aber auch Volksverhetzung eine entscheidende Rolle.

Beleidigungen gelten in ihrer klassischen Form zwar nur als Bagatellkriminalität. „Doch im Internet können sie sich derart schnell und grenzenlos verbreiten, dass dies für die Betroffenen sehr gravierend sein kann“, sagt Tobias Reinbacher.

Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums waren acht Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren bereits selbst Opfer. 34 Prozent der Befragten kennen jemanden, der schon Opfer war – Opfer einer Form des Mobbings, die tödlich enden kann: Im Jahr 2022 beging eine österreichische Ärztin Suizid, nachdem sie zum Hass-Objekt von Impfgegnern geworden war.

Fake News können Wahlen beeinflussen

Eng damit verbunden ist das Phänomen der Fake News, also der gezielten Verbreitung von Unwahrheiten. Ziel dabei ist es, Einfluss auf die Meinung der Bevölkerung, den politischen Meinungsbildungsprozess und auf Wahlen zu nehmen.

Zur Verbreitung von Hate Speech und Fake News werden in Sozialen Medien oft so genannte Social Bots eingesetzt. Mit diesen KI-Tools werden Nachrichten erstellt, Beiträge kommentiert, geteilt oder „gelikt“. So lässt sich der Eindruck erwecken, dass sehr viele Menschen bestimmte Ansichten vertreten. Auf diese Weise lassen sich politische Meinungsbildungsprozesse steuern. Derartige Aktivitäten werden von den Straftatbeständen nicht abgedeckt, soweit es um die schlichte Weitergabe falscher Nachrichten ohne konkreten Ehrangriff geht.

Die tatsächliche Verfolgung

„Recht muss durchsetzbar sein“, sagt Frank Schuster. Darum liegt ein weiterer Schwerpunkt des Projekts auf strafprozessualen und rechtshilferechtlichen Fragen. Für das Projekt relevant sind vor allem die Ursachen für die Diskrepanz zwischen Hell- und Dunkelfeld sowie zwischen angezeigten Fällen und Verurteilungen. Kommt es häufig zu Einstellungen? Welchen Einfluss hat der Charakter der Äußerungsdelikte als Antrags- und Privatklagedelikte? Gibt es ein tatsächliches Verfolgungsdefizit? Bestehen rechtliche Hindernisse der Durchsetzbarkeit, insbesondere im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Charakter?

40 leitfadenbasierte Experten­interviews geplant

Hier soll eine eigene qualitative Untersuchung neue Erkenntnisse bringen und in die rechtpolitische Bewertung einfließen. Unterstützt werden die Professoren dabei von Dr. Tamina Preuß, Habilitandin am Lehrstuhl für Internationales Strafrecht.

Durch circa 40 leitfadenbasierte, teilstrukturierte Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten soll ermittelt werden, welche prozessualen Möglichkeiten (Ermittlungsmethoden) sowie normativen und praktischen, gegebenenfalls institutionellen Hindernisse bestehen und welche Tatbestandsmerkmale regelmäßig besondere Probleme bereiten.


Kontakt

Prof. Dr. Tobias Reinbacher, Leiter des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medienstrafrecht, Universität Würzburg, tobias.reinbacher@uni-wuerzburg.de, Webseite

Prof. Dr. Frank Schuster, Lehrstuhl für lnternationales Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Universität Würzburg, frank.schuster@uni-wuerzburg.de, Webseite

Von Robert Emmerich

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