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Bischof besichtigte Kiliansevangeliar

22.01.2019

Historische Handschriften von Weltrang gibt es in der Würzburger Universitätsbibliothek. Bischof Franz Jung und das Domkapitel besichtigten einige davon bei einer Sonderführung.

Hans-Günter Schmidt (links), Leiter der Universitätsbibliothek, präsentiert Bischof Franz Jung (rechts) und Domprobst Weihbischof Ulrich Boom das Kiliansevangeliar.
Hans-Günter Schmidt (links), Leiter der Universitätsbibliothek, präsentiert Bischof Franz Jung (rechts) und Domprobst Weihbischof Ulrich Boom das Kiliansevangeliar. (Bild: Markus Hauck / POW)

Das Kiliansevangeliar und andere ausgewählte historische Handschriften aus der „Würzburger Dombibliothek“ haben Bischof Dr. Franz Jung und das Würzburger Domkapitel am 15. Januar 2019 in der Würzburger Universitätsbibliothek in Augenschein genommen. Gastgeber und fachkundiger Besucherführer war Dr. Hans-Günter Schmidt, Leiter der Bibliothek.

Der Bischof dankte zum Abschluss für den informativen Einblick. „Gerade in diesen für die Kirche bewegten Zeiten ist es wichtig, dass wir uns auf die Tradition besinnen und erkennen, dass Kirche über Jahrhunderte der zentrale Bildungs- und Kulturträger war.“

Auftakt zum 400. Jubiläum

„Mit dem Jahr 1619 beginnt die kontinuierlich dokumentierte Geschichte der Bibliothek als zentrale universitäre Einrichtung“, sagte Schmidt bei der Begrüßung. Der Besuch der Bistumsleitung stelle gleichsam den Auftakt der Feierlichkeiten zum 400. Jubiläum dar. Zugleich zog Schmidt Parallelen zwischen Bibliothek und Bistum: „Für beide gilt es, einen wichtigen Umbruch gut zu gestalten. Bei uns ist es der Wechsel zwischen Buch und Digital.“ Während die Ausleihen rückläufig seien, steige die Zahl der Bibliotheksbesuche massiv.

Die Bibliothek des ehemaligen Würzburger Domstifts gehört zu den bedeutendsten Handschriftenensembles in Mitteleuropa. Herausragend ist insbesondere der einzigartige Bestand an frühmittelalterlichen Codices: Von den 214 heute noch in Würzburg erhaltenen Dombibliothekshandschriften datieren 94 aus dem fünften bis neunten Jahrhundert, unter ihnen insbesondere die größte Sammlung früher angelsächsischer und angelsächsisch beeinflusster Handschriften auf dem Kontinent. Diese werden in der Universitätsbibliothek unter hohen Sicherheitsstandards und klimatischen Idealbedingungen aufbewahrt.

„Bald nach der Gründung des Bistums im Jahre 742 muss der Grundstein für diese einmalige Bibliothek gelegt worden sein, die bis zur Säkularisation 1803 zum Domstift in Würzburg gehörte“, erklärte Schmidt. Wenn es auch schwerfalle, die Geschichte der Bibliothek durch die Jahrhunderte genau nachzuzeichnen, blieb ihr Ruf doch ungebrochen. Noch im 18. Jahrhundert habe für Bildungsreisende bei einem Würzburg-Aufenthalt ein Besuch der Dombibliothek fest zum Programm gehört.

Kiliansevangeliar entstand in Nordfrankreich

Das erste Buch, das Bischof und Domkapitel im Lesesaal für Sondersammlungen gezeigt bekamen, war das Kiliansevangeliar. Dieses entpuppte sich zur Überraschung der Gäste als relativ klein. Zuletzt sei es bei der Amtseinführung von Bischof Dr. Paul-Werner Scheele in der Liturgie im Kiliansdom eingesetzt worden. „Aus konservatorischen Gründen ist das heute nicht mehr möglich“, betonte Schmidt. Als Zeichen des Wohlwollens habe er sich aber gerne bereit erklärt, den Kirchenvertretern diesen Termin zu ermöglichen.

Mehrfach sei das Evangeliar, das im sechsten Jahrhundert in einem Skriptorium in Nordfrankreich entstand, im Lauf der Geschichte überarbeitet worden. So sei im elften Jahrhundert als Einbandschmuck die Elfenbeinschnitzerei hinzugekommen, die aus einem auf solche Kunst spezialisierten Kloster im heutigen Erzbistum Bamberg stammt. Unter Bischof Lorenz von Bibra zu Beginn des 16. Jahrhunderts sei dann der schwere silberne Rahmen mit Reliquien und Edelsteinen hinzugekommen. „Das Buch hat immer 'gelebt', ist mehrfach umgebunden und neu gestaltet worden, jede Generation hat es ihrem Zeitgeschmack und ihren Bedürfnissen angepasst“, hob Schmidt hervor.

Aus Sicht von Bücherexperten jedoch weitaus wertvoller sei beispielsweise ein anderes Evangeliar, das farbenprächtig bebildert ist und Anfang des neunten Jahrhunderts unter Bischof Wolfger erworben wurde. Als Besonderheit finde sich in diesem Buch eine Beschreibung der geografischen Grenzen des Würzburger Herrschaftsgebiets und die kalligraphierte Warnung der jenseitigen drakonischen Strafen, die den treffen würden, der sich unrechtmäßig des wertvollen Bands bemächtigt. Eine besonders gleichmäßige und schön lesbare Schrift ist das Kennzeichen des im zweiten Drittel des neunten Jahrhunderts in Fulda entstandenen, etwas kleineren Evangeliars.

Altirische Handschriften aus dem achten Jahrhundert

Einen Blick auf alte europäische Bezüge gab Kerstin Kornhoff den Besuchern mit altirischen Handschriften aus dem späten achten Jahrhundert. Die eine enthält Paulusbriefe, die mit viel Platz zwischen den Zeilen geschrieben sind. Verschiedene Schreiber haben Glossen, unter anderem auf Altirisch, hinterlassen.

„Anhand dieser haben Sprachwissenschaftler diese Sprache rekonstruiert. Wenn wir also irische Gäste haben, gehört dieses Buch immer zu den Exemplaren, die wir zeigen.“ Bei dem anderen Buch, einem Matthäus-Evangelium, finden sich hineingebunden auch kleine Zettel mit Anmerkungen, also das, was man heute „wissenschaftlicher Apparat“ nennen würde.

Aus der Schreibstube eines Kitzinger Klosters

Auch speziell auf Bischof Jung zugeschnittene Elemente gab es bei der Präsentation der Handschriften: Schmidt hatte eigens den Satz aufschlagen lassen, der Grundlage für des Bischofs Wahlspruch "Spem anchoram animae" ist. Das verwendete Buch ist laut Kornhoff im achten Jahrhundert wohl in der Schreibstube eines Kitzinger Frauenklosters entstanden.

Besonders sei eine darin enthaltene Illustration mit dem Gekreuzigten. Diese zeige einerseits viele Verweise auf typisch irische Bildsprache, unterscheide sich aber in vielen Details deutlich davon. Für Erheiterung sorgten die zahlreichen Grammatik- und Orthografiefehler im lateinischen Text des Hebräerbriefs, der in angelsächsischer Minuskel verfasst war.

Mehr als zwei Stunden dauerte die Führung, bei der auch ein Graduale aus dem früheren Besitz von Stift Haug mit der Kilianssequenz und ein Missale aus dem 14. Jahrhundert gezeigt wurden. Letzteres wurde unter Bischof Rudolf von Scherenberg im 15. Jahrhundert durch Inkunabelseiten erweitert, also durch Frühdrucke. Das erläuterte Dr. Oliver Weinreich, Leiter der Handschriftenabteilung und Fachreferent für Theologie der Universitätsbibliothek.

Dombibliothek ist komplett digitalisiert

Die Handschriften der Würzburger Dombibliothek sind von der Universitätsbibliothek im eigenen Digitalisierungszentrum komplett digitalisiert worden. Sie können im Internet betrachtet werden:
http://libri-kiliani.eu/

Mehr Fotos vom Besuch des Bischofs auf den Webseiten des Bistums Würzburg

Weitere Bilder

Von Markus Hauck / POW

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