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Biobasierte Produkte in Behörden ein Zukunftsthema

23.01.2018

Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen spielen im Einkauf der Öffentlichen Hand noch keine größere Rolle. Warum das so ist, haben Wirtschaftswissenschaftler der Universität Würzburg untersucht.

Forschungsteam
Es gibt noch viele Hürden im Einkauf der Öffentlichen Hand von biobasierten Produkten. Das untersuchten (v. l.) Ronald Bogaschewsky, Michael Broens, Felix Blank und Jennifer Fischer. (Foto: Gunnar Bartsch)

Zwischen 250 und 400 Milliarden Euro gibt die Öffentliche Hand in Deutschland jedes Jahr für den Einkauf neuer Produkte und Dienstleistungen aus. Nur ein geringer Prozentsatz davon fließt in Waren, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Mögliche Ursachen haben Wirtschaftswissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im vergangenen Jahr untersucht. Jetzt liegen die Ergebnisse der Studie der Auftraggeber- und Anbieterseite vor.

Positive Grundhaltung bei Einkäufern

„Die umweltfreundliche Beschaffung im Allgemeinen und insbesondere die mit biobasierten Produkten ist noch lange nicht überall in der Praxis angekommen, aber ein Thema mit Zukunft“, fasst Professor Ronald Bogaschewsky das zentrale Ergebnis der Studie zusammen. Bogaschewsky ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Industriebetriebslehre an der JMU und Leiter der Untersuchung. Für die Durchführung verantwortlich war Dr. Michael Broens, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl.

Mehr als 1.000 öffentliche Auftraggeber haben sich an der Einkäufer-Befragung beteiligt. „Aus ihren Antworten ergibt sich deutlich eine große Diskrepanz zwischen der grundsätzlich positiven Einstellung zu biobasierten Produkten und der in der Praxis kaum stattfindenden Beschaffung solcher Produkte andererseits“, sagt Michael Broens.

Vielfältige Hürden in der Einkaufspraxis

Als wichtigste Hürden für die Beschaffung von biobasierten Produkten benannten die Einkäufer eine Reihe von Punkten: Der Beschaffungspreis wird von vielen als zu hoch empfunden. „Budgetbedingt fokussieren Verwaltungen oftmals nur den Einstandspreis, ohne produktspezifische Vorteile bei der Kaufentscheidung eingehend zu berücksichtigen. Auch werden die geringeren Kosten in der Nutzungs- und Entsorgungsphase sowie die geringere Umweltbelastung oftmals unzureichend berücksichtigt“, so der Wirtschaftswissenschaftler.

Hohe Unsicherheit bestehe auch bezüglich rechtlicher Fragen und über das vorhandene Produktangebot. In vielen öffentlichen Verwaltungen mangele es an Ressourcen, um Beschaffungsmärkte intensiv zu sondieren und sich mit dem rechtskonformen Einkauf biobasierter Produkte zu befassen. Darüber hinaus genieße die ökologisch nachhaltige Beschaffung vielfach noch keine hohe Priorität. Und Anreize für diese derzeit noch besondere Art der Beschaffung fehlten.

Die Studie zeigt aber, dass die Qualität, Leistung und Technik von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen zumeist als mindestens gleichwertig bewertet werden. Die ökologische und soziale Nachhaltigkeit werden im Vergleich zu konventionellen Produkten deutlich höher eingeschätzt.

Öffentliche Aufträge für viele Unternehmen noch Neuland

Auf der Anbieterseite haben 185 Unternehmen den Online-Fragebogen der JMU beantwortet. Das biobasierte Produktportfolio dieser Unternehmen ist nach eigener Einschätzung zu großen Teilen für die öffentlichen Verwaltungen relevant. Dies steht im Widerspruch zur Tatsache, dass sich nur vergleichsweise wenige dieser Unternehmen in den vergangenen Jahren tatsächlich um öffentliche Aufträge beworben haben.

Die wichtigsten Ursachen zeigt ebenfalls die Auswertung der Studie auf: „Die Problematik der höheren Preise der biobasierten Produkte bei gleichzeitiger Fokussierung der Verwaltungen auf Einstandspreise sehen auch die Anbieterunternehmen“, erklärt Michael Broens.  

Fehlende Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten zu beziehungsweise mit den öffentlichen Auftraggebern sind ein weiteres Problem, das viele Anbieter benannten. Gleichzeitig fehlen den Anbietern Kenntnisse über Marketingaktivitäten, die sich für den öffentlichen Sektor eignen. Schließlich beklagen sie hohe bürokratische Hürden, beispielsweise  bei der Angebotserstellung, und fehlende Informationen über relevante Gesetze und Richtlinien.

Trotz dieser Einschränkungen sehen die befragten Unternehmen die öffentliche Hand als relevante Zielgruppe an. So gehen sie künftig von einer Steigerung gezielt biobasierter Ausschreibungen sowie der eigenen Bereitschaft, sich auf diese zu bewerben, aus.

Abbau von Hürden ist wichtig

Beide Seiten, Einkäufer und Anbieter, stehen einer biobasierten Beschaffung also grundsätzlich positiv gegenüber und sehen in diesem Bereich Wachstumspotenziale. Das Forscherteam der JMU folgert, dass zur Realisierung dieser Potenziale ein Abbau der genannten Hürden essenziell ist. Öffentliche Auftraggeber, Anbieter und auch alle Politikebenen seien hier gleichermaßen gefordert.

Damit beide Marktseiten gemeinsam am Abbau der bestehenden Probleme arbeiten können, hat das Team zudem eine kostenfreie und komfortable Kommunikationsplattform entwickelt: Öffentliche Einkäufer und Anbieter biobasierter Produkte können sich innerhalb des bereits etablierten Verwaltungs- und Beschaffernetzwerks an der „Expertengruppe Biobasierte Produkte“ beteiligen, dort austauschen und informieren. Unter anderem sind dort Materialien zu „Best Practices“ und „Lessons Learned“ vorgesehen. Einkäufer und Anbieter können sich bei Interesse registrieren.

Hintergrund

Biobasierte Produkte bestehen anteilig oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen. Sie ersetzen Produkte aus nicht regenerativen Ressourcen wie Erdöl. Außerdem weisen sie häufig Umweltvorteile auf, etwa bei der Entsorgung: Ihre Verbrennung oder Vergärung ist klimafreundlicher als die erdölbasierter Produkte, da aus dem Produkt selbst nur die Menge CO2 frei wird, die die Pflanzen zuvor im Wachstum gebunden haben. Der Herstellungsaufwand ist dem noch hinzuzurechnen.

Dieser Artikel basiert auf einer Pressemeldung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe.

Kontakt

Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Industriebetriebslehre,
T: +49 931 31-82936, boga@uni-wuerzburg.de

Dr. Michael Broens, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Industriebetriebslehre
T: +49 931 31-83740, michael.broens@uni-wuerzburg.de

Komplette Auswertung der Studie:

Öffentliche Auftraggeber

Anbieterunternehmen

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