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Auf der Suche nach dem magischen Moment

26.10.2021

Madeleine Jotz Lean ist neue Professorin für Geometrie am Institut für Mathematik. Sie erforscht Symmetrien und höhere Strukturen in der Differentialgeometrie.

Sie hat in Freiburg studiert, wurde in Lausanne promoviert und war zuletzt in Göttingen. Jetzt ist Madeleine Jotz Lean neue Professorin an der Uni Würzburg.
Sie hat in Freiburg studiert, wurde in Lausanne promoviert und war zuletzt in Göttingen. Jetzt ist Madeleine Jotz Lean neue Professorin an der Uni Würzburg. (Bild: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg)

Man kann eine gerade Strecke von einem Punkt zu einem anderen Punkt ziehen. Man kann um jeden Punkt einen Kreis mit einem beliebigen Radius schlagen. Alle rechten Winkel sind einander gleich: Insgesamt fünf solcher sogenannten Axiome hat der griechische Mathematiker Euklid vor gut 2.300 Jahren in seinem grundlegenden Werk zur Geometrie formuliert.

Doch erst vor etwa 200 Jahren konnte die Wissenschaft die Frage beantworten, ob möglicherweise eines dieser Axiome redundant ist, das heißt: ob es sich aus den anderen Axiomen herleiten lässt. Und die dazugehörigen anschaulichen Modelle sind nicht einmal 20 Jahre alt. „Man sieht: In der Geometrie ist noch längst nicht alles erforscht. Im Gegenteil: Wenn man erst mal drin ist, gibt es keine Grenzen mehr“, sagt Madeleine Jotz Lean.

Kreativität plus Freude am Rätseln

Die Mathematikerin ist seit August 2021 Professorin am Lehrstuhl für Mathematik X (Mathematische Physik) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Geometrie ist ihr Spezialgebiet. „Mathematik hat mir schon immer Spaß gemacht, von daher war mir spätestens in der Oberstufe klar, dass ich das Fach studieren würde“, sagt sie. Was sie dann auch getan hat – an der Universität Freiburg, auf Diplom und mit Physik im Nebenfach.

„Zur Mathematik gehört einerseits sehr viel Kreativität, andererseits nimmt das Rätseln einen großen Teil ein“, antwortet Jotz Lean auf die Frage, was sie an dieser Wissenschaft fasziniert. Als Mathematikerin entwickele sie Konzepte und entdecke neue Strukturen. Und wenn am Ende alles zusammenpasst, sei es magisch. Dazu komme, dass Mathematik ein „sehr kommunikatives Fach“ sei. Das Gespräch, der Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sei wesentliches Element der Forschung.

Strukturen in vielen Dimensionen

Lie n-Algebroide und n-Gruppoide, Poisson Geometrie und vielfache Vektorbündel: So lauten die Schlagworte zu den Forschungsschwerpunkten von Madeleine Jotz Lean. Oder, etwas einfacher formuliert: „Ich interessiere mich für Symmetrien und höhere Strukturen in der Differentialgeometrie“.

Ein Beispiel dafür: Die Oberfläche der Erde, einer Kugel, lässt sich gut auf Karten darstellen. Damit alles passt, müssen auch die Übergänge von einer Karte zur anderen, also die Ränder, miteinander übereinstimmen. Wie das geht, damit beschäftigt sich die Differentialgeometrie – längst allerdings nicht nur in den zwei Dimensionen einer Kartendarstellung, sondern in beliebig vielen Dimensionen.

Einen praktischen Nutzen hat ihre Forschung noch nicht, sagt die Mathematikerin, wobei die Betonung auf „noch“ liegt. Das sei aber häufig so in diesem Fach. Ein Beispiel dafür: „Die Pioniere der Zahlentheorie hatten keine Ahnung davon, dass ihre Erkenntnisse mal dazu dienen würden, die Verschlüsselungstechnik, beispielsweise für Bezahlvorgänge im Internet, zu verbessern.“

Es gibt aber auch andere Beispiele: „Während meiner Doktorarbeit habe ich mich mit speziellen Bereichen der geometrischen Mechanik beschäftigt“, sagt sie. Da sei das praktische Nutzen viel konkreter gewesen.

Forschung mit Stift und Papier

Wie arbeitet eine Professorin der Geometrie, wenn sie forscht? Programmiert sie, modelliert sie, lässt sie Hochleistungsrechner ihre Gleichungen überprüfen? Völlig falsch! „Den Computer nutze ich eigentlich nur, wenn ich ein Paper verfasse“, sagt die Professorin.  Sie nähert sich vielmehr schreibend ihrem Thema an, wobei das Schreiben bisweilen auch in ein Kritzeln übergeht. Dann natürlich mit viel Nachdenken und irgendwann auch Rechnen.

Sehr theoretisch sei ihre Art der Forschung. Am Anfang steht eine Idee, gefolgt von der Suche nach dem Beweis mit der treffenden mathematischen Gleichung. Einzig ein Tablet liefert ihr dabei technische Unterstützung, aber das eigentlich auch nur als Ersatz für Papier und Bleistift – „weil sich auf dem Tablet meine Notizen so leicht hin- und herschieben und umgruppieren lassen.“

Bereichernde Lehre

Dass sie das jetzt in Würzburg machen kann, findet Madeleine Jotz Lean hervorragend. Besonders angetan hat es ihr der Lehrstuhl für mathematische Physik, der genau ihren Interessen entspricht. „Wir haben eine gemeinsame Sprache“, sagt sie. Überhaupt biete die das Institut für Mathematik der Universität Würzburg eine sehr gute Umgebung für ihre Forschung, und die freundliche Atmosphäre des Lehrstuhls sei sehr stimulierend. Mit derzeit vier Dozentinnen und Dozenten im Bereich der Differentialgeometrie könne die Uni ihren Studierenden eine sehr gute Ausbildung in diesem Bereich bieten.

Mit ihren Lehrveranstaltungen deckt die Mathematikerin ein breites Spektrum ab – von Studierenden für das Lehramt an Grundschulen bis hin zum Master in Mathematischer Physik. Und obwohl sie sich eigentlich mehr als Forscherin versteht, freut sie sich auch auf die Lehre. Die Vorbereitung sei zwar zeitintensiv, aber auch unglaublich bereichernd, weil die Inhalte nah an der Forschung bleiben. Und, was man auf keinen Fall unterschätzen dürfe: „Wenn man eine spezialisierte Vorlesung hält, lernt man selbst sehr viel.“

Zur Person

Madeleine Jotz Lean ist in Nordfrankreich geboren und im Elsass aufgewachsen. Nach dem Besuch des Deutsch-Französischen Gymnasiums in Freiburg hat sie Mathematik mit dem Nebenfach Physik in Freiburg studiert. Promoviert wurde sie 2011 an der EPF in Lausanne mit einer Arbeit im Gebiet der Differentialgeometrie und Geometrischen Mechanik.

Weitere Station ihrer akademischen Laufbahn waren die Postdoc-Zeit als Dorothea-Schlözer-Stipendiatin an der Universität Göttingen, ein Forschungsaufenthalt an der University of California in Berkeley sowie ein Fellowship an der University of Sheffield, Großbritannien.

2016/17 hat sie eine W3-Professur an der Universität Göttingen vertreten, von 2017 bis 2021 war sie dort Juniorprofessorin. Seit August 2021 hat Madeleine Jotz Lean die W2-Professur für Geometrie an der Universität Würzburg inne.

Kontakt

Prof. Dr. Madeleine Jotz Lean, Institut für Mathematik, T: +49 931 31 87977, madeleine.jotz-lean@mathematik.uni-wuerzburg.de

Ein Video-Interview mit Madeleine Jotz Lean ist auf dem Youtube-Kanal der Uni Würzburg zu sehen.

Von Gunnar Bartsch

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