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Würzburg auf neuen Wegen: Bürgerrat für gerechte Mobilität gestartet

17.06.2025

Es ist eine Premiere: Noch im Juni nimmt der erste Würzburger Zukunftsrat die Arbeit auf. Aktuell läuft die Auswahl seiner Mitglieder. Sie sollen sich Gedanken machen über ein Mobilitätskonzept, das in die Zukunft reicht.

Diskutieren, Ideen entwickeln und Empfehlungen ausarbeiten: Dieser Aufgabe werden sich die Mitglieder des Würzburger Zukunftsrats stellen.
Diskutieren, Ideen entwickeln und Empfehlungen ausarbeiten: Dieser Aufgabe werden sich die Mitglieder des Würzburger Zukunftsrats stellen. (Bild: Thawatchai Images / Adobe Stock)

„Gerechtigkeit in der Mobilität“: So lautet das Thema, mit dem sich der erste Würzburger Bürgerrat, in den kommenden Wochen beschäftigt. Seine voraussichtlich 35 Mitglieder sollen Empfehlungen für ein zukünftiges Verkehrskonzept erarbeiten, die sie zum Abschluss dem Würzburger Oberbürgermeister, dem Stadtrat und der Verwaltung vorstellen werden. Im Idealfall fließen diese Empfehlungen dann in den „Mobilitätsplan 2040“ ein, den die Stadt aktuell erstellen lässt.

„Wir haben in den vergangenen Tagen 1.000 Briefe an Menschen in ganz Würzburg verschickt, in denen wir sie darum bitten, sich am Bürgerrat zu beteiligen“, erklärt Ulrike Zeigermann. Die Wissenschaftlerin ist Juniorprofessorin für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Würzburg und Initiatorin des Projekts, das bei ihr unter dem Namen „Würzburger Zukunftsrat“ läuft.

Ein Projekt gegen Politikverdrossenheit

Zeigermann geht es nicht nur darum, den Verkehr in Würzburg zu verbessern. Für die Politikwissenschaftlerin stehen andere Fragen im Fokus: Gemeinsam mit ihrem Team will sie am Beispiel des Würzburger Bürgerrats unter anderem untersuchen, inwieweit solche Organe die Akzeptanz für demokratische Prozesse in der Bevölkerung steigern und damit der vielbeklagten Politikverdrossenheit entgegenwirken können.

„Bürger*innenräte sind Foren, in denen zufällig ausgewählte Bürger*innen stellvertretend für die Bevölkerung zeitlich begrenzt zusammenkommen und kollektiv zu politischen Fragen beraten.“ So lautet die Definition auf der Internetseite Buergerrat.de, einem Projekt des Fachverbands „Mehr Demokratie“. Weitere Kriterien sind: Bürgerräte nehmen nur eine beratende Funktion ein, die Teilnahme daran ist freiwillig.

Dementsprechend gespannt ist Ulrike Zeigermann jetzt, wie die Resonanz auf die verschickten 1.000 Einladungen ausfällt. „Die Erfahrungen aus vergleichbaren Städten zeigen, dass wir mit einer Rücklaufquote von etwa fünf Prozent rechnen dürfen“, sagt sie. Das wären dann 50 Interessierte, die sich vorstellen können, bei dem Projekt mitzumachen – und das sollte reichen: Maximal 35 Mitglieder wird der Zukunftsrat haben – so der Plan des Projektteams.

Ein ungefähres Abbild der Stadtbevölkerung

„Die von uns angeschriebenen Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Wir haben allerdings darauf geachtet, dass es sich um eine möglichst repräsentative Gruppe handelt, wenn es um Faktoren wie Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und die Verteilung über die Stadt geht“, erklärt Zeigermann. Für den Fall, dass es mehr Bewerbungen als Plätze gibt, könne das Team noch eine „Feinjustierung“ vornehmen. Am Ende soll der Zukunftsrat so vielfältig wie möglich zusammengesetzt sein und die Stadtbevölkerung möglichst genau abbilden.

Mit der konkreten Arbeit beginnen die Mitglieder des Zukunftsrats am 27. Juni 2025. An diesem und am folgenden Tag werden sie sich kennen lernen und über ihre eigenen Mobilitätserfahrungen austauschen. Zusätzlich können sie Expertinnen und Experten Fragen rund um das Thema „Mobilität in Würzburg“ stellen. Dabei wird es unter anderem um die besonderen Herausforderungen in der Stadt gehen, aber auch um die Frage, welche Möglichkeiten die Stadt überhaupt hat, etwas zu verändern. „Es bringt ja nichts, wenn der Zukunftsrat beispielsweise Tempo 30 auf dem Mittleren Ring fordert, weil es sich dabei um eine Bundesstraße handelt, für die die Stadt gar nicht zuständig ist“, so Zeigermann. Anschließend werden Kleingruppen einzelne Unterthemen behandeln.

Das nächste Treffen steht knapp drei Wochen später im Terminkalender. Bis dahin können die Mitglieder des Bürgerrats die neuen Informationen verarbeiten, ihren Blick auf den Verkehr mit ihrem Wissen neu justieren, sich aus eigenem Antrieb weiter informieren und mit anderen Menschen austauschen. Am 19. Juli sollen sie ihre Ergebnisse abschließend bearbeiten und in Empfehlungen einfließen lassen. Danach erfolgt nur noch der Feinschliff an dem Gutachten.

Mobilität: Ein Thema, das vielen unter den Nägeln brennt

„Auf das Thema ‚Mobilität‘ hat uns unsere frühere Umfrage zur sozialen Resilienz in Stadt und im Landkreis Würzburg gebracht“, erklärt Ulrike Zeigermann. Auf die Frage nach den drängendsten Problemen wurde damals von den Befragten der Punkt „Mobilität“ am häufigsten genannt. Auch bei weiteren Umfragen an Infoständen in der Stadt oder auf dem Zukunftsfest sei dieses Thema an erster Stelle gestanden. Und noch ein Aspekt habe für diese Wahl den Ausschlag gegeben: „Wir knüpfen damit an Prozesse an, die in der Stadt bereits im Gang sind“, so Zeigermann. In diesem Fall ist das die Tatsache, dass Würzburg aktuell an einem Mobilitätsplan 2040 arbeitet. Die Empfehlungen des Zukunftsrats können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Wenn der Bürgerrat die Empfehlungen weitergegeben hat, ist die Arbeit von Ulrike Zeigermann und ihrem Team noch lange nicht beendet; dann beginnt die wissenschaftliche Auswertung. „Die zentrale Frage dabei ist: Können Bürgerräte die Akzeptanz für demokratische Prozesse erhöhen? Machen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Erfahrung, dass Deliberation zwar schwierig ist, es aber wichtig ist, sich darauf einzulassen? Denn das ist ja der Anspruch von Bürgerräten“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Wie nimmt die Politik die Empfehlungen auf? Wie nehmen Bewohnerinnen und Bewohner Würzburgs die Arbeit des Zukunftsrats wahr? Sind im Laufe der Beratungen neue Ideen entstanden? Diese und viele weitere Fragen wird das Team untersuchen. Auf die Ergebnisse sind dessen Mitglieder selbst gespannt: „Bei dem Zukunftsrat handelt es sich auch für uns um ein großes Experiment, und wir wissen noch nicht, was dabei herauskommt.“

Mehr Informationen

Kontakt

Prof. Dr. Ulrike Zeigermann, Juniorprofessur für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung, T: +49 931 31-83142, ulrike.zeigermann@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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