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Wenn Frauen belästigt werden

07.12.2021

Catcalling und andere Formen von Belästigung – strafwürdig, strafbar oder bloß unangemessen? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Vortrag an der Juristischen Fakultät.

Ein Mann ruft einer Frau anzügliche Bemerkungen zu – dafür hat sich der Begriff „Catcalling“ eingebürgert.
Ein Mann ruft einer Frau anzügliche Bemerkungen zu – dafür hat sich der Begriff „Catcalling“ eingebürgert. (Bild: innovatedcaptures / iStock.com)

Viele Frauen haben das schon selbst erlebt: Auf offener Straße bekommen sie von Männern Kommentare mit Bezug auf ihr Aussehen zu hören. Für diese Art der Belästigung hat sich seit einiger Zeit der verharmlosende Ausdruck Catcalling („die Katze rufen“) etabliert. Noch häufiger dürfte es vorkommen, dass Frauen in den Sozialen Medien belästigt oder auch beschimpft werden.

Wie erfasst das Strafrecht derartige Belästigungen? Darum ging es in einem Vortrag, den Juraprofessor Eric Hilgendorf und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Enis Tiz für Studierende anboten: „Catcalling und andere Formen von Belästigung – strafwürdig, strafbar oder bloß unangemessen?“ Die Antworten auf diese Frage sind je nach Einzelfall nicht immer einfach zu finden. Das liegt auch daran, dass das Strafrecht auf diesem Gebiet teils verbesserungsbedürftig ist.

  • Aus einem Auto heraus pfeifen drei Männer einer jungen Frau hinterher und fahren weiter.
  • Eine Gruppe Jugendlicher erklärt einer 35jährigen Frau, sie sei trotz ihres Alters noch schön und sie würden sie gerne „ficken“.
  • A und B dringen in eine Frauendusche ein und fotografieren die Personen, die dort duschen.

Das sind einige der Fälle, die Eric Hilgendorf in seinem Vortrag thematisierte.

Für die Sache mit der Frauendusche könnte der Strafrechtsparagraph 184k relevant sein: Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen. „Der greift hier aber nicht, und das ist seltsam“, so der Professor. Eine Einschätzung, die auch juristische Laien teilen dürften.

Zu stark auf einen Tatbestand fixiert

Was das Manko des Paragraphen ist: Er wurde 2020 als Maßnahme gegen das „Upskirting“ ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Hinter diesem Ausdruck verbergen sich Fälle, bei denen Männer Frauen heimlich unter den Rock fotografieren oder filmen. Passgenau für solche Taten ist der Paragraph auch formuliert:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer … absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind, …“

Das Problem ist der Zusatz „soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind“. Denn damit wird das unerwünschte Fotografieren von Genitalien in Duschen, Saunen oder FKK-Bereichen nicht erfasst. „Der 184k geht in die richtige Richtung. Aber er fängt nur eine ganz punktuelle Situation ein und wird darum überarbeitet werden müssen“, so Eric Hilgendorf. Dieses Beispiel zeige, dass man beim Erlassen von Gesetzen nicht zu stark auf Einzelfälle schauen und nicht übereilt vorgehen dürfe: „Sonst hetzt man den Straftaten immer hinterher.“

Um den 184k besser zu machen, seien vor allem empirische Daten nötig – doch die sind im Bereich der Beleidigung und Belästigung weitgehend Mangelware: Welche Taten werden wie häufig in welchem Umfeld begangen? Was charakterisiert die Täter – oder die selteneren Täterinnen? Fundierte Antworten auf solche rechtssoziologischen Fragen sind nötig um Gesetze zu formulieren, die nicht nur einzelne Falltypen, sondern ein möglichst breites Spektrum von Taten erfassen.

Pfiffe beinhalten keine Behauptung

Und die anderen Fälle? Wenn Männer einer Frau nachpfeifen, mit der Zunge schnalzen oder sonstige anzügliche Geräusche machen? Das ist Catcalling im engeren Sinne. Beleidigung oder Belästigung? „Durch Pfiffe behaupten die Männer nichts, sie setzen die Frau nicht verbal herab. Das ist strafrechtlich nicht zu greifen“, so Hilgendorf.

Die Jugendlichen, die einer Frau Attraktivität bescheinigen und ihr Geschlechtsverkehr „anbieten“? Übrigens ein Fall, der in Würzburg tatsächlich passiert ist. Laut Hilgendorf ist er als Sexualbeleidigung relevant, „aber hier macht der Bundesgerichtshof Probleme“. Denn der hat in diesem Zusammenhang geurteilt: „Ein Angriff auf die Ehre liegt vor, wenn der Täter einem anderen zu Unrecht Mängel nachsagt, die, wenn sie vorlägen, den Geltungswert des Betroffenen minderten.“ Und die Jugendlichen hätten hier eben keine Aussage gemacht, die den Geltungswert der Frau herabsetzt.

Bei Prävention nicht nur aufs Strafrecht setzen

Fazit nach dem Vortrag: Ein weites Feld, dessen strafrechtlicher Rahmen teils reformbedürftig ist. Aber: „Bei rein verbalen Sexualbeleidigungen alleine auf das Strafrecht zu setzen, wäre naiv. Denn wir wissen, dass härtere Strafen bei Sexualdelikten kein bisschen präventiv wirken, das berührt die Täter gar nicht“, erklärte Eric Hilgendorf. „Wir müssen auch andere Präventionsmaßnahmen finden, die besser greifen. Erziehung, Bildung, Integration – da wird noch zu wenig getan.“

Doch vorher habe eine pluralistische Gesellschaft mit unterschiedlichen Verhaltensstandards grundlegende Dinge zu klären. Wie beurteilt sie massive Respektlosigkeiten mit sexuellem Bezug? Gibt es einen Maßstab, auf den sich alle einigen und den man einem Strafgesetz zugrunde legen könnte?

Eine Diskussion, zu der schon jetzt alle beitragen können: „Sprechen Sie mit Ihrer Familie und in Ihrem Freundeskreis über solche Fragen!“ Dazu forderte Enis Tiz die Studierenden in seinem Schlusswort auf.

Von Robert Emmerich

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