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Schutzraum vor psychischen Störungen

02.11.2021

Vor knapp zwei Jahren hat das Deutsche Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit an der Universität Würzburg die Arbeit aufgenommen. Ein Neubau soll den Forschungsteams schon bald optimale Bedingungen bieten.

Die Baugrube für den Neubau des DZPP. Direkt dahinter der Rohbau für ein neues Wohnheim des Studentenwerks, rechts die Waben des Kinder- und Familienzentrums der Universität.
Die Baugrube für den Neubau des DZPP. Direkt dahinter der Rohbau für ein neues Wohnheim des Studentenwerks, rechts die Waben des Kinder- und Familienzentrums der Universität. (Bild: Staatliches Bauamt Würzburg)

Schon vor der Corona-Pandemie waren Kinder und Jugendliche in Deutschland in einem erschreckend hohen Ausmaß von psychischen Erkrankungen betroffen: Jedes fünfte Kind zeige Symptome von psychischen Erkrankungen und jedes zehnte Kind benötigt therapeutische Hilfe, so eine repräsentative Studie des Robert-Koch-Instituts (Berlin) aus dem Jahr 2019.

In der Corona-Pandemie hat sich die Situation nochmals verschlechtert: Fast jedes dritte Kind weise nun psychische Auffälligkeiten auf, lautet das Ergebnis einer Untersuchung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die Anfang 2021 veröffentlicht wurde. Wiederholte Lockdowns, fehlende soziale Kontakte und Homeschooling hätten dazu geführt, dass sich Kinder und Jugendliche in Deutschland erheblich belastet fühlen und vermehrt unter psychischen Problemen sowie unter psychosomatischen Beschwerden leiden.

Psychische Probleme frühzeitig erkennen

Kein Wunder, dass die Verantwortlichen dieser Studie fordern: „Kinder und Jugendliche, bei denen das Risiko besteht, dass sie psychische Probleme entwickeln, müssen frühzeitig erkannt werden.“ Durch den Einsatz von Präventions- und Interventionsangeboten müsse verhindert werden, dass sich bei ihnen „subklinische psychische Probleme zu manifesten psychischen Störungen entwickeln“.

Genau das ist das Ziel des Deutschen Zentrums für Präventionsforschung Psychische Gesundheit (DZPP), das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diverser Fachgebiete Ende 2019 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gegründet haben und das inzwischen in gemeinsamen Trägerschaft von JMU und Universitätsklinikum Würzburg betrieben wird. Jetzt hat das Zentrum einen wichtigen Schritt getan: Auf dem Campus Hubland Nord der JMU haben die Arbeiten für den Neubau begonnen, in dem das DZPP in gut einem Jahr unterkommen wird.

Der Neubau

Zu finden ist das Gebäude auf einem Baufeld am Matthias-Lexer-Weg, das vom Zentrum für Sprachen und dem Kinder- und Familienzentrum der Universität sowie einem ebenfalls im Bau befindlichen Studentenwohnheim umrahmt wird. In dem dreigeschossigen Neubau erhält das DZPP eine Nutzfläche von rund 230 Quadratmetern. Der restliche Platz ist für weitere Nutzer aus der Universität vorgesehen.

Rund drei Millionen Euro werden die Kosten für das gesamte Gebäude betragen. Für den Anteil des DZPP hat der Würzburger Förderverein Menschenskinder e.V. eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Der Verein hatte das Geld bei der Initiative Sternstunden e.V. eingeworben, einer Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks. Und erst vor Kurzem hat der Förderverein erneut eine Spende in Höhe von 10.000 Euro an die Verantwortlichen des DZPP überreicht – ein weiterer Beitrag, „um das Präventionszentrum auszubauen und voll funktionsfähig zu machen“, wie der Verein schreibt.

Start der Bauarbeiten war Anfang September 2021. Voraussichtlich Anfang 2023 werden die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer ihre Räume beziehen können.

Das Gebäude wird in Stahlbetonskelettbauweise errichtet, die Außenwände bestehen aus vorgefertigten und vorgehängten Fassadenelementen in Holzrahmenbauweise. Diese Technik ermöglicht ein schnelleres Bauen und einen frühzeitigen Start des Innenausbaus. Die Fassadenhülle ist äußerst atmungsaktiv und bereits in sich gedämmt. Zudem schneidet der Holzbau in punkto Nachhaltigkeit gegenüber dem konventionellen Rohbau deutlich besser ab.

Präventionsprogramme entwickeln und evaluieren

„Das Zentrum verfolgt das Ziel, Präventionsprogramme zur Verringerung psychischer Erkrankungen zu entwickeln, ihre Effektivität zu evaluieren und sie in der Fläche verfügbar zu machen“, erklärt Professor Marcel Romanos, Leiter des DZPP und Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg. Zudem berate das DZPP Betroffene, Familienangehörige, Schulen und andere Institutionen und bilde somit ein Scharnier zwischen Grundlagenforschung und Versorgungsstrukturen.

Der Neubau biete den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, in interdisziplinären Arbeitsgruppen Programme zu entwickeln und zu erproben. Bereits jetzt existieren viele Aktivitäten im Bereich der Präventionsforschung am Standort Würzburg, die aber noch weit verstreut und räumlich getrennt sind über die verschiedenen Fächer, Institute und Kliniken. Durch das neue Gebäude kann die Expertise aus den verschiedenen Bereichen gesammelt und zusammengeführt werden.

Erste Studien zu Präventionsprogrammen laufen bereits

„Dies ist insbesondere wichtig, weil im Bereich der Prävention psychischer Störungen nicht nur psychiatrisches oder psychotherapeutisches Verständnis gefragt ist, sondern auch zentral ist, wie der Zugang zu den Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen erfolgt, ob dies in der Schule, beim Kinder- oder Hausarzt erfolgt oder ob Online-Intervention, Apps auf dem Smartphone oder gar Virtuelle Realität zum Einsatz kommen“, sagt Romanos. Das Interessante und Spannende an dem Thema Prävention ist seinen Worten nach, „dass die verschiedensten Expertinnen und Experten dazu beitragen und nur in der gemeinsamen Arbeit, sinnvolle, wirksame und umsetzbare Konzepte entstehen können.“

Natürlich waren die Mitglieder des DZPPs auch ohne Neubau in den vergangenen Monaten schon aktiv. So haben sie beispielsweise die Vernetzung mit Kindergärten, Schulen, Fachärzten, Ämtern, Beratungsstellen und anderen Akteuren vorangetrieben, Forschungsfragen definiert und neue Projekte initiiert.

Auch erste große Evaluationsstudien zu Präventionsprogrammen laufen bereits – etwa das Programm DUDE, das von der Kaufmännischen Krankenkasse KKH gefördert wird. DUDE steht für „Du und deine Emotionen“. Mit Hilfe dieses Programm sollen Kinder lernen, ihre Emotionen zu regulieren. Die Fachleute gehen davon aus, dass dies ein wirksamer Schutz vor selbstverletzenden Verhaltensweisen und emotionalen Störungen ist. Solche körperlichen Autoaggressionen treten in Deutschland bei bis zu 20 Prozent der Schulkinder auf.

Zur Homepage des DZPP

Kontakt

Prof. Dr. Marcel Romanos, Deutsches Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit, Universität und Universitätsklinikum Würzburg, T: +49 931 201 78000, DZPP@ukw.de

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