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Schnappschüsse aus der Quantenwelt

11.01.2022

Ein Forschungsteam aus Konstanz, Novosibirsk und Würzburg macht es mit einer neuen Spektroskopie-Methode möglich, optisch bislang nicht unterscheidbare Spin-Zustände auszulesen - Publikation in "Science".

Prinzip-Skizze des Experiments. Das ladungsgetrennte Radikalpaar (CSS-RP, schwarze Kurve) zerfällt in zirka 1000 Nanosekunden durch Rekombination der Elektronen zu Singulett- bzw. Triplett-Produkt. Der dynamische Wechsel des CSS-Radikalpaars zwischen Singulett (S) und Triplett (T) wird dabei nur im Mittel über die Gesamtreaktionszeit erfasst. Durch die Push-Pull Technik können Singulett- und Triplett-Charakter des CSS-Radikalpaares zu jedem Zeitpunkt ausgelesen werden.
Prinzip-Skizze des Experiments. Das ladungsgetrennte Radikalpaar (CSS-RP, schwarze Kurve) zerfällt in zirka 1000 Nanosekunden durch Rekombination der Elektronen zu Singulett- bzw. Triplett-Produkt. Der dynamische Wechsel des CSS-Radikalpaars zwischen Singulett (S) und Triplett (T) wird dabei nur im Mittel über die Gesamtreaktionszeit erfasst. Durch die Push-Pull Technik können Singulett- und Triplett-Charakter des CSS-Radikalpaares zu jedem Zeitpunkt ausgelesen werden. (Bild: Christoph Lambert / Universität Würzburg)

Der Wechsel zwischen Singulett- und Triplett-Zustand von Elektronenpaaren in ladungsgetrennten Zuständen spielt in der Natur eine wichtige Rolle. Vermutlich kann auch der Kompass von Zugvögeln mit dem Einfluss des Erdmagnetfeldes auf das Wechselspiel zwischen diesen beiden Spinzuständen erklärt werden.

Dieser Quantenprozess war bislang optisch nicht direkt verfolgbar. Eine Forschungskooperation mit den Chemieprofessoren Ulrich Steiner von der Universität Konstanz und Christoph Lambert von der Universität Würzburg an der Spitze stellt im Wissenschaftsjournal Science mit der Pump-Push-Puls-Technik nun eine Methode vor, mit der sich der zeitliche Verlauf der Singulett/Triplett-Einstellungen erstmals optisch bestimmen lässt. Das eröffnet neue Wege, etwa im Bereich organischer Solarzellen, aber auch für Qubits in Quantencomputern.

Lichtenergie hebt ein Elektron auf ein höheres Energieniveau

Normalerweise besetzen Elektronen in einem Molekül die quantentheoretisch möglichen Bahnen paarweise. Dabei ist die Eigenschaft des Eigendrehimpulses der Elektronen, ihres sogenannten Spins, von entscheidender Bedeutung.

Nach dem Pauli-Prinzip der Quantentheorie können zwei Elektronen nur dann auf der gleichen Bahn laufen, wenn ihr Spin antiparallel ist. Dreht sich das eine Elektron rechtsherum, muss sich das andere linksherum drehen. Im molekularen Grundzustand sind in der Regel alle Elektronenspins gepaart.

Durch Anregung mit Licht wird ein einzelnes Elektron aus der Paarkonstellation gelöst und auf ein energetisch höheres Niveau gehoben, wo es allein eine freie Bahn besetzt. Von hier kann es dann weiter auf eine freie Bahn in einem geeigneten Nachbarmolekül überspringen.

Das Ergebnis stellt eine photoinduzierte Elektronübertragung dar. Die beiden vereinzelten Elektronen können nun durch magnetische Wechselwirkung mit ihrer Umgebung ihre Spin-Einstellung unabhängig voneinander verändern, da sie nicht mehr durch das Pauli-Prinzip eingeschränkt sind.

Die beiden separierten Elektronen bilden ein Radikalpaar

Eine solche Ladungstrennung durch photoinduzierte Elektronenübertragung findet beispielsweise auch bei der Photosynthese statt.

Die Energie des übertragenen Elektrons nimmt bei diesem Schritt nur wenig ab, sodass der größte Teil der anfänglich durch die Lichtanregung aufgenommenen elektronischen Energie noch erhalten ist. Diese ursprüngliche Anregungsenergie ist somit in chemischer Form gespeichert. Der ladungsgetrennte Zustand mit den beiden separierten Elektronen wird in der Chemie auch als Radikalpaar bezeichnet.

Sind die Spins der beiden Elektronen parallel ausgerichtet, spricht man von einem Triplett-Zustand, sind sie antiparallel ausgerichtet, von einem Singulett-Zustand des Radikalpaares. Durch die freie individuelle Entwicklung der beiden Spins wechselt der Spin-Zustand des Radikalpaars zwischen Singulett- und Triplett-Zustand hin und her. Da energetisch zwischen diesen Spin-Ausrichtungen kein großer Unterschied besteht, waren sie bislang optisch nicht direkt unterscheidbar.

Eine Energiestabilisierung des Radikalpaars kann erfolgen, indem das Radikalelektron vom Akzeptormolekül zurückspringt zum Donormolekül und sich so unter Energiefreisetzung der ursprüngliche Singulett-Zustand wieder zurückbildet. Damit es sich jedoch wieder mit dem ursprünglichen Partnerelektron paaren kann, muss sein Spin zu diesem entgegengesetzt geblieben sein, was durch eine zwischenzeitlich mögliche Spin-Umorientierung nicht unbedingt der Fall ist. Hat es aktuell eine andere Spin-Einstellung, kann es zwar nicht auf seine ursprüngliche Bahn zurück, aber durch Übergang in eine andere, noch freie tiefere Bahn am Akzeptor ebenfalls Energie abgeben.

Es bildet sich so ein Triplett-Produkt am Akzeptor, das von dem Singulett-Produkt am Donor optisch unterschieden werden kann.

Radikalpaar als Modell für Qubits und den Magnetfeldsensor von Zugvögeln

Die Phase, in der die Radikalpaare zwischen dem Singulett- und dem Triplett-Zustand hin- und herpendeln, ist in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse.

Da es sich um eine quantenmechanisch gesteuerte kohärente Bewegung handelt, ist sie grundsätzlich, etwa durch ein äußeres Magnetfeld, kontrollierbar. Mit solchen Bewegungen werden beispielsweise in der Physik Quantenrechner realisiert.

„Unser Radikalpaar kann als Modell für Qubits dienen, wie sie in Quantenrechnern als Elemente vorhanden sind, oder für das Verständnis der Funktion von Radikalpaaren in dem eingangs erwähnten biologischen Kompass von Zugvögeln. Aus solchen Gründen ist es von Interesse zu wissen, wie der Spin in diesem Prozess ausgerichtet ist“, sagt Ulrich Steiner, der in Konstanz zu Photokinetik und Spin-Chemie forscht.

Pump-Push-Technik ermöglicht die Bestimmung von Singulett/Triplett-Einstellungen

Im Labor von Christoph Lambert in Würzburg wurde mit der magnetfeldabhängigen Pump-Push-Technik ein experimentelles Verfahren entwickelt, mit dem es zum ersten Mal möglich ist, die Singulett/Triplett-Einstellungen zu bestimmten Zeitpunkten in einem speziell für diese Untersuchungen synthetisierten Donor-Akzeptor-Molekül auszulesen.

Zunächst wird mit einem sogenannten Pump-Laser-Puls der Elektronentransfer vom Donor- zum Akzeptormolekül initiiert. Dabei entsteht der ladungsgetrennte Zustand mit Singulett-Spin. Die ungepaarten Elektronen-Spins können sich nun zeitlich entwickeln.

Nach einer gewissen Zeit wird ein zweiter Laser-Puls hinterhergeschickt. „Durch diesen Push-Laser-Puls wird wieder ein Elektron vom Akzeptor- zum Donormolekül zurückübertragen, wobei der zweite Laserpuls das System zwingt, sofort die Entscheidung zwischen Triplett- oder Singulett-Produktbildung zu treffen, wofür sich das Radikalpaar normalerweise mehrere Spin-Oszillationsperioden Zeit lassen würde“, sagt Ulrich Steiner, der mit seinem russischen Kollegen die Interpretation der Experimente durch quantentheoretische Modellrechnungen belegt hat.

Auf diese Weise lassen sich quasi Schnappschüsse des Spin-Zustandes des Radikalpaares zu verschiedenen Zeitpunkten aufnehmen und die periodische Umwandlung von Singulett- und Triplett-Radikalpaar beweisen.

Publikation

David Mims, Jonathan Herpich, Nikita N. Lukzen, Ulrich E. Steiner, Christoph Lambert. Readout of spin quantum beats in a charge-separated radical pair by pump-push spectroscopy. Science, 16. Dezember 2021, Vol 374, DOI: 10.1126/science.abl4254

Dazu ein perspective article: P. J. Hore, Radical quantum oscillations, DOI:10.1126/science.abm9261

Von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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