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Patientensicherheit: Parameter ergänzt Mindestmengen

08.02.2022

Forschende der Universitätsklinika Heidelberg und Würzburg schlagen eine neue Kenngröße zur Qualitätsbewertung von Krebsoperationen in Deutschland vor. Dieser Parameter errechnet sich aus Routinedaten des Gesundheitssystems.

Patientensicherheit nach Operationen in Krankenhäusern: In einer Studie ergänzt ein innovativer Parameter ergänzt die bisherigen Mindestmengen.
Patientensicherheit nach Operationen in Krankenhäusern: In einer Studie ergänzt ein innovativer Parameter ergänzt die bisherigen Mindestmengen. (Bild: Sharon McCutcheon/Pixabay)

Um ein Höchstmaß an Sicherheit und medinischer Versorgungsqualität zu garantieren, sollen in Deutschland komplexe operative Eingriffe nur in Kliniken durchgeführt werden, die jährlich eine Mindestanzahl dieser erreichen. Hierzu legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) seit 2004 regelmäßig eine Mindestmengenvorgabe vor. Die Anzahl der jährlich in einem Krankenhaus durchgeführten Operationen wird damit als Qualitätsmesser der Behandlung genutzt. Dies bedeutet aber auch, dass Unterschiede in der Behandlungsqualität zwischen Krankenhäusern mit ähnlicher Fallzahl nicht abgebildet werden und keine Adjustierung an relevante Risikofaktoren der behandelten Patienten erfolgt.

Um die chirurgische Qualität genauer zu messen, haben die Medizinerinnen und Mediziner der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und des Viszeralonkologischen Zentrums am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) einen Marker für die Behandlungsqualität vorgestellt, der relevante individuelle Patientenrisikofaktoren sowie die Qualität des einzelnen Krankenhauses berücksichtigt: die Risiko-standardisierte Krankenhaussterblichkeit (Risk Standardized Mortality Rate, RSMR).

Hohe Fallzahlen nicht automatisch besser

Die RSMR basiert darauf, wie viele Patientinnen oder Patienten in Folge bestimmter Operationen in einem Krankenhaus versterben, und bezieht dafür das Risikoprofil der Behandelten (wie zum Beispiel wichtige Begleiterkrankungen) in die Berechnung ein. Für ihre Analysen nutzten die Teams bundesweite Krankenhausabrechnungsdaten, die über das Fallpauschalensystem erhoben wurden. In diesem System werden sogenannte diagnosebezogene Fallgruppen (diagnosis related groups, DRG) eingeordnet und abgerechnet. Gespeichert sind hier Daten zur Erkrankung, Haupt- und Nebendiagnosen, operative Maßnahmen und Entlassungsdaten. Insgesamt werteten die Forschenden Daten von knapp einer halben Million Patientinnen und Patienten aus ganz Deutschland aus, die zwischen Januar 2010 und Dezember 2018 im Rahmen einer Krebserkrankung operiert wurden. Anschließend verglichen sie die Ergebnisse mit dem Volumen-basierten Bewertungsmodell.

„Die international besetzte Arbeitsgruppe zeigte, dass deutschlandweit nahezu kein Krankenhaus mit sehr niedriger Fallzahl ein sehr gutes Behandlungsergebnis erzielt, jedoch auch mindestens die Hälfte aller Kliniken mit sehr hohen Patientenfallzahlen nicht zwingend die bestmögliche Behandlungsqualität erreichen“, berichtet Professor Hauke Winter, Chefarzt der Thoraxklinik Heidelberg am UKHD und Leiter der Abteilung für Thoraxchirurgie.

Dies bedeutet, dass mit hohen Fallzahlen nicht automatisch eine niedrige Patientensterblichkeit erzielt wird. Andersherum konnten auch einige Krankenhäuser mit mittleren Fallzahlen gute Operationsergebnisse erzielen. „Dies liegt daran, dass die Operationsqualität vielschichtig ist und nicht nur von der Patientenmenge abhängig ist. Letztere beeinflusst zwar die Erfahrungen und Routine des Personals, für den Erfolg der Operation spielen aber auch Faktoren wie die Aus- und Weiterbildung, die tatsächliche Verfügbarkeit eines multidisziplinären Teams und ein gutes Komplikationsmanagement eine wesentliche Rolle“, sagt Professor Armin Wiegering, stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt der Chirurgischen Klinik I des UKW.

Weitere Studien geplant

„Die Festlegung der Mindestmengen und deren Bedeutung als alleiniger Qualitätsparameter für komplexe Eingriffe wurde immer wieder diskutiert und hat sich international nur teilweise durchgesetzt. Der von uns untersuchte neue Parameter berücksichtigt nun nicht nur reine Fallzahlen, sondern die konkrete Behandlungsqualität des Krankenhauses nach Krebsoperationen“, resümiert Philip Baum, Erstautor der Studie und Arzt in der Thoraxchirurgie, Thoraxklinik am UKHD.

Das Forschungsteam hat darüber hinaus sämtliche Fahrtzeiten mit dem Auto zum jeweiligen Krankenhaus berechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Patientinnen und Patienten nicht automatisch in das nächstgelegene Krankenhaus fahren, sondern häufig ein weiter entferntes wählen. Gemäß dem RSMR-Parameter führen mehr Krankenhäuser eine sicherere Behandlung durch, als nach dem Mindestmengenparameter. Dies bedeutet in der Praxis, dass in einem Zentralisierungsmodell nach RSMR mehr Krankenhäuser in Deutschland mit guten Ergebnissen existieren. Dadurch würde in einem nationalem Zentralisierungsmodell die Fahrtzeit deutlich kürzer ausfallen, wenn die Patientinnen und Patienten das Wunsch-Krankenhaus nach dem RSMR-Parameter im Vergleich zum Mindestmengen-Parameter auswählen.

Die aktuelle Studie ist auf planbare Eingriffe bei Krebspatientinnen und -patienten beschränkt diese machen etwa fünf Prozent aller Operationen in Deutschland aus. Das Team möchte in weiteren Studien an der Verbesserung der Patientensicherheit und der chirurgischen Qualität arbeiten.

Literatur

Baum P, Lenzi J, Diers J et al. Risk-Adjusted Mortality Rates as a Quality Proxy Outperform Volume in Surgical Oncology — A New Perspective on Hospital Centralization Using National Population-Based Data J Clin Oncol. 2022 Jan 11 doi: 10.1200/JCO.21.01488

Von Pressestelle Universitätsmedizin Würzburg

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