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Realitätscheck für ein mittelalterliches Liebeslied

08.07.2025

Eine Exkursion zur Festung Botenlauben stand vor Kurzem auf dem Programm eines Seminars der JMU-Germanistik. Mit digitaler Technik konnten Studierende auf den Spuren des Minnesängers und Politikers Otto von Botenlauben wandeln.

Hat hier Otto von Botenlauben sein Lied von den zwei heimlich Liebenden gedichtet? Die Festung Botenlauben bei Bad Kissingen.
Hat hier Otto von Botenlauben sein Lied von den zwei heimlich Liebenden gedichtet? Die Festung Botenlauben bei Bad Kissingen. (Bild: Heike Wieland)

„Bitte versuchen Sie, nicht von der Burgmauer zu fallen!“ Exkursionsleiter Dr. Stefan Tomasek tut alles, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion auf die Festung Botenlauben bei Bad Kissingen zusammenzuhalten, während die gut 40 Germanistikstudierenden mit ihren Smartphones in der Hand durch die Ruinen der mittelalterlichen Burganlage streifen und geheime Botschaften austauschen. Spätestens als ein fiktiver Wächter in fließendem Mittelhochdeutsch den morgendlichen Weck- und Warnruf an die Heimlich-Liebenden singt, wissen auch alle anderen Besucher, dass hier heute etwas Besonderes stattfindet.

Wissenschaftstransfer - Zwischen Burgruine und Hörsaal

„Wissenschaftstransfer, also das Vermitteln von fachwissenschaftlichen Inhalten an einen breiten Adressatenkreis außerhalb von Hörsaal und Seminarraum, ist eine wichtige Aufgabe der Universität“, erklärt Stefan Tomasek. „Hierzu greifen wir auf ActionBound zurück, eine frei verfügbare App, mit deren Hilfe unterschiedliche spielerische Lernumgebungen gebaut werden können. Wir setzen sie zur Literatur- und Kulturvermittlung ein. Der Vorteil ist, dass die Inhalte jederzeit online verfügbar sind und von allen Interessierten am konkreten Ort abgerufen werden können. Spielerische Elemente und Visualisierungen oder Tonbeispiele lassen so den historischen Ort erfahrbar werden“, ergänzt Franziska Schulte, die für die technische Umsetzung des Bounds verantwortlich ist.

Digitale Lernangebote am Lehrstuhl für ältere deutsche Philologie

Der Einsatz von digitalen Tools hat am Lehrstuhl für deutsche Philologie unter Leitung von Professorin Regina Toepfer bereits Tradition. So wurden dort zum Beispiel die Würzburger Literatur-App (WueLApp) oder die digitale Stadtführung „Frankfurt im Mittelalter - Auf den Spuren des Passionsspiels von 1492“ entwickelt. 

Perspektivisch werden auch die Inhalte des „literarischen Spaziergangs“ auf der Burgruine Botenlauben per ActionBound frei zur Verfügung gestellt – „beispielsweise für Schulklassen der Region, aber natürlich auch für alle interessierten Besucher der Burg“, ergänzt Stefan Tomasek. Hierfür soll in einer zweiten Entwicklungs- und Erprobungsphase in Kooperation mit einigen Schulklassen im kommenden Jahr der letzte Feinschliff angelegt werden.   

Literarischer Spaziergang auf der Festung Botenlauben

Grundlegend für den „literarischen Spaziergang“ auf der Festung Botenlauben ist zunächst ein Experiment: Was passiert eigentlich, wenn man das Setting eines mittelalterlichen Liebesliedes aus seinem literarischen Raum, in dem es situiert ist, in den ursprünglichen historisch-topographischen Raum überträgt? Hierfür kann per App ein sogenanntes „Tagelied“ des Henneberger Grafens Otto von Botenlauben auf der Burg zweisprachig, also Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch, gehört werden. Otto hatte die Burg seinerzeit zu seinem Stammsitz gemacht und ausgebaut – vielleicht hat er dieses Lied sogar genau hier gedichtet?

In einem „Tagelied“ müssen sich zwei Liebende nach einer heimlichen gemeinsamen Nacht voneinander trennen, um ihre Liebe weiterhin im Verborgenen zu halten. Während die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion per App die Burg erkunden und dabei die historische Nutzung der einzelnen Räume kennenlernen, nehmen sie gleichzeitig in einem Spiel die Rollen der Akteure des Tagelieds ein – die heimlich Liebenden müssen sich finden, die missgünstige Gesellschaft will sie enttarnen und der Burgwächter als Fürsprecher der Liebenden warnt diese vor Gefahr, bis schließlich der Morgenruf über die Burganlage schallt. Die Leitfrage ist hierbei, ob das literarische Motiv der heimlichen Minne unter den Bedingungen eines mittelalterlichen Burgbetriebs tatsächlich funktionieren konnte. 

Die Würzburger Germanistikstudierenden haben den neuen Bound auf dieser Exkursion nun zum ersten Mal getestet. „Dieser Zugang ist besonders gelungen, da er literarische und soziale Inhalte des Minnesangs auf spielerische Art und Weise transportiert“, sagte eine Teilnehmerin. Die kreative Ausgestaltung und Anleitung dieses Rollenspiels übernahm Heike Wieland, studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für ältere deutsche Philologie. 

Das Grabepitaph im Kloster Frauenroth

Zum Abschluss fuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion ins benachbarte Frauenroth zur dortigen ehemaligen Klosterkirche. Das Kloster wurde von Otto von Botenlauben und seiner Frau Beatrice gegründet, beide wurden dort bestattet. Auch wenn das Grabepitaph, das die Eheleute zeigt, in den Jahrhunderten einige Überarbeitungen erfahren hat, konnte hier noch ein letzter Blick auf die eigentlichen Protagonisten der Exkursion geworfen werden.

Kontakt

Prof. Dr. Regina Toepfer, Lehrstuhl für deutsche Philologie, T: +49 931 31-83609, regina.toepfer@uni-wuerzburg.de

Dr. Stefan Tomasek, Lehrstuhl für deutsche Philologie, T: +49 931 31-81674, stefan.tomasek@uni-wuerzburg.de

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Von Lehrstuhl für deutsche Philologie

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