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Leukämiemedikament wirksam bei Resterkrankung

13.02.2018

Die Behandlung mit dem Immuntherapeutikum Blinatumomab verbessert die Überlebenschancen von Patienten bei einem Rückfall der Leukämie deutlich. Das ist das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten Studie.

Medikamenten-Flaschen
Das Immuntherapeutikum Blinatumomab – Medikamentenname Blincycto – wirkt auch bei minimaler Resterkrankung von Akuter Lymphatischer Leukämie. (Foto: Robert Wenzl/UKW)

Ende Januar 2018 erschien in der Fachzeitschrift „Blood“ der US-amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie die Publikation zu einer Studie, bei der Patienten mit einer minimalen Resterkrankung von Akuter Lymphatischer Leukämie (ALL) erfolgreich mit dem Antikörper-Medikament Blinatumomab behandelt wurden. In der Studie kombinierten die Forscher hochpräzise Krebsdiagnostik auf molekularer Ebene mit dem zukunftsweisenden Immuntherapeutikum Blinatumomab. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) war maßgeblich an der Entwicklung des Medikaments beteiligt.

Es zeigte sich, dass die Behandlung mit dem Medikament bei einem Rückfall, also in einem sehr frühen Rezidiv-Stadium, das Überleben von Patienten mit ALL deutlich verbessert. Geleitet wurde die europaweite, multizentrische Studie unter anderem von Professor Ralf Bargou, Direktor des am UKW angesiedelten Comprehensive Cancer Centers (CCC) Mainfranken.

Die Krankheit und ihre bisherige Behandlung

ALL ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems (Blutkrebs), bei der eine frühe Vorstufe der Lymphozyten entartet und sich unkontrolliert vermehrt. Lymphozyten sind weiße Blutkörperchen und Teil des Immunsystems. Ihre Vermehrung und Erneuerung ist bei gesunden Menschen strikt reguliert. Bei der ALL ist dieser Prozess außer Kontrolle geraten.

Der klassische Behandlungspfad: Nach der Erstdiagnose erhalten die Patienten eine so genannte Induktions-Chemotherapie. Deren Ziel ist es, eine Rückbildung (Remission) des Blutkrebses zu induzieren. 50 bis 60 Prozent der Erkrankten sprechen auf diese Therapie gut an und gelten – oft nach weiterer konsolidierender Chemotherapie – als geheilt.

Bei den restlichen Patienten bleibt nach der Induktions-Chemotherapie mindestens eine minimale Resterkrankung (Minimal Residual Disease – MRD) bestehen. Letztere erleiden praktisch immer ein klinisches Rezidiv und haben in aller Regel eine sehr schlechte Prognose. Einem Teil kann noch eine Stammzelltransplantation als weitere Behandlungsoption angeboten werden, aber insgesamt ist die Sterberate unter den Betroffenen sehr hoch.

Der Wirkstoff Blinatumomab

Blinatumomab gehört zu einer neuen Klasse von so genannten bispezifischen Antikörpern, die das menschliche Immunsystem gegen Tumorzellen wirken lassen. Es ist das erste zugelassene Medikament, das die körpereigenen T-Zellen, eine Form der Lymphozyten, einspannt, um Leukämiezellen zu vernichten. Diese „Killer“ können in der Regel Krebszellen nicht von gesunden Zellen unterscheiden und greifen sie deshalb auch nicht an. Den Forschern gelang es, diese biochemische Blindheit zu überwinden, indem sie gentechnisch einen Antikörper herstellten, der einerseits in der Lage ist, an der Krebszelle anzudocken und andererseits an T-Zellen binden kann. Mit Hilfe dieses „Adapters“ werden die Abwehrzellen aktiviert, sie erkennen die schädlichen Zellen und können sie in der Folge zerstören.

An der Erfindung, Entwicklung und klinischen Erprobung von Blinatumomab entscheidend beteiligt waren Ralf Bargou, Dr. Marie-Elisabeth Goebeler, Leiterin der Early Clinical Trial Unit am UKW, sowie Professor Max Topp, der Leiter des Bereichs Hämatologie an der Medizinischen Klinik II des Würzburger Uniklinikums.

Über die Studie

Die jetzt veröffentlichte Studie nutzte modernste Methoden der molekularen Diagnostik, um mit hoher Sensitivität und Spezifität ALL-Patienten mit MRD zu identifizieren. Diese wurden mit Blinatumomab behandelt. Die Studie begann im Jahr 2010 und wurde von Krebszentren in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Tschechien getragen. Die Leitung der Studie hatten Dr. Nicola Gökbuget vom Uniklinikum Frankfurt am Main und Ralf Bargou vom CCC Mainfranken.

Mit 116 Teilnehmenden war die Grundgesamtheit an Studienpatienten für eine seltene Erkrankung wie ALL sehr hoch. Als Ergebnis zeigte sich, dass knapp 80 Prozent der Behandelten auf die Antikörpertherapie sehr gut ansprachen und MRD-negativ wurden, was zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten führte. „Die Studie zeigt, dass Blinatumomab nicht nur bei einem voll entwickelten Rezidiv hilfreich eingesetzt werden kann, sondern auch – und gerade – in einem viel früheren Stadium. Die moderne, hochempfindliche molekulare Diagnostik zusammen mit den neuen therapeutischen Entwicklungen in der Immun-Onkologie hilft uns, das Rezidiv immer frühzeitiger zu erkennen und gezielt zu behandeln. Dadurch lassen sich die Heilungschancen für die betroffenen Patienten weiter verbessern“, sagte Ralf Bargou.

Pressemitteilung des Universitätsklinikums Würzburg

Literaturnachweis:

Blinatumomab for minimal residual disease in adults with B-precursor acute lymphoblastic leukemia

Gökbuget N., Dombret H., Bonifacio M., Reichle A., Graux C., Faul C., Diedrich H., Topp MS., Brüggemann M., Horst HA., Havelange V., Stieglmaier J., Wessels H., Haddad V., Benjamin JE., Zugmaier G., Nagorsen D., Bargou RC.

Blood. 2018 Jan 22. pii: blood-2017-08-798322. doi: 10.1182/blood-2017-08-798322

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