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Ländliches vielfach

29.06.2021

Einen disziplinär weiten Blick auf die Vielheit unterschiedlicher Lebens- und Arbeitsgemeinschaften auf dem Land hat eine Tagung an der Universität Würzburg geworfen. Die Ergebnisse liegen jetzt in einem neu erschienenen Buch vor.

Aufforderung zu einer dringend benötigten Kurskorrektur: Der Tagungsband „Ländliches vielfach!“
Aufforderung zu einer dringend benötigten Kurskorrektur: Der Tagungsband „Ländliches vielfach!“ (Bild: Uni Würzburg)

Raus aufs Land, wo die Natur noch intakt, die Luft klar und die Milch beim Biobauern nebenan frisch von der Kuh erhältlich ist. Mit solchen Vorstellungen von einem idyllischen Leben auf dem Land haben in den vergangenen Jahren viele Anwohner teurer Metropolen wie Berlin, Hamburg und München mit dem Umzug in die Peripherie geliebäugelt. Während der Corona-Pandemie hat dieser Trend angeblich einen deutlichen Schub erhalten. Doch die Vorstellungen vieler Städter vom schönen Leben auf dem Land entsprechen nicht unbedingt immer der Realität. Tatsächlich ist ländliches Leben und Wirtschaften heute vielfältiger als gemeinhin angenommen.

Diese Vielfalt genauer unter die Lupe genommen hat eine Tagung, zu der der Lehrstuhl für Europäische Ethnologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im April 2019 eingeladen hatte. Jetzt ist der Tagungsband „Ländliches vielfach! Leben und Wirtschaften in erweiterten sozialen Entitäten“ in gedruckter Form erschienen. Er präsentiert die Ergebnisse der Tagung, die in Kooperation mit der Landestelle Berlin-Brandenburgische Volkskunde am Institut für Europäische Ethnologie an der der Humboldt-Universität zu Berlin und der Kommission Kulturanalyse des Ländlichen der dgv sowie mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Disziplinen zusammen erarbeitet wurden. Herausgeber sind die Lehrstuhlinhaberin Michaela Fenske und ihre Mitarbeitenden Arnika Peselmann und Daniel Best.

Ein besorgniserregender Reduktionsprozess

„Sozioökonomische Transformationsprozesse und ökologische Krisen spielen in ländlichen Ökonomien heute eine Schlüsselrolle. Weltweit manifestiert sich dies in einem fortschreitenden demographischen und strukturellen Wandel oder in den Folgen einer unter globalem Wachstumsdruck agierenden industrialisierten Landwirtschaft“, schildert Michaela Fenske den aktuellen Rahmen. Hinzu kommen Auswirkungen des Klimawandels wie Wassermangel und zunehmende Unwetter, die unter anderem die Sorge um die Sicherstellung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung vergrößern. Sowohl Folge als auch Teil des weltweiten Wandels sei zudem ein starker Rückgang der Biodiversität. Besorgniserregend sei dieser „beschleunigte Reduktionsprozess“, so die Wissenschaftlerin.

Mit der Frage, wie diesen Herausforderungen in verschiedenen Lebenswelten und Arbeitsgemeinschaften begegnet wird, wollte die Tagung einen Beitrag zu einer (Neu)Reflektion des Ländlichen leisten. Dementsprechend lässt sich der Titel des Sammelbandes auch als Aufforderung zu einer dringend benötigten Kurskorrektur lesen. „Der Band versteht sich als Annäherung an eine neue Art der Erforschung ländlicher Ökonomien, die als Zusammenwirken und gemeinsames Werden unterschiedlicher Spezies und Individuen betrachtet werden“, schreibt das Herausgeber-Team im Klappentext.

Die versammelten Beiträge nehmen dabei aus kulturanthropologischer, geschichtswissenschaftlicher und künstlerischer Perspektive Bezug auf gegenwärtige wie historische Lebens- und Arbeitsgemeinschaften von Menschen, Tieren, Pflanzen sowie Materialitäten (inklusive Bauten, Technologien etc.). Thematisch berühren sie urbane Agrikulturen, ebenso wie die Digitalisierung landwirtschaftlicher Tierhaltung oder die Bedeutung von Freilandmuseen für den Artenerhalt. Erschienen ist das Buch soeben im Verlag Königshausen & Neumann.

Ländliches vielfach! Leben und Wirtschaften in erweiterten sozialen Entitäten. Fenske, Michaela / Peselmann, Arnika / Best, Daniel (Hrsg.), ISBN: 978-3-8260-7360-1, 402 Seiten, 39,80 Euro.

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