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Junge aus Irak kann freier atmen

05.09.2016

Eine schwierige Operation an der Luftröhre und am Kehlkopf eines irakischen Jungen hat Professor Rudolf Hagen von der Universitäts-HNO-Klinik durchgeführt. Der Eingriff war erfolgreich und erhöht die Lebensqualität des 11-Jährigen deutlich. Initiiert wurde die OP von der IPPNW-Kinderhilfe Irak.

Professor Rudolf Hagen mit seinem irakischen Patienten Karar bei einer Nachuntersuchung etwa einen Monat nach dem schwierigen operativen Eingriff. (Foto: Helmut Korder)
Professor Rudolf Hagen mit seinem irakischen Patienten Karar bei einer Nachuntersuchung etwa einen Monat nach dem schwierigen operativen Eingriff. (Foto: Helmut Korder)

Karar ist eines von fünf Kindern einer armen Familie im Süden des Irak. Im Alter von zwei Jahren erkrankte er am Guillain-Barré-Syndrom, einer neurologischen Krankheit, die sich bei Karar in einer Lähmung der Atemmuskulatur manifestierte.

Um das Ersticken des Kindes zu verhindern, wurde es in der HNO-Klinik der irakischen Stadt Nasiriya über einen Tubus, einen Schlauch in der Luftröhre, künstlich beatmet. Nur langsam, über Wochen, gingen die Lähmungen zurück.

Selbstständiges Atmen war nicht möglich

Als der Tubus schließlich entfernt wurde, konnte Karar weiterhin nicht selbstständig atmen: Die Luftröhre hatte sich durch den Druck des Beatmungsschlauchs narbig bis auf Bleistiftdicke verengt. Darum mussten die irakischen Ärzte durch einen Luftröhrenschnitt eine Trachealkanüle einsetzen. Ihre Versuche, das Narbengewebe abzutragen, blieben erfolglos.

Trotz der dauerhaft genutzten Luftröhrenkanüle hatte der Junge immer wieder Erstickungsanfälle, wenn sich die Kanüle verstopfte. Außerdem konnte er nicht sprechen, weil sich seine Stimmbänder aufgrund des ebenfalls vernarbten Kehlkopfs nicht bewegen konnten. Seine Familie, die nur über das geringe Einkommen des als Kraftfahrer arbeitenden Vaters verfügt, hatte die Hoffnung aufgegeben, dem Kind helfen zu können.

Zufälliger Kontakt zur IPPNW-Kinderhilfe Irak

Im Jahr 2016 kam ein glücklicher Zufall zu Hilfe: Dr. Jabbar Said-Falyh, ein deutsch-irakischer Kinderarzt aus Frankfurt am Main, besuchte seinen Clan im Süden Iraks. Bei dieser Gelegenheit erfuhr er von einem Kind, „das im Sterben liegt“. Karar wurde zu ihm gebracht. Der Junge japste nach Luft und bemühte sich, einen zähen Schleim durch die enge Kanüle auszuhusten.

Said-Falyh saugte den Schleim ab und kaufte der Familie eine elektrische Saugpumpe. Dann informierte er Professor Ulrich Gottstein, einen deutschen Internisten, der im Jahr 1991 den gemeinnützigen Verein IPPNW-Kinderhilfe Irak gegründet hat. IPPNW ist die Abkürzung für „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ – die deutsche Sektion der Organisation heißt „IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.“

Gottstein suchte nun einen deutschen Spezialisten, der in der Lage war, Karar medizinisch zu helfen. Fündig wurde er in der Person von Professor Rudolf Hagen, dem Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Würzburgs (UKW). Dieser erklärte sich sofort zu einer kostenlosen Operation bereit.

In sechs Stunden Narbengewebe entfernt

Nach der Überwindung einiger bürokratischer Hürden brachte Said-Falyh das Kind im Juli 2016 nach Würzburg. Nach Voruntersuchungen führte Hagen am 15. Juli einen komplexen Eingriff durch: In einer sechsstündigen Operation entfernte er die vernarbten Abschnitte der Luftröhre in der Nachbarschaft des Kehlkopfes. „Die verlorene Länge konnte dabei durch ein Strecken und Vernähen der gerade bei Kindern noch recht flexiblen Luftröhre überbrückt werden“, schildert er.

Schon dieses Vorgehen ist keineswegs einfach. Richtig schwierig wurde der Eingriff allerdings erst durch den Umstand, dass auch ein Teil des Kehlkopfes Vernarbungen aufwies, die ebenfalls entfernt werden mussten.

„Mein Ziel dabei war es, eine Öffnungsweite des Kehlkopfs zu gewinnen, die es Karar erlaubt, mit seinen Stimmbändern Töne zu erzeugen. Wird bei der Teilresektion allerdings zu viel Gewebe entfernt, besteht das Risiko, dass die neben dem Sprechen ebenfalls essentielle Verschlussfunktion des Kehlkopfs beeinträchtigt wird. In der Folge würde sich der Patient bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme häufig verschlucken“, erläutert der Professor.

Nach dem heiklen, aber erfolgreichen Eingriff musste Karar noch einige Tage beatmet auf der Kinderintensivstation des UKW verbringen, bis sicher war, dass die unter einiger Spannung am Kehlkopf wieder angenähte Luftröhre nicht abreißt. Das wäre für den jungen Patienten lebensgefährlich gewesen.

Freies Atmen über „reparierte“ Luftröhre und neue Trachealkanüle

Nachdem auch hier alles gutging, erholte sich Karar rasch: Schon zwei Wochen nach der Operation konnte er Gottstein und Said-Falyh zu einer Friedensveranstaltung der IPPNW in Frankfurt am Main begleiten. Er atmet jetzt über die „reparierte“ Luftröhre und eine neue Trachealkanüle viel freier.

Mit dem Ablauf seines Visums kehrte Karar Anfang September 2016 zu seinen Eltern und Geschwistern zurück. Nun kann er ohne Atemnot wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen, dem Hüten der Wasserbüffel seines Großvaters.

Weitere Verbesserungen wären möglich

„Unter idealen Bedingungen würden wir bei Karar einen zweiten Eingriff durchführen“, so Hagen. „Dabei würden wir den zum Atmen nach wie vor zu engen Kehlkopf noch weiter machen, so dass der Junge nicht nur sprechen, sondern über den Kehlkopf auch ausreichend Luft bekommen könnte. Das Tracheostoma wäre damit überflüssig.“

Neben den bürokratischen Hürden eines längeren Aufenthaltes in Deutschland sind es vor allem die Kosten, die ein solches Vorgehen derzeit nicht erlauben. Zwar führte Hagen die Operation kostenlos durch, aber durch die unumgängliche intensivmedizinische Versorgung entstanden der IPPNW-Kinderhilfe Irak Kosten von rund 26.000 Euro. Wer die Arbeit des Vereins unterstützen will, kann dies über ein Spendenkonto tun.

Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung e.V., Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE39 1002 0500 0002 2222 10, BIC: BFSWDE33BER, Stichwort: Kinderhilfe Irak. Steuerabzugsfähige Spendenbescheinigungen werden zugeschickt.

(Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Würzburg)

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