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Gesucht: Eine neue Ethik

18.06.2019

Mit Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz und dem Siegeszug der Roboter in Wirtschaft und Gesellschaft hat sich eine Konferenz im Vatikan befasst. Mit dabei war der Würzburger Philosoph Wolfgang M. Schröder.

„Robots & Rights“: Das war das Thema des Vortrags von Wolfgang M. Schröder auf einer Konferenz, zu der die Päpstliche Akademie der Wissenschaften eingeladen hatte.
„Robots & Rights“: Das war das Thema des Vortrags von Wolfgang M. Schröder auf einer Konferenz, zu der die Päpstliche Akademie der Wissenschaften eingeladen hatte. (Bild: The Pontifical Academy of Sciences)

Darf man Roboter – weil es „bloß“ Maschinen sind – ethisch neutral behandeln? Verdienen humanoide Roboter Respekt – auf einer moralischen Ebene, aber auch juristisch gesehen? Handelt es sich um bloße Gegenstände, oder sind sie ab einer bestimmten Entwicklungsstufe als individuelle Akteure zu betrachten, die zurechnungs-, haftungs- und schuldfähig sind? Und wie verändern sich eigentlich Menschen, die regelmäßig mit intelligenten Maschinen zu tun haben?

Mit Fragen wie diesen setzt sich Wolfgang M. Schröder auseinander. Schröder hat an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) die Professur für Philosophie am Institut für Systematische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät inne. Seit März 2018 ist er Mitglied im Arbeitsausschuss „Künstliche Intelligenz“ des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN) und vertritt dort die philosophische Ethik. Jetzt war Schröder Gastredner auf einer Konferenz, zu der die Päpstliche Akademie der Wissenschaften auf Vorschlag des Pariser Kognitionswissenschaftlers Stanislas Dehaene (Collège de France) in den Vatikan eingeladen hatte. Schröders Thema dort: „Robots & Rights“.

Technikskeptische Dramatisierung ist nicht erforderlich

„Mich interessieren die ethischen Bedingungen des guten gesellschaftlichen Umgangs mit künstlicher Intelligenz; mein Vortrag war eine Übersicht und Stellungnahme zum aktuellen Forschungsstand zum Status humanoider Roboter“, erklärt Schröder. Im Unterschied zu manchen Medien, die die Menschheit durch die baldige Herrschaft der Maschinen bedroht sieht, will der Philosoph dabei nicht dramatisieren. Schließlich geht auch er davon aus, dass die Frage, ob Robotern eine Rechtssubjektivität zusteht, weitgehend durch Registrierung der Maschinen und klare Verantwortlichkeitsstrukturen bei Herstellern und Anwendern lösbar ist.

Dennoch hält er es für geboten, sich jetzt mit den möglichen Entwicklungen auseinanderzusetzen. „Vieles, was heute diskutiert wird, klingt noch ziemlich utopisch. Aber man muss vorbereitet sein“, sagt er. Dementsprechend analysierte Schröder in seinem Vortrag neueste Theorien rund um den Rechtsstatus von Robotern und berichtete über den Stand der internationalen Debatte über technische und normative Standards für KI-Systeme.

Der Mensch ist auf die Schnelligkeit des Wandels nicht vorbereitet

Künstliche Intelligenz erleben die meisten Menschen bislang in der Hauptsache in ihrem Smartphone – beispielsweise wenn die Software auf Fotos automatisch Falten im Gesicht des Porträtierten glättet. Trotzdem zeichnen sich erste Auswirkungen der Technik auf das Verhalten schon heute ab. Lehrkräfte stellen fest, dass die „Digital Natives“ in der Grundschule kaum noch gut mit der Hand schreiben können und Probleme mit der Rechtschreibung bekommen, wenn die Autokorrektur fehlt. Eltern beklagen sich über Kinder, die mit ihnen in dem gleichen Befehlston sprechen, mit dem sie Siri oder Alexa ihre Anweisungen geben. Und wenn die technischen Befehlsempfänger mal nicht wie gewünscht reagieren, bekommen sie schon mal einen Schlag verabreicht oder fliegen durchs Zimmer.

Solche Beispiele zeigen Schröder, dass viele Menschen nicht darauf vorbereitet sind, adäquat mit den intelligenten Geräten umzugehen. Es fehlt quasi an der „Ethik-App“, sagt er. Seine Befürchtung lautet deshalb: Wenn Menschen zunehmend mit Chat-Bots kommunizieren, mit immer intelligenteren Maschinen ihren Alltag bewältigen und sich am Ende zu Hause von humanoiden Robotern bedienen lassen, könnte schrittweise die Fähigkeit verloren gehen, mit wirklichen Menschen ethisch achtsam umzugehen. Deshalb fordert er jetzt mehr Bewusstheit für die Problematik und eine konsequente Vorbereitung auf mögliche Szenarien der Zukunft.

Ruf nach einer hybriden Ethik

Was tun wir, wenn Roboter so programmiert werden, dass sie ein Bewusstsein entwickeln? Können sie Schmerzen empfinden? Muss man dann auf ihre Verletzbarkeit Rücksicht nehmen? Das alles sind Fragen, die nach Schröders Meinung erst im nächsten Jahrzehnt konkret werden dürften – wenn überhaupt. Viel realer sind hingegen Fragen, zu denen er sich in seinem Vortrag im Vatikan ebenfalls geäußert hat. Sein Plädoyer stehe unter dem Überbegriff einer „hybriden Ethik“ – einem Ansatz, der bislang getrennte Aspekte der Human-, Tier-, Umwelt- und Maschinen-Ethik integrieren will. „Letztendlich geht es dabei um die Frage, wer Träger moralischer Rechte sein kann“, erklärt der Philosoph.

Wenn Menschen in Zukunft einer intelligenten Maschine ethisch begründeten Respekt zugestehen werden: Warum sollten sie das nicht erst recht bei Tieren so handhaben, möglicherweise auch bei Pflanzen? „Wir verfügen über eine lange Tradition an Werten und Normen für menschliche Akteure. Nimmt man jetzt künstliche und tierische Akteure mit ins Boot, werden wir mit den alten Linien die neuen Herausforderungen nicht bewältigen können“, sagt Schröder. Für ihn ist deshalb klar: „Wir müssen über die rein anthropozentrische Ethik hinausgehen und eine hybride Variante versuchen – und Humanität in einem größeren Kontext verorten.“

Der Kongress fand vom 16. bis 17. Mai im Vatikan statt; dazu eingeladen die Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften – zwei unabhängige Stelle innerhalb des Heiligen Stuhls, die Forschungsfreiheit genießen. Die Ergebnisse der Konferenz werden von der Akademie publiziert und dem Papst mitgeteilt, der sich so über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse informieren und sie in seine Entscheidungen und Botschaften einfließen lassen kann.

Zur Homepage der Tagung

Kontakt

Prof. Dr. Wolfgang Schröder, T: +49 931 31-80372, wolfgang.schroeder@uni-wuerzburg.de

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