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Corona: Wirkstoffe im Schnelltest

14.04.2020

Mit Gewebemodellen der menschlichen Atemwegs-Schleimhaut suchen Würzburger Forschungsgruppen nach Wirkstoffen gegen das neue Coronavirus.

Zellbasierte Gewebemodelle zum Testen von Wirkstoffen.
Zellbasierte Gewebemodelle zum Testen von Wirkstoffen. (Bild: Knud Dobberke / Fraunhofer ISC)

Die durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Pandemie schränkt das öffentliche Leben und die Wirtschaft in bisher ungekannter Weise ein. Entsprechend groß sind die weltweiten Forschungsanstrengungen, die Wissenslücken in Bezug auf den neuen Erreger zu füllen und wirksame Therapien zu entwickeln.

Daran wird auch in Würzburg gearbeitet: Hier wollen Forscher des Fraunhofer-Translationszentrums für Regenerative Therapien (TLZ-RT) gemeinsam mit dem Virologen Professor Jochen Bodem von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg Wirkstoffe gegen das Virus identifizieren. Dafür setzen sie spezielle Gewebemodelle ein.

Organoide der Atemwegs-Schleimhaut im Einsatz

Eigentlich sehen die Gewebemodelle des TLZ-RT ganz unspektakulär aus: In transparenten Plastikplatten lagern Zellkulturträger in hellrosa Nährlösung.

Doch hinter dem nüchternen Aussehen verbirgt sich etwas, das die Entwicklung von Wirkstoffen und Arzneimitteln revolutionieren könnte. Auf den unscheinbaren Trägern werden nämlich ganze organtypische Gewebemodelle kultiviert – also nicht nur einzelne Zellen des Verdauungstraktes, sondern Darm-Organoide, die alle wesentlichen Zellen der Darmschleimhaut enthalten. Oder nicht nur einzelne Zellen aus den Atemwegen, sondern ein Zellmodell der menschlichen Atemwegs-Schleimhaut, die das primäre Zielgewebe des Virus SARS-CoV-2 ist.

Schnelle Wirkstofftests mit Gewebemodellen

Aktuell untersucht das Fraunhofer-Team gemeinsam mit Bodems Arbeitsgruppe definierte Substanzen auf ihre Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2. „Wir analysieren, ob sich durch die Zugabe bestimmter Substanzen die Vervielfältigung der Viren in den Gewebemodellen aufhalten lässt. Außerdem untersuchen wir, wie sich eine Infektion mit SARS-CoV-2 auf die Funktionalität – zum Beispiel auf die Barrierefunktion oder Schleimbildung – der Atemwegsmodelle auswirkt. Mit unseren Modellen der Atemwege erhalten wir somit ein umfassendes Bild über die wahrscheinlichen Prozesse, wie sie wohl auch nach einer Infektion im Menschen ablaufen würden“, so Projektleiterin Dr. Maria Steinke vom TLZ-RT. „Im ersten Schritt könnte es auch schon eine Hilfe sein, wenn wir Wirkstoffe finden, die die Viren schwächen und das körpereigene Immunsystem stärken und stabilisieren.“

An den Gewebemodellen können auch Wirkstoffe getestet werden, die bereits für andere Erkrankungen zugelassen sind. Dadurch hoffen die Forschungsgruppen, möglichst schnell Therapeutika gegen SARS-CoV-2 zu finden, weil die üblichen und notwendigen langwierigen Zulassungsverfahren für Medikamente abgekürzt werden könnten.

Forschungsansatz für spezifischen Frühwarntest

Ein weiterer Baustein zur Bekämpfung der Corona-Pandemie könnten Frühwarntests sein, die bereits in einem sehr frühen Stadium der Infektion zuverlässig auf SARS-CoV-2 reagieren.

„Hier könnte eventuell die Tatsache nützlich sein, dass Betroffene zu einem relativ frühen Infektionszeitpunkt häufig von Magen-Darm-Beschwerden berichten. Ob und wie das mit den Coronaviren zusammenhängt, ist noch unklar. Aber hier könnte man zum Beispiel unsere Modellsysteme für den Magen-Darm-Trakt anwenden, um das herauszufinden“, ergänzt PD Dr. Marco Metzger, Leiter des Fraunhofer TLZ-RT. Gegenwärtig habe man beim Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Reihe von Projektanträgen mit Kooperationspartnern aus Würzburg und Leipzig gestellt, um diese Arbeiten weiter finanzieren zu können.

Zuverlässige Aussagen mit weniger Tierversuchen

Die Forschungsgruppen des TLZ-RT sind mit ihren menschlichen 3D-Gewebemodellen ganz weit vorne in der biomedizinischen Forschung.

„Diese zellbasierten Modelle setzen wir zum Beispiel ein, um Wirkstoffe, Arzneimittel oder auch Kosmetika für Forschung und Industrie zu testen. Dadurch werden deutlich weniger Tierversuche benötigt, und die Ergebnisse der Tests sind zuverlässiger auf den Menschen übertragbar, weil wir menschliche Zellen aus Zellbanken für die Testmodelle verwenden können“, erklärt Professor Gerhard Sextl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC in Würzburg, zu dem das TLZ-RT seit 2017 gehört.

Besonders interessant sind die Modelle für die vorklinische Phase der Medikamentenentwicklung – wenn es darum geht, schnell und sicher die richtigen Wirkstoffe für die jeweilige Erkrankung identifizieren zu können. Hier möchte man gerne wegkommen von den bisher noch überwiegend verwendeten Tierversuchen oder den sehr vereinfachten 2D-Zellkultursystemen.

Kontakt

Marie-Luise Righi, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, Leitung PR und Kommunikation, T +49 931 4100-150, righi@isc.fraunhofer.de

Weblink

Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien

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