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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Bargeld geht gar nicht

22.11.2016

Korruption und Korruptionsvorsorge waren Thema eines Vortrags, zu dem die Uni Würzburg Beschäftigte geladen hatte. Anhand vieler praktischer Beispiele zeigte ihnen ein Experte vom Landeskriminalamt die Grenzen des Erlaubten auf und gab Tipps zum richtigen Verhalten.

Korruptionsexperten unter sich (v.l.): Professor Frank Peter Schuster, vom 1. Dezember an Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge an der Uni Würzburg; Jürgen Miller, Leiter des Sachgebiets „Wirtschaftsdelikte, Korruption und Umweltkriminalität“ be
Korruptionsexperten unter sich (v.l.): Professor Frank Peter Schuster, vom 1. Dezember an Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge an der Uni Würzburg; Jürgen Miller, Leiter des Sachgebiets „Wirtschaftsdelikte, Korruption und Umweltkriminalität“ beim Bayerischen Landeskriminalamt, sowie Professor Ralf Brinktrine, von 2013 bis 2016 Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge. (Foto: Gunnar Bartsch)

Einen Bocksbeutel als Dankeschön für den gelungenen Vortrag? Für einen Kriminaloberrat? Der noch dazu Leiter des Sachgebiets „Wirtschaftsdelikte, Korruption und Umweltkriminalität“ beim Bayerischen Landeskriminalamt ist? Und der gerade fast zwei Stunden lang über Korruption und Korruptionsprävention gesprochen hat? Ist das noch sozial adäquat oder fängt hier schon die Vorteilsannahme an?

Kriminaloberrat Jürgen Miller war von München an den Main gereist, um hier vor allem Mitarbeiter der Verwaltung über das Thema „Korruption“ zu informieren und – wie er sagte: „Wachsamkeit erzeugen, Ängste nehmen und Handlungssicherheit geben“ wollte.

Schaden für Reputation und Integrität

Gut ein Prozent aller Straftaten in Deutschland fallen unter den Bereich der Korruption, so Miller in seinem Vortrag. Während in der Wirtschaft die Schäden sehr schnell dreistellige Millionenbeträge annehmen, seien die Summen, die in Behörden und Verwaltung fließen, deutlich geringer. „Es ist fast beschämend zu sehen, mit wie wenig Geld Beamte bisweilen zufrieden sind“, so Miller. Dennoch richten auch bestechliche Beamte und Verwaltungsangestellte großen Schaden an, unter anderem indem sie Reputation und Integrität öffentlicher Einrichtungen zerstören.

„Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines anderen zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten mit Schaden für Andere“: So definiert der Gesetzgeber Korruption und Bestechlichkeit. Das Problem dabei: Wo fängt der Vorteil an? „Einen Vorteil hat im Prinzip jeder, der auf diese Weise seine persönliche Lage verbessert“, sagte Miller.

Mit dem eigenen Kaffee in die Besprechung

Also: Die Mitarbeiter im Bauamt, die bei der Auftragsvergabe ein bestimmtes Unternehmen bevorzugen und dafür Bargeld in einem anonymen Kuvert zugesteckt bekommen, sind definitiv bestechlich. Aber was ist mit dem Behördenmitarbeiter, der von einem Unternehmen zu Gesprächen eingeladen wird und Flug, Übernachtung und festliches Abendessen bezahlt bekommen soll? Oder mit der Tasse Kaffee und den Keksen, die heutzutage bei jeder Besprechung ungefragt auf dem Tisch landen? Schließlich tragen diese auch dazu bei, „die persönliche Lage“ zu verbessern.

Folgende Argumente zählen jedenfalls nie: „Das macht doch jeder so“ und „Das haben wir schon immer so gemacht“, so der Korruptionsexperte. Dass Streifenpolizisten vor 30 Jahren sich in München darauf verlassen konnten, während der Wiesn von den Wiesnwirten mit Gutscheinen für mehrere Maß Bier und halbe Hendl versorgt zu werden, mag damals keinerlei Anstoß erregt haben. Heute sei es undenkbar, so Miller. Das andere Extrem sei mittlerweile in den USA zu beobachten: „Wenn dort Behördenvertreter ein Unternehmen besuchen, nehmen sie ihren eigenen Kaffee in einer Thermoskanne mit, damit sie nicht gegen Compliance-Richtlinien verstoßen.“

Beim Vorgesetzten absichern

Und was heißt das jetzt konkret für die Mitarbeiter der Uni-Verwaltung? „Hören Sie im Zweifelsfall auf Ihr Bauchgefühl“, sagte Miller. Wenn es dort grummele, solle man das Angebot höflich ablehnen mit einem Hinweis auf die hauseigenen Bestimmungen. Wichtig sei auch eine unverzügliche Mitteilung an den Vorgesetzten oder die zuständige Stelle. „Wenn die ihre Zustimmung erteilen, sind Sie aus dem Schneider“, so der Kriminalbeamte. Zu besonderer Vorsicht riet Miller immer dann, wenn Freundschaften und freundschaftliche Dienste mit staatlichem Handeln zusammenfallen. In diesen Fällen sei besondere Sensibilität gefordert – und im Idealfall eine Entscheidung durch den Chef.

Den Flug und die Übernachtung zahlt ein Beamter also aus dem Etat seiner Dienststelle und die Teilnahme an dem festlichen Abendessen sagt er besser ab. Eine Einladung in die Betriebskantine sei hingegen in Ordnung. Das falle unter „sozial adäquat“ und sei demnach unbedenklich, so Miller. Dabei handele es sich um eine „übliche und angemessene Bewirtung im Rahmen des dienstlichen Auftrags“. Sonderbewirtungen, Sondereinladungen, VIP-Karten: Ein klares Nein! Eine Schachtel Pralinen? „Kommt auf den Wert und den Zusammenhang an“. Und wie sieht es aus mit Bargeld? Dazu hat Jürgen Miller eine eindeutige Position: „Null, niente, das geht gar nicht!“

Die Rache verlassener Partner

Wer den Verdacht hat, sein Kollege könne es mit den Compliance-Regeln nicht so genau nehmen, für den hat Miller ebenfalls einen eindeutigen Rat: „Sagen Sie nicht, da wird schon nichts dran sein, und legen ihren Verdacht dann in die Schublade.“ Besser sei es, den Korruptionsverantwortlichen und im Zweifelsfall gleich die Polizei zu informieren. Das passiere gar nicht so selten: In gut einem Viertel aller Fälle haben Tipps aus Behörden die Ermittlungen des LKAs in Gang gesetzt, so Miller. Erst an zweiter Stelle folgen in dieser Statistik „Sonstige Personen“ – häufig ehemalige Lebensgefährten der Angezeigten, die nach einer Trennung oder Scheidung Rache üben, so der Korruptionsexperte.

Für die Universität hatte Jürgen Miller eine Liste von Maßnahmen mitgebracht, wie sie für das Thema „Korruption“ sensibilieren und dem Verhalten vorbeugen kann. An oberster Stelle stehen dabei eindeutige Regeln, die kurz und verständlich allen Mitarbeitern an die Hand gegeben werden. Dann gelte es, in der Verwaltung die Bereiche zu identifizieren, die für Bestechungsversuche anfällig sein könnten, und dort geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa das Vier-Augen-Prinzip bei Auftragsvergaben. Konkrete Ansprechpartner und ein Controlling vervollständigen den Katalog.

Ansprechpartner an der Uni Würzburg

Einen solchen Ansprechpartner gibt es übrigens an der Uni bereits seit einigen Jahren: Professor Ralf Brinktrine, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Deutsches und Europäisches Umweltrecht und Rechtsvergleichung, war 2013 zum „Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge“ ernannt worden. Zum 1. Dezember 2016 übergibt er diese Aufgabe an Professor Frank Peter Schuster, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Strafrecht. Sie seien keine Oberaufseher und keine Verfolgungsbehörde; ihre Aufgabe sei es, Beschäftigte zu informieren und zu beraten, so Brinktrine. Glücklicherweise sei der damit verbundene Aufwand „sehr sehr überschaubar“.

Und was ist nun mit dem Bocksbeutel passiert, den Jürgen Miller als Dankeschön bekommen sollte? Miller blieb standhaft und lehnte mit freundlichen Worten die Annahme des Geschenkes ab.

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