Astrid Freyeisen beobachtet China
02.12.2025JMU-Alumna Dr. Astrid Freyeisen ist beim Bayerischen Rundfunk Redaktionsleiterin für Wirtschaft und Soziales. Sie befasst sich viel mit Trends und Stimmungen in China.
Was arbeiten Absolventinnen und Absolventen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU)? Um den Studierenden verschiedene Perspektiven vorzustellen, befragen Michaela Thiel und ihr Team vom zentralen Alumni-Netzwerk „Uni Würzburg Community“ regelmäßig ausgewählte Ehemalige.
Heute im Interview: Dr. Astrid Freyeisen. Sie hat an der JMU Neuere und Neueste Geschichte mit Sinologie im Nebenfach studiert. Jetzt arbeitet sie beim Bayerischen Rundfunk in München als Redaktionsleiterin für Wirtschaft und Soziales.
Frau Dr. Freyeisen, Sie beobachten China. Was bedeutet das?
Vor allem geht es um Wirtschaft und Politik: Ich verfolge die Nachrichtenlage und wichtige wissenschaftliche Publikationen, pflege Kontakte zu China-Experten und meinen ARD-Kolleginnen und -Kollegen in China. Besonders zu meiner Nachfolgerin als ARD-Korrespondentin in Shanghai, Eva Lamby-Schmitt – auch sie hat an der JMU Sinologie studiert. Bei Bedarf unterstütze ich Eva durch Analysen und andere Berichte von Deutschland aus – moderne Technik macht’s möglich. In unregelmäßigen Abständen kommen Urlaubsvertretungen in China hinzu, was besonders wichtig ist, um Trends und Stimmungen vor Ort einschätzen zu können. Auch im BR sind meine Berichte über China gefragt. Vor allem dann natürlich, wenn es inhaltlich einen Bezug zu Bayern gibt.
Warum haben Sie Sinologie studiert, was fasziniert Sie an China?
Mein Vater Lothar Freyeisen, auch ein Alumnus der JMU, war lange Jahre einer der erfolgreichsten deutschen Rudertrainer. In den 1980ern bildete er in China Rudertrainer aus und kam stets mit vielen begeisternden Geschichten und Fotos zurück. Der Funke sprang auf mich über. So entschied ich mich, Sinologie im Nebenfach zu studieren. Durch die Partnerschaft mit der Uni Hangzhou bekam ich ein Stipendium der JMU für China. Mich fasziniert einerseits die unglaubliche Dynamik, der man sich in China kaum entziehen kann und die extrem viele überraschende Momente bringt. Andererseits liebe ich die uralte Kultur, zum Beispiel die Tempel in den Bambuswäldern rund um den weltberühmten Westsee von Hangzhou.
Was ist die größte Herausforderung bei der Berichterstattung über China?
Die Balance zu halten. Die China-Strategie der Bundesregierung macht es deutlich: China ist einerseits unverzichtbarer Partner, zum Beispiel beim Klimaschutz, gleichzeitig aber auch scharfer Konkurrent im Welthandel und systemischer Rivale. Denn unsere politischen Ordnungen könnten nicht unterschiedlicher sein.
Welchen Denkfehler machen Laien in Bezug auf China am häufigsten?
Dass China ein Monolith ist. Das Land ist allein schon durch seine Größe eher wie ein Kontinent, seine Provinzen wie Länder. Die zwar zentral regiert werden, aber doch sehr unterschiedlich sind.
Was raten Sie Studierenden, die einen ähnlichen Berufsweg einschlagen möchten?
Der Journalismus hat sich durch die Digitalisierung sehr verändert und wird sich durch KI sicherlich abermals extrem verändern. Wer da Fuß fassen will, sollte durch praktische Erfahrung so früh wie möglich prüfen, ob Medien tatsächlich die richtige Berufswahl sind.
Was ist Ihre liebste Erinnerung an die Studienzeit?
Die Arbeit an meiner Dissertation „Shanghai und die Politik des Dritten Reichs“. Mein Doktorvater war Professor Wolfgang Altgeld. Von ihm kam die Anregung, aus einem Absatz im Reiseführer, den ich mir für mein Studienjahr in China gekauft hatte, meine Magisterarbeit und dann die Dissertation zu schreiben. Es war eine einzigartige Erfahrung, weil damals in den 90ern noch etliche Zeitzeugen lebten, jüdische Flüchtlinge und alteingesessene deutsche Kaufmannsfamilien. Mit ihnen zu sprechen, war wie eine Zeitreise in die 1930er- und 40er-Jahre, in ein vom Krieg gebeuteltes Shanghai. Hinzu kamen viele spannende Entdeckungen in Archiven in Deutschland, den USA und China. Eine wahnsinnig aufregende Zeit, für die ich meiner Uni, dem DAAD und insbesondere dem mittlerweile leider verstorbenen Professor Altgeld sehr dankbar bin.
Vielen Dank für das Gespräch!
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