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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

3G – Geheimnisse, Geschenke, Geschichten

30.11.2021

„Übersetzen ist Macht“ ist der Titel einer virtuellen Ausstellung des DFG-Schwerpunktprogramms „Übersetzungskulturen der frühen Neuzeit“ der Uni Würzburg. Präsentiert werden einzigartige Exponate und hintergründige Videos.

Das Exponat "Kymrische Heilige Schrift" der virtuellen Ausstellung "Übersetzen ist Macht".
Das Exponat "Kymrische Heilige Schrift" der virtuellen Ausstellung "Übersetzen ist Macht". (Bild: Norton Bonham u. John Bill 1620; HerzogAugust Bibliothek Wolfenbüttel)

Die Geheimnisse der Heiligen Schrift und Täuschung in Perfektion; extravagante Festlichkeiten und das Geschenk der Musik; Geschichten von fremden Ländern oder der perfekten Selbstdarstellung für die Karriere: Die virtuelle Ausstellung „Übersetzen ist Macht – Geheimnisse, Geschenke, Geschichten der frühen Neuzeit“ bietet ganz unterschiedliche historische Exponate, die von Expertinnen und Experten erklärt und deren zentrale Bedeutung für unser heutiges Zusammenleben herausgestellt werden.

Die Ausstellung ist komplett online und gliedert sich in die Bereiche Geheimnisse, Geschenke und Geschichten. Je Bereich werden etwa sechs Exponate gezeigt und erklärt, hinzu kommen noch kurze Videos von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die weitere Stücke und Themen vertiefend erklären. Organisiert und konzipiert wurde die Ausstellung vom DFG-Schwerpunktprogramm 2130 (SPP2130) „Übersetzungskulturen der frühen Neuzeit“, das an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg beheimatet ist.

Die Ausstellung kann ab sofort unter www.uebersetzenistmacht.de besucht werden. Wer sich alle Exponate und Videos anschaut, lernt in 90 Minuten viele historische Geheimnisse, Geschenke und Geschichten des Übersetzens kennen, über die man sonst nur wenig erfährt. Die Dauerausstellung ist in Deutsch und Englisch erlebbar.

Außergewöhnliche Exponate

 „Macht“ ist der rote Faden der gesamten Ausstellung. „Das Thema Übersetzung hat im historischen Kontext häufig mit Kolonialismus oder Missionierung zu tun. Das sind durchaus auch gewaltsame Prozesse, die wir untersuchen“, erklärt Annkathrin Koppers, koordinierende Mitarbeiterin des Schwerpunktprogramms. Natürlich werde auch das humanistische Übersetzen aus den Gelehrten- und Studierzimmern untersucht, wo es weniger darum geht, andere Kulturen zu vereinnahmen, sondern Wissen zu erschließen.

Exponate der drei Bereiche sind zum Beispiel antike Bücher und Schriften, historische Landkarten und Gemälde oder Kunstwerke aller Art von 1450 bis 1800. Ein Beispiel: Eine kymrische Bibel von 1620, also in walisischer Sprache. Koppers: „Das Geheimnis ist der Bibeltext in der Volkssprache, der vorher nur auf Latein vorlag.“ Zwar habe es bereits zuvor Bibeln auf Englisch in Wales gegeben. Aber: „Man kann mit Fug und Recht sagen, dass aufgrund dieser Übersetzung die kymrische Sprache auch heute noch existiert.“ Die Übersetzung sei so weit verbreitet gewesen, dass sie die lebendige Verwendung der Sprache rettete. „Sie war so machtvoll, dass sie zu dem Standard wurde, an dem sich die kymrische Schriftsprache bis ins 20. Jahrhundert orientierte.“

Für Regina Toepfer, JMU-Professorin und Leiterin des Schwerpunktprogramms, sind die Erklärvideos der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Highlight der Ausstellung. Sie hebt das Video und die Exponate zur Geschichte von Salomon Negri hervor – einem Syrer, der nach Europa auswanderte und zum Christentum konvertierte. „Im Film wird sein Weg und seine Rolle sehr anschaulich dargestellt, wie er als Übersetzer eine Art Zwischenstellung inne hat: Weil sein Glaube in Europa unerwünscht war, trat er zum Christentum über. Auf der einen Seite versuchte er, sich vollständig zu assimilieren, auf der anderen Seite brachte er ein großes kulturelles Wissen mit und eine Sprachkenntnis, mit der er ganz neue Quellen zugänglich machen konnte“, sagt Toepfer.

Prominent besetztes Begleitprogramm

Zur Ausstellungseröffnung hat das SPP2130 einen Live-Talk mit der in Aserbaidschan geborenen Bestsellerautorin Olga Grjasnowa organisiert. Die Themen: Sprache, Anerkennung und Identität. Wer übersetzt, warum wird übersetzt und welche Machtfaktoren spielen dabei eine Rolle? Die Diskussion kann am 2. Dezember 2021 ab 18.30 Uhr live auf dem YouTube-Kanal der JMU mitverfolgt werden.

Außerdem ist ein Essayband zum Thema „Übersetzen ist Macht“ geplant, mit Unterstützung von Professorin Ulrike Draesner, Direktorin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig.

Erste Meinungen

Neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft wird die Ausstellung von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel unterstützt. Die behandelten Exponate und Themen präsentieren aktuelle Forschungsergebnisse des Schwerpunktprogramms.

Die ersten Rückmeldungen sind durchweg positiv: „Die Tragweite der politischen Dimension von Übersetzungen wird hier an vielfältigen Exponaten anschaulich gemacht. Die Ausstellung ist ein schönes Beispiel für gelungene Vermittlung historischer geisteswissenschaftlicher Forschung“, sagt JMU-Präsident Paul Pauli. „Die Ausstellung behandelt ein akademisches Thema auf eine sehr allgemeinverständliche und ‚sinnliche‘ Weise – allein die vielsprachigen Lesungen sind ein Genuss – ohne die Verwirrungen und Verflechtungen der Wege, den Texte durch verschiedene Sprachen und Zeiten nehmen, zu vereinfachen oder aufzulösen“, so die Schriftstellerin Christine Wunnicke. Und: „Die Übersetzung als Politikum, Kunstwerk und gesellschaftlicher, oft auch kolonialer Akt wird aufgefächert, ohne thesenhaft zu werden; viel bleibt der eigenen Deutung überlassen.“

Weblinks

Die virtuelle Ausstellung kann hier besichtigt werden.

Mehr Informationen zum Schwerpunktprogramm gibt es hier.

Der Talk zur Ausstellungseröffnung mit Olga Grjasnowa ist hier zu sehen.

Kontakt

Prof. Dr. Regina Toepfer, Lehrstuhl für deutsche Philologie, Ältere Abteilung, Universität Würzburg, T. +49 931 31 – 83609, spp2130@uni-wuerzburg.de

Von Kristian Lozina

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