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  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Sensorfusion geglückt

20.11.2018

Mit einem Höhenforschungsballon haben Studierende der Luft- und Raumfahrtinformatik ein Experiment steigen lassen. Ihre Ergebnisse könnten einmal dabei mithelfen, die Oberfläche anderer Planeten zu erkunden.

Acht Mitglieder des studentischen QUEST-Teams waren in Kiruna dabei. Hier zeigen sie ihr fertig zusammengebautes Experiment, bevor sie es auf den Höhenforschungsballon montierten. (Foto: Lukas Zembrot / QUEST)
Acht Mitglieder des studentischen QUEST-Teams waren in Kiruna dabei. Hier zeigen sie ihr fertig zusammengebautes Experiment, bevor sie es auf den Höhenforschungsballon montierten. (Foto: Lukas Zembrot / QUEST)

Es ist ganz schön beeindruckend, wenn Jan von Pichowski und Isabell Wittekind von ihrem Projekt erzählen. Davon, was sie mit anderen Studierenden der Luft- und Raumfahrtinformatik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) auf die Beine gestellt haben.

Die jungen Leute haben ein Experiment für einen Höhenforschungsballon geplant und eigenständig umgesetzt. Ihr Ziel war es, Daten aus vier verschiedenen Sensoren zu einem möglichst detailreichen Bild von der Erdoberfläche zusammenzusetzen. Dabei sollten am Ende Schnee, Wasser, Pflanzen, Felsen und Wolken klar voneinander abgegrenzt sein. Das System sollte zudem Flächen kennzeichnen, die es keiner der genannten Landschaftsformen zuordnen konnte.

„Die meisten Satellitenkameras arbeiten mit nur einem Sensor“, erklärt Jan von Pichowski. Das studentische Team der JMU hat nun einen Algorithmus entwickelt, mit dem sich die Daten von mehreren unterschiedlichen Sensoren zur Bilderzeugung kombinieren lassen – eine klare Verbesserung zum Status Quo. „Das System arbeitet autonom und ist modular aufgebaut. Der Algorithmus kann auch dann weiterarbeiten, wenn ein Sensor ausfällt“, sagt Isabell Wittekind.

Sensorausfall war ein Glücksfall

Dass die Landschaftserkennung mittels Sensorfusion funktioniert, zeigte sich am 18. Oktober 2018 in Kiruna in Nordschweden. Dort startete der Ballon mit dem JMU-Experiment an Bord. Die Reise ging 30 Kilometer nach oben – das ist etwa drei Mal so viel wie die Reisehöhe von Langstreckenflugzeugen beträgt.

Am Ende hatten die Studierenden schöne Aufnahmen von Nordschweden vorliegen. Seen sind darauf zu erkennen, Wälder und Gebirgszüge. Das selbst entwickelte System funktionierte wie erhofft. Bei den vorbereitenden Tests kurz vorm Start fiel allerdings ein Sensor aus.

„Für uns war das aber ein Glücksfall“, sagt Jan. Denn so erkannten die Studierenden, dass ihr Algorithmus auch beim Ausfall eines Sensors zuverlässig weiterfunktioniert. Fazit: Ihr Projekt mit dem Namen QUEST ist rundum gelungen (QUEST steht für „Quad-spectral Unaided Experimental Scanner of Topography“). Mit dem Projekt hatten sie eine Idee ihres Professors Hakan Kayal verfolgt, der unter anderem auf dem Gebiet „Autonomie in der Raumfahrt“ forscht.

Internationale Erfahrungen gewonnen

Als die Würzburger Studierenden ihr Experiment in Schweden steigen ließen, lagen etwa eineinhalb Jahre Arbeit hinter ihnen. Denn um den Höhenforschungsballon am Esrange Space Center in Kiruna nutzen zu können, mussten sie nicht nur ihr Experiment ausarbeiten, sondern auch ein internationales Bewerbungsverfahren im Rahmen des Rexus-Bexus-Programms durchlaufen.

An diesem Programm (siehe Textende) haben in den vergangenen Jahren schon mehrfach Studierende der JMU teilgenommen. Das Team um Jan und Isabell wurde nach einer ersten Projektpräsentation in Bonn ausgewählt. Danach ging es immer wieder auf Reisen – zu Workshops und weiteren Projektbegutachtungen nach Bremen oder in die Niederlande. Von den Fachleuten dort bekamen sie wichtiges Feedback zu ihrer Arbeit.

Unterstützung an der Uni Würzburg

An der JMU wurden die jungen Leute von den Teams der Raumfahrt-Professoren Hakan Kayal und Sergio Montenegro unterstützt. Kayal ist Experte für Raumfahrttechnik und interessiert sich unter anderem für Satellitenmissionen zu anderen Planeten.

„Wenn Kleinsatelliten einmal ausschwärmen sollen, um die Oberfläche anderer Planeten zu erkunden, brauchen sie wegen der langen Laufzeit mehr Autonomie als es bis jetzt der Fall ist“, sagt Kayal. Bei solchen Missionen sei die Kommunikation immer eine Herausforderung. „Darum ist es von Vorteil, die gewonnenen Daten mittels Sensorfusion direkt im Satelliten zu verarbeiten.“

Präsentation auf internationaler Konferenz

Das Projekt QUEST ist für die Studierenden noch nicht beendet. „Wir werden nun einige Nacharbeiten erledigen, um den Algorithmus weiter zu verbessern“, sagt Isabell. Und die erfolgreiche Arbeit soll in der Fachwelt noch bekannter gemacht werden. Dafür sorgen die Studierenden unter anderem auf einer internationalen Luft- und Raumfahrtkonferenz, die 2019 in Essen stattfindet. Dort können sie QUEST an einem Info-Stand präsentieren.

Das Rexus/Bexus-Programm

Das Programm ermöglicht es Studierenden aus Europa, wissenschaftliche und technologische Experimente auf Forschungsballons und -raketen durchzuführen.

Jedes Jahr werden in Kiruna (Schweden) zwei Raketen und zwei Ballons gestartet, die insgesamt bis zu 20 studentische Experimente tragen. Im Bexus-Programm heben die Experimente mit einem Ballon ab, der ein Volumen von 12.000 Kubikmetern hat und bis zu 30 Kilometer hoch aufsteigt. Die Fahrt dauert zwei bis fünf Stunden.

Getragen wird das Rexus-Bexus-Programm vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Swedish National Space Agency (SNSA).

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