Intern
  • Drei Studierende vor der Neuen Uni am Sanderring.

Neues Zentrum für Herz und Gefäße

11.12.2018

Vererbte Herz- und Gefäßerkrankungen stehen im Fokus eines neuen Zentrums am Uniklinikum Würzburg. Patienten und deren Familien werden dort noch besser betreut. Zudem sollen Krankheitsmechanismen erforscht werden.

In ihrer Sprechstunde für Genetische Herzerkrankungen behandelt, betreut und untersucht Brenda Gerull Patienten.
In ihrer Sprechstunde für Genetische Herzerkrankungen behandelt, betreut und untersucht Brenda Gerull Patienten. (Bild: DZHI)

Eine Mutter pflegt ihren schwerkranken Sohn, der auf ein neues Herz wartet. Das Herz der Mutter ist ebenfalls schwach, auch sie wird eines Tages auf ein Spenderherz angewiesen sein. Eine andere Mutter kommt nicht eher zur Ruhe, bis sie weiß, woran ihre vierjährige Tochter plötzlich mitten in der Nacht gestorben ist. Ist ihre Familie genetisch vorbelastet? Trägt ihr Sohn ebenfalls die Mutation? Ein junger Mann wiederum, gerade 18 Jahre alt, ist bislang kerngesund, möchte aber Klarheit mittels eines Gentests, ob er die genetische Herzmuskelerkrankung seines Vaters geerbt hat. Trägt er die Mutation, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens ebenfalls eine Herzerkrankung und Herzrhythmusstörungen bekommen, in der Regel eher früher als später. Er wird Medikamente nehmen, sich vermutlich mit einem Defibrillator vor einem plötzlichen Herztod schützen müssen und vielleicht sogar eines Tages auf ein Spenderherz angewiesen sein.

Diagnose, Therapie und Forschung

Das sind nur drei Fälle von hunderten, die Professor Brenda Gerull in der Spezialsprechstunde für familiär bedingte Herzerkrankungen am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) behandelt, betreut und untersucht. „Nicht alle Verläufe sind so dramatisch, manchmal reicht es auch, lebenslang zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Aber auch das ist schwer, vor allem, wenn es mit viel Ungewissheit verbunden ist“, erzählt die Kardiologin, die seit Frühjahr 2016 im DZHI das Department für Kardiovaskuläre Genetik leitet. Hier diagnostiziert und therapiert sie nicht nur die genetisch bedingten Herzerkrankungen, hier erforscht die Wissenschaftlerin auch gemeinsam mit ihrem Team die Ursachen und Auslöser.

Immer wieder schrecken die Gesellschaft auch Meldungen auf über Sportler, die plötzlich tot umfallen. Wie kann das sein, dass ein junger, gut trainierter Mensch plötzlich verstirbt? Nicht selten steckt eine genetisch bedingte Herzerkrankung dahinter. Denn das unerwartete Auftreten der Erkrankung in jungen Jahren ist typisch für eine erblich bedingte Herzerkrankung. Und nicht selten sind mehrere Familienmitglieder betroffen – die Wahrscheinlichkeit, die genetische Veränderung weiterzuvererben, liegt bei bis zu 50 Prozent. Die Krankheitsbilder einer vererbten Herz- oder Gefäßerkrankung sind häufig komplex und ihre Erforschung und die Betreuung der Betroffenen und ihrer Familien entsprechend vielschichtig.

Genetische Herzerkrankungen sind sehr komplex und betreffen viele Fachbereiche. Um Patienten künftig noch besser in einem multiprofessionellen und interdisziplinären Ansatz zu behandeln, hat Gerull jetzt gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen des Uniklinikums Würzburg unter dem Dach des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE) das Zentrum für Genetische Herz- und Gefäßerkrankungen (ZGH) gegründet. Hier werden unter Gerulls Leitung die Kompetenzen mehrerer Abteilungen des UKW und des Instituts für Humangenetik der Universität Würzburg gebündelt.

Vernetzte Patientenversorgung

„Ich freue mich sehr, dass wir den betroffenen Familien im neuen Zentrum für Genetische Herz- und Gefäßerkrankungen eine intensivere und fachübergreifende Versorgung bieten können. Die Erwachsenenkardiologie arbeitet hier noch enger mit der Kinderkardiologie und Herzchirurgie zusammen, die Ambulanzen für Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen und die Bildgebungsabteilungen sind ebenfalls eingebunden. Und auch psychologische Unterstützung können wir im Bedarfsfall vermitteln“, erläutert Brenda Gerull. „Langfristig streben wir jedoch an, dass die Patienten kardiologisch und hausärztlich von den niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen weiterbetreut werden und wir beratend zur Seite stehen.“

Translationale Forschung

Neben der interdisziplinären Diagnose und Behandlung ist die Translationale Forschung ein weiterer wichtiger Aspekt des neuen Zentrums. Das bedeutet die schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Behandlung – von der Laborbank zum Krankenbett und zurück. „Im Fokus stehen die Mechanismen und Therapien von genetischen Herzerkrankungen“, erklärt Professor Christoph Maack, stellvertretender Leiter des neuen Zentrums und Leiter des Departments Translationale Forschung am DZHI. „Gemeinsam versuchen wir herauszufinden, auf welchen Wegen genetische Veränderungen beim Patienten zu Herz- und Gefäßerkrankungen führen, um aus diesen Erkenntnissen spezifische Therapien zu entwickeln, übrigens auch für Erkrankungen, die nicht genetisch bedingt sind.“

Vererbte Veränderungen führen zwar deutlich seltener zu einer Herz- und Gefäßerkrankung als Faktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, Nikotin oder andere Erkrankungen wie Diabetes, doch die Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Summe führen hierzulande mit Abstand am häufigsten zum Tod.

Das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz

Das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz ist ein integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum unter dem Dach von Universitätsklinikum und Universität Würzburg und wird seit dem Jahr 2010 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Ziel ist es, effektive Strategien für Prävention und Therapie der Herzinsuffizienz zu entwickeln und die Erkrankung grundlegend zu erforschen. Das Zentrum vereint dazu Grundlagen-, Versorgungs- und klinische Forschung in einem bundesweit einmalig multidisziplinären, translationalen Ansatz.

Pressemitteilung des DZHI

Zurück