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Afrikazentrum

Die literarische Repräsentation von Patrice Lumumba

Die Demokratische Republik Kongo in der Nacht des 17. Januar 1961: Mitten in der Savanne wird ein Mann an einen Baum gefesselt. Ein belgischer Geheimagent hebt die Hand und lässt schießen. Die Leiche wird anschließend in Säure aufgelöst. Nichts soll mehr an diesen Mann erinnern.

Was sich wie ein Agententhriller liest, ist die Geschichte von Patrice Lumumba, Freiheitskämpfer und erster Ministerpräsident der ehemaligen belgischen Kolonie. Seine Blockneutralität missfiel dem Westen – aus Angst davor, das geostrategisch wichtige Land an die UdSSR zu verlieren. Die Erinnerungskultur lebt bis heute fort und bleibt doch ambivalent: Während Lumumba im Kongo als Held verehrt wird, verschleiern belgische Institutionen den Mord systematisch und weigern sich, Lumumba zu gedenken.

Ambivalente Erinnerungen und Kritik aus der Gesellschaft

Bis in die 1990er Jahre war die Beteiligung Belgiens an diesem politischen Mord weitestgehend unbekannt: Politiker stritten jegliche Verantwortung ab und unterstützten die Diktatur von Joseph-Désiré Mobutu, der Lumumba an die CIA verraten hatte, während belgische Medien Lumumba als 'kommunistischen Mephisto' dämonisierten.

Diese verklärende Haltung der belgischen Offiziellen stößt jedoch seit 2000 innerhalb der Gesellschaft auf Kritik: So setzen sich verschiedene Bürgerinitiativen für die Errichtung eines Erinnerungsortes an Lumumba in Brüssels Innenstadt ein. In der kongolesischen Öffentlichkeit ist die positive Erinnerung an Lumumba als Nationalheld hingegen viel präsenter, denn hier sind dem ermordeten Politiker Denkmäler, Straßen, Schulen, Briefmarken oder Geldscheine gewidmet.

Lumumba als literarische Figur im Theater und in der Dichtung

Die Forschungsfragen der im Jahr 2017 abgeschlossenen Dissertation "Kolonialdiskurse im Vergleich. Die Repräsentation von Patrice Lumumba in der kongolesischen Lyrik und im belgischen Drama" untersucht dieses Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Erinnerungskulturen in der belgischen und kongolesischen Literatur.

Dabei lassen sich innerhalb der 13 untersuchten kongolesischen Gedichte deutliche Tendenzen einer Heldenverehrung Lumumbas erkennen. Die zwei analysierten belgischen Theaterstücke, die als Geschichtsdramen identifiziert werden, sind wider Erwarten ebenfalls durch eine Heldendarstellung Lumumbas markiert und wenden sich gegen die verklärende Ausrichtung der offiziellen Geschichtspolitik in Belgien.

Das Buch von Julien Bobineau ist 2020 im LIT Verlag unter dem Titel "Koloniale Diskurse im Vergleich: Die Repräsentation von Patrice Lumumba in der kongolesischen Lyrik und im belgischen Drama" veröffentlicht worden.

Kontakt & Links

Dr. Julien Bobineau hat Galloromanische Philologie, Öffentliches Recht und Philosophie an der JMU Würzburg studiert. Hiernach wurde der Literatur- und Kulturwissenschaftler mit einer Arbeit zur literarischen Repräsentation von Patrice Lumumba im Jahre 2017 promoviert. Er arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Neuphilologischen Institut der JMU Würzburg und als Regionalreferent mit Schwerpunkt Afrika im International Relations Office derselben. Derzeit ist er an der Universität Jena tätig.

Romanistik an der Universität Würzburg